Abenteuer Bergwelt

"Bergretter"-Star Sebastian Ströbel: "Ich wurde stiller, klarer – und sehr, sehr dankbar"

24.10.2025, 12.44 Uhr
Sebastian Ströbel, bekannt aus "Die Bergretter", schildert im Interview seine Faszination für extreme Erlebnisse und die Balance zwischen Beruf und Familie.

Seit über zehn Jahren kämpft Sebastian Ströbel als Markus Kofler in der beliebten ZDF-Serie "Die Bergretter" (neue Folgen ab Donnerstag, 30. Oktober, 20.15 Uhr) gegen alpine Gefahren und Zeitdruck. Dabei ist er nicht nur Held der Serie, sondern auch ein Mensch, der privat genau weiß, was auf dem Spiel steht. Der Schauspieler und Autor ist Vater von vier Töchtern und sucht trotzdem das Risiko. Nicht aus Leichtsinn, sondern aus Überzeugung: In der Natur sieht Ströbel sowohl die Schönheit als auch die Bedrohung. Was in der mittlerweile 17 Staffeln umfassenden Serie dramatisch inszeniert ist, ist im echten Leben eine Frage der Haltung – gegenüber der Umwelt, gegenüber Angst und gegenüber Verantwortung. Das spielt auch an den Drehorten in der Region Ramsau am Dachstein in der Steiermark, Österreich, eine Rolle. Im Interview spricht der "Unter Frauen"-Darsteller über Grenzerfahrungen, mentale Stärke und warum es gerade heute wichtig ist, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur neu zu denken. Dabei geht es auch um gesellschaftliche Erwartungshaltungen: an Männer, an Väter, an diejenigen, die "funktionieren" sollen – beruflich wie emotional.

prisma: Herr Ströbel, Hand aufs Herz: Sind Sie mutiger, wenn die Kameras laufen, oder wenn Sie alleine draußen in der Natur sind?

Sebastian Ströbel: Ganz klar, wenn die Kameras laufen. Ich bin kein Adrenalin-Junkie, aber durch meinen Beruf, vor allem die Reisen und Drehs für 'Terra X', durfte ich Erfahrungen machen, die mich nachhaltig geprägt haben. In solchen Momenten wachse ich über mich hinaus – auch, weil ich weiß, dass ich in einem geschützten Rahmen unterwegs bin.

prisma: Gab es Momente bei den Dreharbeiten von "Die Bergretter" oder "Terra X", in denen Sie an Ihre körperlichen oder mentalen Grenzen gestoßen sind?

Ströbel: Es gab viele prägende Erlebnisse. Ob ich mich bei den "Bergrettern" in wildes Wasser stürze, an Felswänden sowie am Helikopter mit mehreren hundert Metern unter mir hänge oder in einem Schneeloch auf dem Dachstein übernachte – solche Momente, in denen ich in eine Art Überlebensmodus schalte, fordern mich, aber sie zeigen mir auch, was wirklich zählt. Ganz besonders war es in der Arktis, wo ich plötzlich merkte: Hier bin ich nur ein kleiner Teil von etwas viel Größerem. Da kommt kein Helikopter, wenn dir etwas passiert. Kein Handy, kein Backup – nur ich und die Natur. Und die Angst vor Eisbären ...

prisma: Hört sich so an, als hätte die Angst dominiert ...

Ströbel: Nein, das nicht. Unvergesslich waren vor allem die Begegnungen mit Menschen, die unvergleichlich im Einklang mit der Natur leben – in Grönland mit den Inuit oder in Nordnorwegen mit den Samen. Ihre Art, auf die Welt zu schauen, zeigte mir, wie sehr wir im Alltag oft den Blick verlieren. Da wurde mir bewusst, wie arrogant viele von uns in unserem städtischen, westlichen Wohlstand manchmal sind. In solchen Momenten verschieben sich Werte. Ich wurde stiller, klarer – und sehr, sehr dankbar.

"Ich kenne meine Grenzen und würde sie aus Respekt vor meiner Familie nie überschreiten"

prisma: Dieses Gefühls-Auf-und-Ab begleitet Sie nun bereits seit 2014. Wie bleibt die Rolle des Markus Kofler attraktiv für Sie?

Ströbel: Mich treibt vor allem die Freude an meinem Beruf an – und das Bewusstsein, was für ein Privileg es ist, bei einem Format wie den "Bergrettern" dabei zu sein. Die Schönheit und Gefahr der Berge fordern mich jedes Mal aufs Neue, das kann sich gar nicht totlaufen. Ich liebe meine Rolle und empfinde es als großes Geschenk – auch durch den Austausch mit den Menschen, die das genauso leben und schätzen.

prisma: Sie suchen ja auch immer wieder privat das Abenteuer: Was reizt Sie denn so sehr am Extremen?

