"Der Verurteilte"

"Polizeiruf 110": Zum Jahresabschluss noch ein richtig starker Krimi

von Eric Leimann

Tolles Drehbuch, starke Darsteller: Der neue "Polizeiruf 110" ist der bislang beste aus Magdeburg. Die enorm fiese Geschichte einer verschwundenen jungen Mutter ist wendungsreich, hochspannend und angsteinflößend.

ARD
Polizeiruf 110: Der Verurteilte
Kriminalfilm • 27.12.2020 • 20:15 Uhr

Man kann nicht sagen, dass man in Magdeburg nichts ausprobiert hätte. 13 Fälle löste die irgendwie immer ziemlich genervt wirkende Doreen Brasch (Claudia Michelsen) seit 2013. Sie verschliss dabei zwei Partner (Sylvester Groth und Matthias Matschke), dazu immer wieder neue Drehbuchautoren sowie Regisseure. Selten kamen dabei wirklich herausragende Krimis zustande. Wer deshalb in der an ARD-Krimi-Premieren äußerst vollen Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr auf den 14. Magdeburger "Polizeiruf 110"-Fall verzichten möchte, würde jedoch einen Fehler begehen. Es sei denn, man möchte sich eine weihnachtliche Stimmung erhalten, die man in diesem Schocker aus Sachsen-Anhalt ganz sicher nicht vorfindet.

Zu Beginn lernt man als Zuschauer die beiden offensichtlich alleinerziehenden Mütter Sandra Möller (Hanna Hilsdorf) und Valerie Klein (Amy Benkenstein) kennen. Die beiden jungen Frauen aus einer Geringverdiener-Wohnsiedlung sind beste Freundinnen, ihre Kinder spielen miteinander – man lebt eine fröhliche, kleinbürgerliche Existenz. Krankenpflegerin Valerie hat sich über ein Dating-Portal am Abend mit einem Mann verabredet. Angeblich ein Unternehmensberater auf der Durchreise. Hat Vor- und Nachteile, scherzen Sandra und Valerie. Am Morgen danach wird Sandra vom Weinen des bei ihr abgestellten Babyphones wach. Valeries Tochter ist alleine in der Wohnung, das Bett der Mutter leer. Eine große Suchaktion beginnt. Im Haus einer Patientin, die Valerie wohl spätabends noch aufsuchen wollte, finden sich Spuren der Verschwundenen. Sie führen zum verschrobenen Gärtner Markus Wegner (Sascha Geršak) und seiner Frau Annegret (Laura Tonke).

An diesem "Polizeiruf" sieht man mal wieder, was ein wirklich gutes Drehbuch ausmacht. Die wendungsreiche, extrem fiese Geschichte hat sich Jan Braren ausgedacht, der 2012 für seinen viel gelobten Cyber-Mobbing Film "Homevideo" einen Grimmepreis gewann. Braren sorgte 2017 auch für den vielleicht besten "Tatort"-Fall Charlotte Lindholms (Maria Furtwängler), als er den auf einer wahren Geschichte beruhenden, tragisch endenden Fall eines zu Unrecht des Mordes an seiner Ehefrau verdächtigten Mannes in den Ausnahme-Krimi "Der Fall Holdt" verwandelte. Neben Brarens bärenstarken neuen Plot, über den man vorab besser nicht zuviel wissen sollte, muss jedoch die Besetzung der Episodenhauptrollen mit den Ausnahme-Schauspielern Sascha Geršak und Laura Tonke gesprochen werden.

So unterschiedlich die beiden Mimen mit ihrer Kunst umgehen – Geršak (beeindruckend als Hans-Jürgen Rösner in "Gladbeck") mit großer Physis und Wucht, Tonke ("Hedi Schneider steckt fest") als Meisterin der mikroskopisch kleinen Gesten -, in diesem Film performen sie als "White Trash"-Pärchen so grandios, dass man als Zuschauer mit offenem Mund zurückbleibt.

Dass man "Der Verurteilte" ausgerechnet in der Post-Weihnachtszeit – also der erweiterten "Besinnlichkeitsphase" zwischen den Jahren – platzierte, ist zumindest erstaunlich. Der Ekel-Krimi aus Madgeburg ist nämlich so ziemlich das Gegenteil eines Weihnachtsfilms und vermittelt auch alles andere als eine frohe Botschaft. Doch egal, Qualität ist Qualität. Und wenn klar festgestellt werden kann, dass dieses späte Krimi-Highlight des Jahres 2020 (Regie: Brigitte Maria Bertele, "Tatort: Die Pfalz von oben") auf jeden Fall der beste Michelsen-"Polizeiruf" ist, kann man es auch als Weihnachtsgeschenk der Magdeburger Macher an die Zuschauer und sich selbst betrachten.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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