Juror und Coach bei "The Voice Kids"

Max Giesinger: "Eine gesunde Karriere braucht Zeit"

von Maximilian Haase

Vor sieben Jahren stand er bei der ersten Ausgabe von "The Voice of Germany" als 22-jähriger Kandidat auf der Bühne, erreichte den vierten Platz. Heute, nach dem Fall in die Bedeutungslosigkeit und dem folgenden beispiellosen Aufstieg in den Charthimmel, kehrt Max Giesinger als Coach in die Kids-Ausgabe der Musikshow zurück.

Ab Sonntag, 11. Februar, 20.15 Uhr, nimmt der 29-Jährige in SAT.1 neben Mark Forster, Nena und deren Tochter erstmals im berühmten roten Stuhl Platz. Als Nachfolger von Sasha sucht der Popstar, dem der Durchbruch erst 2016 mit "80 Millionen" gelang, bei "The Voice Kids" nach den größten kleinen Talenten.

Worauf er dabei achtet, wie er auf die Rückschläge seiner Karriere blickt und was er von Jan Böhmermanns Kritik an der Popindustrie und seiner eigenen Person hielt, verrät Max Giesinger im Gespräch.

prisma: Nun sitzen Sie als Coach auf dem roten Stuhl von "The Voice Kids": Vor sieben Jahren noch standen Sie bei den Großen als Talent auf der Bühne. Kommen da Erinnerungen hoch?

Max Giesinger: Man erinnert sich schon ein bisschen daran, wie das damals war. Gerade, wenn man hier so durch die Korridore läuft und sieht, dass viele Mitarbeiter noch die gleichen sind. Wir haben uns damals sehr gut verstanden, deshalb kommt so ein kleines Homecoming-Gefühl auf. Aber es ist schon ein Stück weit entspannter.

prisma: Macht Sie die neue Rolle nicht nervös?

Giesinger: Ich hatte schon Respekt vor einem Platz im Coach-Stuhl. Hier sitzen ja die größten Stars des Landes. Aber in erster Linie fühle ich mich sehr geehrt, dass ich diese Erfahrung machen darf und freue mich unglaublich auf das riesige Abenteuer, was da auf mich zukommt.

prisma: Jetzt sitzen Sie neben Nena, die damals auch bei Ihrem Auftritt schon Coach war.

Giesinger: Ja, sie hat sich damals auch für mich umgedreht. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen, aber sie freut sich, dass ich diesen Weg genommen habe. Auch für sie ist es ja ein Novum, neben einem Ex-Talent zu sitzen. Mir gab es zusätzliche Sicherheit, dass ich Nena kannte, ebenso wie Mark Forster. Das war direkt eine Wohlfühlsituation. Ein wenig angespannt ist man aber schon – schließlich habe ich noch nie bei so einem großen, erfolgreichen TV-Format mitgemacht. Vorher war ich zwei Jahre nur auf Tour – daher hab ich mich mit "The Voice" schon aus meiner Komfortzone entfernt.

prisma: Hat Ihnen Mark Forster Tipps gegeben?

Giesinger: Wir haben vor der Show telefoniert, und ich hab' mir natürlich noch mal die Highlights der letzten Jahre reingezogen. Am besten ist es, wenn man sich entspannt und sein Ding macht. Nach einer halben Stunde hatte ich die Kameras dann auch schon fast komplett vergessen.

prisma: Wie lautet Ihr Zwischenfazit nach den ersten Aufzeichnungen? Was konnten Sie mitnehmen?