Ströbel: Mich reizt am Extremen weniger die Gefahr als vielmehr die Kraft und Energie, die darin liegt. In einer reizüberfluteten Gesellschaft bringt mich die Natur – selbst ein Spaziergang – sofort zurück zum Wesentlichen. Je extremer das Umfeld, desto klarer und einfacher werden die Gedanken. Je höher ich in die Berge aufsteige und je extremer die Wetterbedingungen werden, desto stärker fokussiere ich mich – und finde erstaunlich klare, einfache Lösungen.

prisma: Wenn es mal wirklich brenzlig wird, woran denken Sie?

Ströbel: In Extremsituationen – körperlich wie mental – denke ich natürlich an meine Liebsten. Aber sobald ich draußen in der Natur bin, etwa beim Klettern, funktioniere ich einfach. Es ist intuitiv, fast meditativ. Diese Reduzierung auf das Wesentliche schärft den Überlebensinstinkt – alles, was ablenkt, wird ausgeblendet, weil es mich schwächt und vom Fokus abbringt.

prisma: Und Ihre Liebsten müssen sich einfach darauf verlassen, dass Sie zu jeder Zeit fokussiert genug sind?

Ströbel: Ich kenne meine Grenzen und würde sie aus Respekt vor meiner Familie nie überschreiten. Aber ich habe gelernt, Menschen zu verstehen, die das tun. Ihre Beweggründe – oft egoistisch, aber mit Wirkung auf andere – kann ich nachvollziehen, auch wenn ich diesen Weg nicht gehe. Ich gehe kein unnötiges Risiko ein, aber das Erleben der Natur in ihrer Kraft gibt mir einen Kick und ist gleichzeitig unglaublich bereichernd.

"Gerade mit Kindern weiß ich, wie viel auf dem Spiel steht, und das macht verletzlicher"

prisma: Gab es während der Dreharbeiten einen Moment, in dem Sie gesagt haben: "Lieber Herr Drehbuchautor, nehmen Sie's mir nicht übel, aber an dieser Stelle bin ich definitiv raus"?

Ströbel: Nein, bis jetzt noch nicht. Bis jetzt nehme ich alles mit und habe richtig Bock drauf. Ich muss eher gebremst werden – aus rechtlichen oder sicherheitstechnischen Gründen, etwa beim Hubschrauberflug mit den Richtlinien des ÖAMTC. Ich nutze die Freiheiten und gehe bis an die Grenzen, aber alles darüber hinaus überlasse ich gerne anderen.

prisma: Schließlich sind Sie nicht nur Schauspieler und Extremsportler, sondern auch Vater von vier Töchtern. Inwiefern hat sich Ihre Risikobereitschaft im Laufe der Jahre verändert?

Ströbel: Meine Risikobereitschaft an sich ist nicht größer geworden – aber die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Da bin ich durch meine Rolle und durch meine Kinder persönlich gewachsen. Ich habe gelernt, Haltung zu zeigen, auch wenn es Gegenwind gibt – für meine Kinder ist es das allemal wert.

prisma: Sollte eine Ihrer Töchter in Ihre abenteuerlustigen Fußstapfen treten wollen, was würden Sie davon halten?

Ströbel: Ich würde das unterstützen. Als Vater mache ich mir natürlich immer Sorgen – egal ob die Reise nur nach Italien geht oder extremer ist. Wichtig ist, den Kindern Werte mitzugeben, Gefahren einzuschätzen – und dann loszulassen. Ab da bleibt mir nur noch eines: hoffen, zittern und da sein, wenn sie stürzen. Bewahren kann ich sie davor irgendwann nicht mehr.

prisma: Gibt es überhaupt Dinge oder Situationen, die Ihnen wirklich Angst machen?

Ströbel: Angst gehört für mich zum Urinstinkt – nicht als Leitmotiv, sondern als Begleiterin. Ich nehme sie ernst, gehe aber nie über sie hinaus. Gerade mit Kindern weiß ich, wie viel auf dem Spiel steht, und das macht verletzlicher. Die gesellschaftlichen Probleme machen mir Angst, aber ich lasse mich nicht davon leiten. Ich setze auf Ausgleich, Dialog und versuche so, sowohl meine Rolle als auch mein Leben zu gestalten – und mein Buch natürlich.

"Genau das brauchen wir gerade: mehr Verständnis, weniger Angst, mehr Hoffnung"

prisma: Welche Botschaft möchten Sie Ihren Leserinnen und Lesern vermitteln?

