Katrin Bauerfeind im Interview

"Wir sind nicht die Serie zum Feminismus"

von Markus Schu

In "Frau Jordan stellt gleich" spielt Katrin Bauerfeind eine unkonventionelle Gleichstellungsbeauftragte, die in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich ist.  Sie sei froh, "dass wir etwas machen, über das man lachen kann und beim Zähneputzen denkt: 'Vielleicht ist da was dran!"

Sieben Jahre nach dem Ende von "Stromberg" schickt Autor Ralf Husmann Katrin Bauerfeind durch den Gleichstellungswahnsinn. In der Serie "Frau Jordan stellt gleich" (ab 23. September beim Streamingdienst Joyn) spielt die 37-Jährige eine unkonventionelle Gleichstellungsbeauftragte, eine taffe Kämpferin für Gerechtigkeit, die, wenn es denn sein muss, in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich ist. Doch es geht für die "moderne Pippi Langstrumpf" immer um die Sache, und die ist bedeutsam – in der Serie wie im richtigen Leben. "Schlussendlich sind wir eine Comedyserie, und ich finde, es wird Zeit, dass über das gelacht wird. Was übrigens nicht dasselbe ist, wie sich darüber lustig zu machen", betont Katrin Bauerfeind im Interview.

prisma: Anfang des Jahres haben Sie mit "Bauerfeind – Die Show zur Frau" Ihre eigene Late-Night-Show erhalten. Nun starten Sie auf Joyn mit Ihrer ersten TV-Serie als Hauptdarstellerin durch. Zuletzt ist viel passiert ...

Katrin Bauerfeind: Das ist natürlich der Wahnsinn. Ich fühle mich geehrt und bin dankbar, dass ich das machen durfte. Meine Figur Eva Jordan ist eine knackige MILF – ich bin jetzt in einem Alter, in dem man bei solchen Rollen zusagen muss! Wer weiß, wie lange einem das noch angeboten wird? (lacht)

prisma: Was war für Sie der Reiz, an dem Format mitzuwirken? Die Thematik? Der Erfinder Ralf Husmann? Oder die Tatsache, dass es sich um ihre erste Hauptrolle handelte?

Bauerfeind: Ein bisschen alles! Ich hatte vor ein paar Jahren ein Buch mit dem Titel "Geschichten, die Männer nie passieren würden" geschrieben. Das Thema begleitet mich daher schon eine Weile und ist das Thema der Stunde. Ralf Husmann, der auch schon "Stromberg" geschrieben hat, hat uns schöne und gleichzeitig sehr lustige Bücher mit an die Hand gegeben. Seine Figuren sind ein Geschenk für Schauspieler. Und schlussendlich sind wir eine Comedyserie, und ich finde, es wird Zeit, dass über das gelacht wird. Was übrigens nicht dasselbe ist, wie sich darüber lustig zu machen.

prisma: Auf Facebook kündigten Sie vor einiger Zeit an, dass Sie in "Frau Jordan" eine moderne Pippi Langstrumpf spielen. Wie ist das genau zu verstehen?

Bauerfeind: Wäre doch toll, wenn Eva Jordan eine moderne Pippi Langstrumpf des neuen Jahrtausends wird, eine komplett erfundene Figur, an der sich Mädchen und Frauen auf ihrem Weg ins Leben orientieren können. Nur, dass ich halt keine Villa habe und keinen Affen (lacht). Eva Jordan ist eine unkonventionelle Gleichstellungsbeauftragte, sehr schlagfertig und taff. Super im Job, aber privat oft überfordert. In einer Folge zeigt sie beispielsweise ein bisschen mehr Dekolleté, um dem Bürgermeister ein bisschen mehr Geld aus dem Kreuz zu leiern, mit dem sie dann wieder Gutes für die Gleichstellung bewirken kann. Der Zweck heiligt die Mittel.

prisma: Damit polarisiert die Figur sicherlich.

Bauerfeind: Klar, die Jordan ist durchaus streitbar in einigen ihrer Unternehmungen. Aber die Fragen aus der Serie stellen sich täglich. Brauchen wir in Kindergärten unterschiedliche Fahrräder für Mädchen und Jungen, sind Frauen automatisch immer "mitgemeint", warum ist "schwul" immer noch ein Schimpfwort und so weiter. Eva Jordan handelt auch mal politisch unkorrekt, hat aber hinterher mehr Kohle, um damit etwas Gutes zu erreichen. Ich finde das spannend, weil menschlich. Dabei findet sie meist einen charmanten Weg ans Ziel zu kommen. Genau wie Pippi Langstrumpf.

prisma: Kann "Frau Jordan stellt gleich" durch die eher humorvolle Grundausrichtung die Debatte um Gleichstellung und Gleichberechtigung voranbringen?

Bauerfeind: Ich denke schon. Aber wir sind eine Comedyserie. Wir sind nicht die Serie zum Feminismus. Man würde auch nicht fragen, was die Serie "Big Bang Theory" für die Physik tut. Aber ich freue mich natürlich, wenn die Zuschauer was aus der Serie mitnehmen. Wir arbeiten schließlich mit vielen alltäglichen Themen.

prisma: Können Sie ein Beispiel geben?

