ZDF-Talkshow

Soziologe bei Markus Lanz: "Das Auto passt nicht mehr in die Zeit"

Wurde die Chance, durch die Corona-Krise vieles neu zu denken, verpasst? Der Soziologe Harald Welzer ließ bei "Markus Lanz" kein gutes Haar am Auto und beklagte die "Fantasielosigkeit" der Ökonomen. 

Deutschland ist bereits seit ewigen Zeiten ein Autofahrerland. Die Automobilindustrie gilt trotz aller Kritik als unverzichtbare Säule der Wirtschaft, selbst in der Corona-Krise – aber wie lange noch? Soziologe Harald Welzer machte bei Moderator "Markus Lanz" am späten Donnerstagabend klar: "Das Auto ist nicht mehr das Ding, mit dem wir durch das 21. Jahrhundert kommen. Es passt nicht in die Zeit."

Der Wissenschaftler beklagte eine Fantasielosigkeit der Ökonomen, die dafür sorge, dass man eine mögliche Chance, welche die Krise mit sich bringen würde, verstreichen lasse. Genauer: Mehr Ökologie zu berücksichtigen.

Dieser Aspekt käme laut Welzer auch im Konjunkturpaket der Bundesregierung zu kurz. "Laienhaft betrachtet leuchtet mir vieles davon ein", räumte er ein, aber der mögliche Wandel sei darin eben nicht sichtbar. "Man möchte gewissermaßen in ein Modell zurückkommen, das ohnehin große Schwächen hat", machte er deutlich, dass er den Ansatz der Bundesregierung schwerlich nachvollziehen kann. "Wir kommen ja mit dem traditionellen Modell der Wachstumsökonomie, des permanenten Konsumierens, den Voraussetzungen unserer Ökonomie nicht durch dieses Jahrhundert", so Welzer. Stattdessen müsse die Wirtschaft in "naturaler Hinsicht" aufgeklärt werden.

Natürlich hakte Markus Lanz direkt nach, wo genau Welzer denn ansetzen würde. "Ich würde eine Krise vielleicht anders nutzen, um grundsätzlich gesellschaftliche und wirtschaftliche Orientierung umzubauen", lautete die Antwort. Dies konkretisierte Welzer dann eben in Bezug auf den Verkehr – weg vom nach seinen Worten "antiquitierten" Auto, hin zum Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Lanz fragt nach: "Autos raus aus der Innenstadt – Feierabend?" – "Das sowieso. Also ich finde die autofreie Stadt ist die Stadt des 21. Jahrhunderts", so der Professor für Sozialpsychologie. Auch Fluggesellschaften müssten umdenken.

Selbstverständlich gab es bei Markus Lanz auch andere Stimmen zur Krise. "Das ist schon der tiefste wirtschaftliche und soziale Einschnitt unserer Generation", unterstrich Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Einzigartigkeit der Situation. Allerdings merkte er an, dass man durch das "Brennglas" Corona-Krise nicht nur alles, was vorher schlecht war, wahrnehme, sondern auch alles gute – beispielsweise einen funktionierenden Sozialstaat.

Dann kam natürlich auch die vermeintliche Gegenseite Welzers zu Wort. In diesem Fall der österreichische Ökonom Gabriel Felbermayr, der anmahnte, Ökonomie wäre auch für das zuständig, was wir Wohlfahrt nennen. Zudem würde sie Spannungen auflösen. Die Kritik Welzers ziele "auf eine Strohpuppe". Zudem merkte er an, dass sich Menschen nicht so schnell ändern würden, auch nicht in der Corona-Krise: "Ab heute heißt es 'Verzicht', und alle applaudieren und finden das großartig. Das halte ich für eine höchst gefährliche Vorstellung", so Felbermayr. Denn wenn es finanziell eng werden würde, würden doch wieder Verteilungskämpfe ausbrechen.

Selbstverständlich war die Wirtschaft und deren möglicher Wandel nur ein Aspekt der Sendung. Jana Pareigis, Journalistin mit afrodeutschen Wurzeln bezog zum Thema Rassismus – speziell in den USA – klar Stellung. "Wir sehen eine Kontinuität in der Dehumanisierung und Kriminalisierung von schwarzen Menschen in den USA", stellt sie klar. Genauso wie Harald Welzer sieht sie Überschneidungen zwischen der "Fridays For Future" und der "Black Lives Matter"-Bewegung. Die Hoffnung liegt auf der jungen Generation. So oder so.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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