Ströbel: Mir geht's ums Menschliche – um das, was im Kleinen wirkt. Die Arktis war für mich ein blinder Fleck. Die meisten denken an Eis und Schnee, aber echtes Wissen fehlt oft. Ich wollte das ändern, mithilfe meines Actionformats, das mir ermöglicht, Geschichten von und für Menschen zu erzählen. Wenn Menschen mein Buch lesen oder den "Terra X"-Film sehen, sollen sie das Gefühl haben, die Arktis erlebt und etwas dazugelernt zu haben. Denn je mehr wir kennenlernen – ob Menschen, Orte oder Zusammenhänge -, desto mehr verlieren wir die Angst davor. Wenn ich es schaffe, dass Menschen ihr Augenmerk auf diese Region richten, kann das viel bewegen. Es geht um ein Gesamtbild: Wissenschaft, Geschichte, Kultur, Ökologie – all das gehört zusammen. Ich erzähle, was ich erlebt habe, ohne Vorgaben zu machen. Denn wer etwas wirklich kennt, entwickelt automatisch mehr Verständnis – und damit auch Verantwortung.

prisma: Richten Sie also den moralischen Zeigefinger auf die Ellbogengesellschaft, die ihre Umwelt vernachlässigt?

Ströbel: Es geht mir nicht um einen moralischen Zeigefinger in Sachen Umweltschutz oder Klimawandel, sondern darum, durch Bilder und Geschichten aus der Arktis ein echtes Gefühl für die Menschen, ihre Kultur und ihre Sorgen zu vermitteln. Wenn man das einmal gesehen oder gelesen hat, bleibt etwas hängen – beim nächsten Artikel oder der nächsten Doku erinnert man sich: "Ah, das habe ich schon mal gehört." So entsteht Wissen, das hilft, Zusammenhänge besser zu verstehen – und vor allem, Ängste abzubauen. Genau das brauchen wir gerade: mehr Verständnis, weniger Angst, mehr Hoffnung, dass wir in unserer Umwelt gemeinsam etwas verändern können.

prisma: Also eine Art Leitfaden?

Ströbel: Ja, der Auslöser war meine Reise in die Arktis. Ich hatte schon bei dem Buch "Die Bergretter" mit meiner Ghostwriterin Kathrin Thoma erlebt, wie schön es ist, Unterhaltung mit Hintergrundwissen zu verbinden – wie man über Serienfiguren ein Gefühl für die Berge vermitteln kann. Als dann diese Arktis-Reise kam, dachte ich: Das darf nicht einfach liegen bleiben. Ich führte also Tagebuch und wollte den Menschen ermöglichen, durch meine Worte mitzuerleben, was ich dort erfahren habe. Bei der Vorbereitung merkte ich: Es gibt viele wissenschaftliche Werke zur Arktis, aber kaum etwas, das einen umfassenden, persönlichen Zugang ermöglicht. Das wollte ich versuchen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit dem Wunsch, einen blinden Fleck sichtbar zu machen.

"Wichtig ist, sich selbst auszutesten und Grenzen zu erfahren"

prisma: Wenn Ihre Fans Sie so erleben – sportlich, risikofreudig, voller Energie – fragen sich viele: Wo holen Sie sich Ruhe und Erholung im Alltag?

Ströbel: Wenn ich nicht bei meiner Familie bin, tanke ich Kraft durch Sport, Lesen oder Sprachen lernen – ich brauche immer etwas Input. Ich kann zwar auch mal abschalten, verbinde das aber gerne mit etwas Sinnvollem. Das beruhigt mich, aber letztlich ist die Familie meine wichtigste Kraftquelle. Sie steht an erster Stelle, dann kommt lange nichts. Deshalb fahre ich jedes Wochenende nach Hause, egal wie anstrengend es ist. Wenn das mal nicht klappt, merke ich sofort, wie mir die Energie fehlt.

prisma: Und Ihre Töchter und Ihre Frau stehen vollends hinter Ihrem umtriebigen Ich?

Ströbel: Das ist natürlich über die Jahre gewachsen. Es gab auch Zeiten, in denen es nicht gut lief. Umso dankbarer bin ich heute für das, was ich erleben darf. Meine Familie unterstützt mich dabei total, freut sich und steht hinter mir. Wenn sie sagen würden, es geht nicht, würde ich es auch nicht machen. Es ist ein Geben und Nehmen, und ich versuche, trotz allem immer nah dran zu bleiben – dank unserer Smartphones klappt das auch gut. Der Austausch mit meinen Töchtern und meiner Frau ist mir total wichtig. Sie sind und bleiben meine Nummer Eins.

prisma: Was würden Sie Ihrem 20-jährigen Ich für einen Tipp geben, wenn Sie könnten?

Ströbel: Ich würde meinem jüngeren Ich keine konkreten Ratschläge geben. In dem Emotionschaos höre ich sowieso nicht drauf (schmunzelt). Wichtig ist, sich selbst auszutesten und Grenzen zu erfahren. Was ich heute sagen würde, sind eher bekannte Glaubenssätze wie: Schau hinter die Schlagzeilen, behandle andere so, wie du behandelt werden möchtest, liebe dein Leben und geh mit offenen Augen und Ohren durch die Welt.

prisma: Gibt es ein Abenteuer, das Sie unbedingt noch erleben möchten?

Ströbel: Ja, mit meiner Familie alt werden.

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Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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