ZDF-Talkshow

Streit über Schulschließungen bei Markus Lanz geht in die Verlängerung

Das gab es noch nie: Karl Lauterbach und Serap Güler müssen bei Markus Lanz "nachsitzen". Der Anlass für die erneute Einladung der beiden war ein Satz, der am Ende der letzten Sendung gefallen war, als die Kameras schon aus waren.

Zum ersten Mal, so Moderator Markus Lanz am Dienstagabend im ZDF, habe er zwei Gäste der vorangegangenen Sendung erneut ins Studio gebeten: den SPD-Politiker und Epidemiologen Karl Lauterbach und Serap Güler, CDU-Staatssekretärin für Integration in NRW. Nach Ende der letzten Sendung hatte Güler in die Runde gesagt, Lauterbachs Warnung vor "Schnellschüssen an Schulen" und sein Verweis auf Digitalunterricht sei "unglaublich elitär". Weil die Sendezeit da schon zu Ende war, lud Lanz die beiden nun erneut ein – "weil dieser Satz so viel emotionales Potenzial hat". Das sei eine Premiere für seine Sendung, gab Lanz zu.

Serap Güler nahm die Gelegenheit gern wahr: Sie habe den Vorwurf eingebracht, weil es an ihrem Wohnort Köln-Mülheim besonders viele Familien gebe, die in schwierigen Verhältnissen leben. "Da zu denken, das schaffen wir alles zu Hause mit einem Tablet", sei ein Irrtum. Sie kritisierte Lauterbach dafür, dass er gefordert hatte, dass die Schulen bis Herbst komplett geschlossen bleiben sollen. Lauterbach widersprach vehement und erläuterte, er habe vom "normalen Schulunterricht" gesprochen, mit 30 Kindern im Klassenzimmer, ohne Abstand und Masken.

Der Streit zwischen den beiden nahm aber eine andere Wendung, als Güler ausführte, die Entscheidung, an Grundschulen könne auf Abstandsregeln und Maskenpflicht verzichtet werden, sei keine politische Entscheidung gewesen, sondern basiere auf einem Gutachten wissenschaftlicher Fachgruppen. Schon während ihrer Ausführungen schüttelte der SPD-Politiker vehement den Kopf. Dann platzte es aus Lauterbach heraus, der zunächst dem Vorwurf widersprach, dass er und viele Experten die Problematik zu sehr aus virologischer Sicht betrachteten: "Wir Mediziner und Epidemiologen sind nicht so blöde, dass wir nicht auch an die Kinder denken!" Er kritisierte weiterhin, dass das Gutachten nur eine "wohlmeinende Stellungnahme" vom Verband der Kinderärzte mit einem Krankenhaushygieniker gewesen sei, die von allen Fachleuten kritisiert wurde.

Er sei überrascht, dass die politische Entscheidung in Nordrhein-Westfalen auf diesem Papier basiere: "Dünner kann es doch nicht sein!" Dass man auf der Grundlage einer in der Fachwelt unbedeutenden Stellungnahme hingeht und die Grundschulen für zwei Wochen öffnet, als wäre nichts gewesen, und die Schulministerin damit ein Signal gebe, als ob es im Herbst wieder normal losgehe, empörte ihn. "Als wenn die Bürger so blöd wären, ein solches Signal zu benötigen!"

An diesem Punkt sprang ihm auch der Moderator bei und fragte mehrfach nach, warum kein Virologe beteiligt gewesen sei. Die verbalen Kabbeleien der beiden Politiker fanden erst dann ein Ende, als sich ein weiterer Gast, der Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens, in die Diskussion einschaltete und darauf verwies, dass das ein gutes Beispiel dafür sei, wie Wissenschaft von der Politik missbraucht werde.

"Man sucht sich ein Gutachten und die wissenschaftliche Aussage, die man gerne möchte, um dann die eigene Überzeugung rückversichert der Öffentlichkeit präsentieren zu können." Seine Empfehlung, wie es auch anders ginge, lautete: Politiker sollten "ehrlich dazusagen", dass sie eine steigende Infektionsrate in Kauf nehmen, weil derzeit andere Faktoren stärker ins Gewicht fallen würden, etwa die Familien- und Sozialpolitik. "Aber so ehrlich ist ja keiner!", war sich Steffens sicher.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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