Giesinger: Nach den ersten Aufzeichnungen kann ich sagen: "The Voice Kids" ist eine der geilsten Erfahrungen, die ich bisher machen durfte. Ich hab in der kurzen Zeit unglaublich viel gelernt und bin wesentlich entspannter im Umgang mit Kameras geworden. Wenn es um Fernsehen ging, war ich früher immer aufgeregt bis zum Gehtnichmehr. Wenn ich wusste, wir haben einen Termin, konnte ich nur drei Stunden schlafen. Zudem bekam ich ein Gefühl für die Talente und dafür, wie die Kids drauf sind. Wie tickt eigentlich die Jugend heute? Ich bin ja nun auch schon fast 30 und hatte in den letzten Jahren auch nicht mehr viel mit richtig jungen Menschen zu tun. Was berührt da heute, auf welche Musik stehen sie, wie gehe ich überhaupt mit so jungen Menschen um? Aber ich hab das Gefühl, das liegt mir. Schon früher habe ich jungen Leuten Gitarrenunterricht gegeben, das fand ich auch schon cool.

prisma: Was mögen Sie bislang an den "The Voice"-Kids?

Giesinger: Ich finde es gut, wenn Kinder so unverfälscht wie möglich sind. Wenn sie niemanden nachsingen wollen. Das habe ich zum Beispiel gemacht damals: Mit 12, 13 wollte ich wie Freddy Mercury klingen – bis ich merkte: Du bist nicht Mercury und hast auch nicht so eine Stimme (lacht). Mich berührt es daher sehr, wenn die Kids in dem Alter heute schon ihre eigene Stimme gefunden haben. Bei mir hat das viel länger gedauert. Das ist echt eine Ansage, mit welchem Selbstbewusstsein manche da auf der Bühne stehen. Die könnten genauso gut bei "The Voice" mitmachen und da ins Finale kommen. Das Gefälle ist gar nicht so groß. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Kinder schon so gut waren, als ich in dem Alter war. Die sind noch mal besser geworden.

prisma: Woran könnte das liegen?

Giesinger: Vielleicht an den YouTube-Tutorials, die man sich reinziehen kann. Oder weil man sich mehr mit Leuten connected und viel im Austausch steht.

prisma: Spielen auch die Eltern eine Rolle? Gibt es da viele, die mit großem Ehrgeiz ihre Kids hinschicken?

Giesinger: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Kids, die aus einem total musikalischen Elternhaus kommen, wo es dazugehört, ein Instrument zu spielen und zu singen. Andere sind so reingeplumpst und können zufällig gut singen. So ist es bei mir auch; ich stamme eher aus einer unmusikalischen Familie. Dann gibt es die Eltern, die total motiviert sind – und auch sehr hinterher. Aber dass ein Kind jetzt keinen Bock drauf hätte, habe ich nie erlebt. Manche Eltern sind supportive, anderen ist das nicht so wichtig.

prisma: Wie war das bei Ihnen, wie ging es mit der Musik los?

Giesinger: Ich hatte Gitarrenunterricht in einer Gruppe. Es gab dann einmal im Jahr ein Konzert, da habe ich zum ersten Mal vor Publikum gespielt. Das fand ich geil, auch wenn ich unfassbar aufgeregt war. Dann hab ich irgendwann die ersten Dudes kennengelernt, die auch Musik machen; und irgendwann sind wir auf Dorffesten oder im Jugendtreff aufgetreten. Und dann wurden wir immer professioneller. Meine ersten Songs, die ich auf MySpace hochgeladen habe, hatten keinen richtigen Text, das war einfach Random-Scheiß in Quatsch-Englisch. Meine Fans haben damals die Fantasietexte mitgesungen. Das bekam dann mehr Tiefe; ich wurde als Solokünstler mehr gebucht. Da zeichnete sich dann ab, dass es für mich keinen anderen Weg als die Musik gibt.

prisma: Nachdem Sie dann "The Voice"-Talent waren, wurde es erst mal ruhig um Sie. Das widerspricht eigentlich der Intention der Show.

Giesinger: Würde man erst mal denken, ja. Aber schaut man sich die Historie der Musikshows an, gab es selten jemanden, der da oben geblieben ist. Das liegt an einem selbst. Wenn du Bock drauf hast, dann musst du den Arsch hochkriegen. Entweder du suchst dir die richtigen Leute, mit denen du Lieder schreiben kannst und die dich managen – oder du wartest auf den Sanktnimmerleinstag. Du brauchst Output. Ich hatte ja selbst immer schon ein paar Songs am Start und fand dann gute Leute. Deshalb ist es schon ganz gut gewesen, dass es länger gedauert hat. Eine gesunde Karriere braucht Zeit. Wenn du 18 bist und von "The Voice" kommst und dann ein Album machen willst – worüber willst du denn darauf singen? Das nimmt dir keiner ab.

prisma: Braucht es Lebenserfahrung, um erfolgreich zu sein?

