Historienserie

"Oktoberfest 1900": Geschichte voller Intrigen, Blut und Korruption

von Julian Weinberger

Starke Frauenfiguren, ein ambitionierter Bierbrauer aus Franken und eine Münchener Traditionsbrauerei am Scheideweg: Die Eventserie "Oktoberfest 1900" bietet demnächst eine historische Sicht auf das größte Volksfest der Welt.

Hoch konzentriert wartet Martina Gedeck auf ihren Einsatz. In der Hand balanciert sie zwei Tabletts mit Brezen und kaltem Braten. Ihr Haar hat sie streng zurückgebunden und das lange Kleid aus schwerem, schwarzem Stoff wird am Halsende mit einer silbernen Brosche zusammengehalten. Die Schauspielerin steht am Eingang einer Wirtsstube inmitten eines zuvor sorgsam drapierten Wölkchens aus Staub. Dann schreitet sie in ihrer Rolle als Brauereibesitzerin Maria Hoflinger in den Raum, weist einen ihrer Söhne schroff in die Schranken und nimmt gemeinsam mit ihrem Erzfeind Curt Prank (Misel Maticevic) und zwei Krügen Bier an einem der rustikalen Holztische Platz. Lange dauert das Zwiegespräch nicht, wird es doch durch Hoflingers leise, aber bestimmte Stimme abgeschnitten: "Irgendjemand wird sie aufhalten. Wenn nicht die Polizei, dann ich."

Eines wird schon nach wenigen Augenblicken am Filmset von "Oktoberfest 1900" deutlich: Die neue Historieneventserie, die kürzlich in Deutenhausen bei München gedreht wurde, ist keine kunterbunte Schau auf das größte Volksfest der Welt und seine Historie. Stattdessen wartet auf die ARD-Zuschauer eine Geschichte voller Intrigen, Blut und Korruption. Im Zentrum der düsteren Handlung steht der Geschäftsmann Curt Prank, ein Berliner, der sich in Franken niedergelassen hat und das Münchener Oktoberfest revolutionieren will. Sein Plan, ein Riesenzelt mit Platz für 6.000 Menschen, sorgt bei den kleinen Münchener Traditionsbrauereien wie dem "Deibel-Bräu" für Existenzängste. Doch obwohl das Familienunternehmen der Hoflingers am Scheideweg steht, kämpft die Familie um ihren Betrieb und lässt sich von dem skrupellosen Prank nicht einschüchtern.

Wie Regisseur Hannu Salonen betont, erzählt die sechsteilige Serie einen Kampf von "David gegen Goliath": "Im Jahre 1900 hatte München noch 180 Brauereien, zehn Jahre später waren es noch 15. Es war eine dramatische Zeit." Wichtig sei Salonen in der Umsetzung des Projekts vor allem gewesen, die bayerische Tradition spürbar werden zu lassen: "Der Film muss nach etwas schmecken, nach etwas riechen, man muss das Derbe spüren." Doch die Macher um Ideengeber und Produzent Alexis von Wittgenstein und Drehbuchautor Ronny Schalk ("Dark") versprachen mehr als ein Historien- und Familiendrama. Letzterer kündigt beim Termin vor Ort eine Kombination von Elementen des Westerns und des Gangsterdramas an, mit einer Prise schwarzen Humors.

Auch wenn die Serie, die im Laufe des kommenden Jahres im Ersten laufen soll, nur vage an die reale Geschichte des fränkischen Wiesnwirts Georg Lang angelehnt ist – die historische Genauigkeit, die die Serienschöpfer in Aussicht stellen, ist dennoch vielversprechend. "Wir haben alles, was damals politisch oder im Kunstbereich Münchens interessant war oder die Großfamilien, das Magistrat und das liberal-republikanische Dasein anging, recherchiert und daraus unsere Geschichte entwickelt", beschreibt es Drehbuchautor Schalk. Prägnant seien auch die starken Frauenfiguren und das Thema der Jahrhundertwende, das sich einem stetig währenden Konflikt zwischen Tradition und Moderne manifestiere.

Für das Prestigeprojekt haben die Macher einen Cast voller illustrer Namen zusammengetrommelt. Neben Martina Gedeck, die nach eigener Aussage eine "weibliche Hiobsfigur" verkörpert, und Mi?el Mati?evi?, der zuletzt als Bösewicht in "Babylon Berlin" überzeugte, wirken auch Francis Fulton-Smith, Vladimir Burlakov, Markus Krojer, Mercedes Müller und Brigitte Hobmeier mit. Auf die Schauspieler machte vor allen Dingen das aufwendig gestaltete Set in Tschechien Eindruck. Während Gedeck von einem "skurrilen Kabinett der Außergewöhnlichkeiten" schwärmt, beeindruckt ihren Kollegen Klaus Steinbacher die schauspielerische Qualität der Statisten. Und Brigitte Hobmeier, die sich einst als Herzerlverkäuferin auf der Wiesn ihr Studium finanzierte, kommentiert die "bombastischen Kulissen" wie folgt: "Als ich meinen ersten Drehtag auf dem Oktoberfestset in Prag hatte, kam ich dort an und dachte mir: Ich habe es geschafft."

Dass sich mit "Oktoberfest 1900" der Trend zu großen deutschen Historienserien, der bereits mit "Babylon Berlin" und "Das Boot" seinen Anfang genommen hatte, nun auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fortsetzt, begrüßt Drehbuchautor Ronny Schalk ausdrücklich: "Das ist eine Entwicklung, die großen Spaß macht und gerade auch Autoren Selbstbewusstsein gibt." Im Vergleich mit einem Film ermögliche so eine horizontale Serie, "wie ein Romanautor in die Handlung und die Figuren hineinzugehen und multiperspektivisch zu erzählen". Übrigens: Ein anderer, wenn auch profaner, Grund verspricht für die bayerische Serie Erfolg. Die leerstehende Wirtsstube in Deutenhausen wurde auch schon für die Dreharbeiten der Eberhofer-Krimis genutzt. Wenn das mal kein gutes Omen ist.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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