Bauerfeind: In einer Folge geht es darum, dass ein Rollstuhlfahrer eine Rampe braucht, um zum Puff zu kommen. Parallel dazu will eine Frau zur Feuerwehr, wird aber bei der Aufnahmeprüfung benachteiligt. Eva Jordan muss Prioritäten setzen: Was ist wichtiger – die Rampe am Puff oder die Frau bei der Feuerwehr? Wir haben keine Antworten auf all diese Fragen, denn wir sind kein Ratgeber zum Feminismus, und auch keine Anleitung zu richtigen Verhaltensweisen im modernen Gleichberechtigungs-Dschungel. Aber wir beschäftigen uns damit auf lustige Art und Weise. Beyoncé hat das Thema Feminismus in ihren Songs aufgegriffen, Amy Shumer in ihrem Comedy-Programm – und beide haben das Thema dadurch nach vorne gebracht. Warum sollte das bei "Frau Jordan stellt gleich" nicht auch der Fall sein? Aber man zeigt uns jetzt sicherlich nicht in Klasse 9b als Dokumentation zum Thema! (lacht)

prisma: Wie geht man am besten mit Sexismus um?

Bauerfeind: Ich kann keine pauschalen Anleitungen geben, die gibt es einfach nicht. Dann kommen solche Sachen raus wie "Halte an Karneval eine halbe Armlänge Abstand zu Männern" – und das ist Quatsch. Ich glaube übrigens, dass die Queen die einzige Frau auf der Welt ist, die möglicherweise noch keine Benachteiligung erlebt hat. (lacht)

prisma: Welche Ungeheuerlichkeiten fallen Ihnen selbst ein?

Bauerfeind: Der Frauenmarathon ist seit 1984 olympisch. 1967 durfte die erste Frau überhaupt bei einem Marathon mitlaufen, weil man vorher dachte, dass die Gebärmutter herausfällt, wenn eine Frau mehr als 2,3 Kilometer läuft. In Hollywood sind nur 30 Prozent der Figuren mit Text Frauen. Oder: Fünf Jahre nach Studienabschluss an einer Filmhochschule in Deutschland arbeiten 100 Prozent der Männer in der Branche, aber nur 25 Prozent der Frauen – das liegt nicht daran, dass die Frauen alle schlechter sind!

prisma: Also geht es gar nicht um Einzelbeispiele, um die Debatte voranzubringen?

Bauerfeind: In der Serie behandeln wir natürlich in jeder Folge einen Fall, aber deswegen sind es keine Einzelfälle. Es geht ja gesellschaftlich um strukturelle Probleme.

prisma: "Frau Jordan" wurde von einem Mann erdacht, die Regisseure sind größtenteils männlich. Das werden manche sicherlich auch als Anlass zur Kritik nehmen ...

Bauerfeind: Ist mir klar, dass das kommt. Es gibt ja im Film- und TV-Bereich den sogenannten Bechdel-Test, der aus insgesamt drei Fragen besteht: Spielen Frauen mit? Reden sie miteinander? Reden sie über etwas anderes als einen Mann? Da fällt so ziemlich alles durch: "Der Herr der Ringe", "Star Wars" oder "Lola rennt". Unser Hauptensemble besteht zu 75 Prozent aus Frauen. Außerdem haben wir unter den Autoren überwiegend Frauen! Toll, oder? (lacht) Wir arbeiten auf allen Ebenen an der Gleichstellung.

prisma: Was muss sich in der Gesellschaft am dringendsten zum Thema Gleichstellung ändern?

Bauerfeind: Männer und Frauen sollten für denselben Job dasselbe Geld bekommen. Es gibt keinen plausiblen Grund, warum das nicht so sein sollte.

prisma: Haben Sie manchmal das Gefühl, dass sich die Debatte in Nebenkriegsschauplätzen verzettelt? Zum Beispiel im Durchgendern der Sprache?

Bauerfeind: Es gibt eben unterschiedliche Anliegen und Ziele, und jeder kämpft am Ende für das, was er wichtig hält – das finde ich gut. Man kann nicht sagen: Warte jetzt mal mit deiner Sache, zuerst kommt etwas anderes, das ich für dringender halte! Sprache beeinflusst uns tagtäglich und zwar viel subtiler als alles andere – auch das thematisieren wir in der Serie. Es ist gut, dass es auch ein Bewusstsein für die Macht von Sprache gibt. Aber es ist ja so: Dort, wo sich großer Widerstand formiert, da entwickelt sich etwas, es geht vorwärts – das kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen. Deswegen bin ich sehr optimistisch!

prisma: Das zeigt sich auch in all Ihren bisherigen Projekten.

Bauerfeind: Sie sagen es. Es ist mein berufliches Anliegen, wichtige Themen mit Unterhaltung zu verknüpfen. Jede wissenschaftliche Abhandlung, jedes politische Manifest genauso seine Daseinsberechtigung. Aber ich bin froh, dass wir etwas machen, über das man lachen kann und beim Zähneputzen denkt: "Vielleicht ist da was dran!"


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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