Giesinger: Ja, die Leute brauchen jemanden, mit dem sie sich identifizieren können. Jemanden, der gescheitert ist, so wie es auch bei mir war. Bei mir gab es ja drei, vier Jahre lang den totalen Durchhänger, nichts ist passiert, alles wurde immer kleiner. Und dann hat sich das plötzlich gedreht, es kamen mehr Leute zu den Konzerten, die Songs liefen im Radio. Dieses Unten-Liegen und Wieder-Aufstehen haben doch alle mitgemacht, die irgendwie am Start sind.

prisma: Würden Sie sagen, dass Ihr Durchbruch auch fünf Jahre nach der Sendung noch mit "The Voice" zusammenhing?

Giesinger: Ich war ja schon ein Jahr nach "The Voice" nicht mehr präsent (lacht). Da gab es die neue Staffel und dann waren neue Leute interessant, so ist es ja. Du musst dich präsent machen, durch die Musik, die du machst. Diesen Drive hatte ich auch ohne "The Voice".

prisma: Gab es denn anfangs Zeiten, in denen Ihnen die Teilnahme eher als Nachteil erschien?

Giesinger: Ich hatte am Anfang schon einen gewissen Stempel. Aufgrund anderer Formate, die vielleicht nicht so freundlich zu ihren Sängern sind, gab es mir gegenüber viele Vorurteile. Da dachte man: Der war Teil einer "Castingshow", der kann doch kein ernst zu nehmender Künstler sein. Daran hatte ich schon ein bisschen zu knabbern.

prisma: Wie sind Sie da wieder rausgekommen?

Giesinger: Ich sagte mir: Leute, das kann doch nicht sein! Ich muss euch jetzt mal alle vom Gegenteil überzeugen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob man bei so einer Show mitgemacht hat. Du musst versuchen, dich als Künstler zu etablieren und ernst genommen zu werden. Egal, wo du herkommst.

prisma: Nachdem Sie in den letzten beiden Jahren einen Riesenaufstieg hingelegt haben, passierte plötzlich das Gegenteil: Sie standen im Mittelpunkt einer von Jan Böhmermann initiierten Debatte über deutsche Popmusik. Knabbert man an so einer deftigen Kritik?

Giesinger: Nö. Das war eigentlich kein großes Ding für mich. Böhmermann behandelt ja die Themen, die relevant sind. Damit geht die größte Viralität einher, weil sich viele Leute drüber aufregen – oder es eben sehr gut finden. Wenn man bekannt ist, polarisiert man auch oft. Für mich war das ein Zeichen dafür, dass ich wirklich oben angekommen bin. Er stellt mich da als die Gallionsfigur des deutschen Pop hin. Es war ja auch echt gut gemacht – vielleicht hier und da nicht hundertprozentig recherchiert.

prisma: Inwiefern?

Giesinger: Wer sich mit mir auseinandersetzt, weiß, dass ich fünf, sechs Jahre gekämpft habe, bis irgendetwas passiert ist. Dass ich die erste Platte mit Hilfe meiner Fans aufgenommen habe. Dass ich alles andere bin als eine Marionette von Plattenfirmen. Die großen Labels kamen erst hinzu, als die Platte schon aufgenommen und fast fertig war. Am Ende würde ich sagen: Es zeigt einem eher, dass man alles richtig gemacht hat. Was ich interessant fand war, wie wenige Leute dass dann noch mal recherchieren. Irgendwer sagt etwas, das wird ernst genommen und löst einen Riesen-Shitstorm aus. Aber kaum jemand setzt sich damit auseinander, was wirklich war.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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