Heino Ferch als Psychiater

"Spuren des Bösen – Sehnsucht": 30 Prozent Krimi, 70 Prozent Charakterstudie

von Kai-Oliver Derks

Als Psychiater Brook wandelt Heino Ferch im achten Teil der Reihe auf den Spuren von James Stewart in "Fenster zum Hof". Die neue Folge ist ein düsteres Kammerspiel.

ZDF
Spuren des Bösen – Sehnsucht
Kriminalfilm • 02.09.2019 • 20:15 Uhr

Mit losen Reihen, wie "Spuren des Bösen" eine ist, tut sich der Zuschauer manchmal schwer. Nicht selten schließen sie zumindest in Nebensträngen der Handlung inhaltlich aneinander an. Um also zu verstehen, was hier geschieht, bedarf es eines glänzenden Erinnerungsvermögens. Über eineinhalb Jahre liegt die Ausstrahlung des siebten Films der großartigen Krimireihe mit Heino Ferch als Psychiater und Verhörspezialist der Wiener Polizei zurück. Nun also Film acht: "Spuren des Bösen" (2018) ist er überschrieben. Eine Mini-Rückblende soll zu Beginn den Einstieg erleichtern.

Was man eigentlich nur wissen muss: Brock wurde bei seinem letzten Einsatz, bei dem es um einen Korruptionsskandal bei der Polizei ging, angeschossen. Seitdem sitzt er im Rollstuhl, wenngleich: Ein bisschen, zwei Meter weit, kann er schon gehen. Die Physiotherapie läuft, doch viel wichtiger, so scheint es, ist die Psychotherapie. Brocks Tochter Petra (Sabrina Reiter) jedenfalls macht sich Sorgen und engagiert daher die Psychiaterin Brigitte Klein (Katrin Bauerfeind), die sich um Brock kümmern soll. Denn der sitzt nur da, raucht Illegales, trinkt Starkes, lässt die Körperpflege ruhen und schaut einfach mit dem Fernglas aus dem Fenster. Ein bisschen so wie vor über 60 Jahren James Stewart in Hitchcocks "Fenster zum Hof". Und tatsächlich wird Brock, wie "Jeff" Jefferies damals auch, Zeuge eines Mordes. Wahrscheinlich ...

Es sind viele Fenster dort gegenüber, in die Brock Tag für Tag starrt. Ein Haus, so zeigt sich, mit vielen einsamen Leuten. Hinter einem indes sieht er eine junge Frau, die sich rührend um ein Baby kümmert. Eines Tages jedoch gerät sie vor ihrer Haustür in einen handfesten Streit mit einem Mann. Am Abend taucht der wieder auf, verschafft sich gewaltsamen Zugang zu der Wohnung und auch wenn Brock es nicht genau erkennen kann: Ganz offensichtlich kommt es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden, an deren Ende der Mann die Frau tötet.

Brock hat jegliches Vertrauen zur Polizei verloren und ruft erst einmal seinen alten Stammwirt und jetzigen Taxifahrer Klaus Tauber (Gerhard Liebmann) zur Hilfe. Der schaut vor Ort zögerlich nach und entschließt sich dann doch, die Polizei zu rufen. Als sie eintrifft, finden die Beamten die Wohnung leer vor. Nur das Baby liegt in seiner Wiege. Aber: Kurze Zeit später taucht die junge Frau wieder auf – unversehrt. Brock jedoch bleibt bei seiner Darstellung. Er glaubt, dass die eigentliche Mutter tot ist. Und die neue Frau ihr nur unglaublich ähnlich sieht. Eine Vermutung, bei der ihm, dem offensichtlich unter Drogen und Alkohol stehenden Einzelgänger, niemand folgt. Nur bei seiner neuen Psychiaterin Brigitte stößt er auf offene Ohren.

Wie zu allen Brock-Fällen schrieb auch diesmal der österreichische Drehbuchautor Martin Ambrosch die Vorlage. Nach dem actionreichen letzten Film ist jetzt eine Art düsteres Kammerspiel entstanden. Bis zum Schluss verlässt die Hauptfigur Brock nicht ein einziges Mal das Haus. So gut wie nichts in diesem Film findet im Freien statt. Erzählt wird langsam, fast schon behäbig. Und doch ist es nicht nur das Rätsel um die Identität der Nachbarin, das den Zuschauer bei der Stange hält.

Denn: Man will schon wissen, wie dieser desillusionierte, frustrierte, schweigsame Brock mit der ungemein offenen und humorvollen Art seiner neuen Betreuerin umgeht. Psychiater vs Psychiaterin – permanente Rollenwechsel inklusive. Zwei Verlassene, vom Leben Gezeichnete, die konträre Wege gingen, mit ihrem Leid umzugehen.

"Spuren des Bösen"-Stammregisseur Andreas Prochaska, der zuletzt unter anderem auch die komplette erste Staffel der Sky-Serie "Das Boot" in Szene setzte, gibt seinen Figuren den Raum, den sie brauchen. Er führte Regie ohne inszenatorische Kartenspielertricks, sondern mit ruhiger Hand und viel Vertrauen in die Fähigkeiten von Heino Ferch und Katrin Bauerfeind. Und sie nutzten ihren Raum. Ein sehenswerter Film also, der zu 30 Prozent Krimi, aber zu 70 Prozent spannende Charakterstudie ist.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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