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"Land im Sturm": Historienserie mit Grautönen und einem starken Hauptdarsteller

von Christopher Schmitt

Der Landgutbesitzer João Fernandes steht Mitte der 70er-Jahre vor einem Drahtseilakt. In Portugal bahnt sich die Nelkenrevolution an. João Fernandes versucht den Einfluss des diktatorischen Regimes auf sein Landgut zu begrenzen, ist selbst jedoch ein hartherziger Patriarch.

ARTE
Land im Sturm
Drama • 11.06.2020 • 21:44 Uhr

In Zeiten des politischen Umbruchs gibt es mehr als nur Schwarz und Weiß. Grautöne irgendwo zwischen duckmäuserischem Opportunismus und revolutionärer Fundamentalopposition sind eher Regel denn Ausnahme. Sich selbst treu zu bleiben und gleichzeitig seine Familie und Getreuen zu schützen, das ist der Drahtseilakt, den der hartherzige Landgutbesitzer João Fernandes (Albano Jerónimo) im aufziehenden Sturm der portugiesischen Nelkenrevolution Mitte der 70er-Jahre zu meistern versucht. ARTE zeigt nun die sehenswerte dreiteilige Miniserie "Land im Sturm" als Erstausstrahlung. Für die Fassung als Spielfilm wurde Regisseur Tiago Guedes beim Filmfestival in Venedig für die beste Regie nominiert.

João Fernandes verteidigt sein riesiges Landgut samt zugehörigen Arbeitern vor dem Einfluss des diktatorischen portugiesischen Regimes. In unsicheren politischen Zeiten sorgt er innerhalb seines eigenen Reiches für Stabilität, mit einem autoritären, aber liberalen Führungsstil. Dass ein Arbeiter kommunistischen Ideen nachhängt – in diesen Zeiten brandgefährlich -, ist für ihn kein Problem, solange er gute Arbeit abliefert. Als sich der Konflikt mit dem Regime jedoch zuspitzt, gerät der beinharte Farmer mitsamt seiner unpolitischen Enklave zwischen die Fronten – und sieht sich gezwungen, Zugeständnisse zu machen.

So wenig João für das autoritäre Regime unter Diktator António de Oliveira Salazar inklusive dessen Schergen übrig hat, so sehr regiert der Patriarch mit stahlharter Faust in seiner Familie. Dies bekommen sowohl seine Frau Leonor (Sandra Faleiro), die er mit dem Kindermädchen betrügt, als auch sein kleiner Sohn zu spüren. Das Motiv der Autorität wird also nicht nur im politischen, sondern auch im familiären Kontext behandelt: Machtmissbrauch ist Teil der Gesellschaft und nicht allein ein Symptom politischer Strukturen.

Die Performance von Hauptdarsteller Albano Jerónimo als Autorität in Person ist hierbei absolut bemerkenswert. Jeder Gesichtsausdruck seiner spärlichen Mimik strahlt eine gewisse Härte aus. Jederzeit ist klar, dass man mit diesem Mann nicht scherzt. Ein Lächeln huscht ihm nur über die Lippen, wenn sein kommunistischer Angestellter sagt, dass es bald "keine Chefs mehr gibt, Chef".

Wie der Vater, so der Sohn? Als kleiner Junge zwang ihn sein Vater, seinen erhängten Bruder am Baum zu betrachten. Für seinen eigenen kleinen Sohn zeigt João ebenfalls keinerlei Mitgefühl, in seinen Augen ist er lediglich ein Schwächling. Besonders deutlich wird das, als der Vater dem Kleinen eine Lektion im Reiten erteilt. Er spricht mit seinem Sprössling wie mit einem Erwachsenen, der einfach nicht verstehen will. Im Zweifel wird eben geschrien und gegen wiederkehrendes Fieber hilft möglicherweise ein Bad in Eiswasser. Väterliche Zuneigung oder gar warmherzigen Umgang braucht der Junge nicht zu erwarten.

Im ersten Teil der Mini-Serie nimmt sich die Geschichte viel Zeit und setzt auf eine ruhige Erzählweise, gelungene Dialoge und lange Kameraeinstellungen. Besonders interessant ist der historische Aspekt der Geschichte, der durch die dokumentarischen Ausschnitte unterstrichen wird. Diktator Salazar fabuliert davon "mit Waffen unser Vaterland verteidigen" zu wollen. Was er meint: Die Freiheitsbestrebungen in der damaligen portugiesischen Kolonie Angola niederzuschlagen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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