Mit Hugh Laurie in der Hauptrolle

"Chance": Warum sich diese Serie lohnt

von Eric Leimann

Auch der Ruhm des Hugh Laurie ("Dr. House") konnte "Chance" nicht retten. Nach zwei Staffeln wird die Serie des US-Streaminganbieters Hulu eingestellt. Irgendwie konnte sie im mittlerweile enorm unübersichtlichen Serienmarkt nicht genug Aufmerksamkeit erheischen. Zu Unrecht, wie man sagen muss. In Deutschland ist Staffel zwei ab Donnerstag, 1. März, 21.50 Uhr, beim Bezahlsender 13th Street zu sehen. Zahlende Kunden, die den Serieneinstieg verpassten, können Staffel eins jederzeit über Sky Go abrufen. In "Chance" spielt Laurie grandios einen Neuropsychiater. Weil er seinen Patienten, meist Gewaltopfern, mit Worten kaum helfen kann, gerät der frustrierte Therapeut selbst in einen Strudel aus Gewalt und Selbstjustiz.

Wollte man die Serie "Chance" beschreiben will, könnte man es mit einer imaginierten Legenden-Kreuzung probieren. Dann wäre Hugh Lauries Comeback als Arzt eine Mischung aus dem Guter-Mensch-wird-böse-Epos "Breaking Bad" und der leisen, aber feinen Psychotherapie-Serie "In Treatment". Dazu käme eine guter Schuss "Dexter", wo es von 2006 bis 2013 über acht Staffeln auch schon mal um kunstvolle Selbstjustiz eines medizinischen Facharbeiters ging. Vielleicht sind es gerade jene allzu bekannten Referenz-Serien, die "Chance" keine Chance ließen.

Wovon wird erzählt? Nachdem sich Dr. Eldon Chance (Laurie) und Untergrund-Rachengel D. (Ethan Suplee, "My Name Is Earl") in Staffel eins ein tödliches Duell mit dem korrupten Police Officer Blackstone (Paul Adelstein) lieferten, scheint der Arzt aus San Francisco zu Beginn der neuen Folgen wieder in eine zivile Spur gefunden zu haben. Chance arbeitet in einem Zentrum für Gewaltopfer. Er hat eine neue Freundin, auch das Verhältnis zu Teenager-Tochter Nicole (Stefania LaVie Owen) scheint gerade entspannt zu sein. Der Tod seines Widersachers aus Staffel eins könnte die Rückkehr des geschiedenen Mittfünfzigers ins bürgerliche Leben jedoch verhindern. Polizist Hynes (Brian Goodman), der von Chance' dunkler Seite weiß, will den Arzt und seine ungewöhnlichen "Therapiemaßnamen" einsetzen, um den smarten Computermogul Ryan Winter (Paul Schneider) als Serienkiller zu überführen.

Reden ist Silber, Gewalt gegen Bösewichte Gold

Wie bei den Folgen eins bis zehn schrieben auch diesmal Kem Nunn ("Deadwood", "Sons of Anarchy") und Alexandra Cunningham ("Bates Motel") die Bücher. Nunn verarbeitete dabei einen eigenen Roman. Wem bei Selbstjustiz-Stoffen der Hut hochgeht, wird sich mit "Chance" nur schwer anfreunden können. Die dunkle Seite des Idealisten und Menschenfreundes Chance, früher verkörpert durch seinen Nietzsche zitierenden Fight-Club-Kumpel D., nimmt in Staffel zwei immer deutlicher Besitz von Chance. Reden ist Silber, Gewalt gegen Bösewichte Gold – so lautet die zweifelhafte Botschaft der zehn neuen Episoden, die 13th Street an fünf Donnerstagen in Doppelfolgen ausstrahlt.

Dass "Chance" trotzdem keine Dumpfbackenserie ist, liegt an immer wieder fein geschliffenen Dialogen, düsterfeinem Humor und exzellenten Darstellern. Hugh Laurie, 58, mittlerweile auch als Romanautor und Jazzmusiker aktiv, ist in seiner zutiefst ambivalenten Rolle keinen Deut schlechter als seinerzeit Bryan Cranston als Walter "Breaking Bad" White. Vielleicht hätte sich "Chance" noch stärker auf jene leisen Momente und die philosophisch klugen Dialoge verlassen sollen, die in jeder Folge für ein paar Highlights sorgen. Die Krimi- und Rachehandlung selbst scheint dagegen hin und wieder – im Sinne größerer Erzählbögen – etwas kurzatmig.

Dennoch ist "Chance" meist originell, spannend und absolut sehenswert. Eigentlich sollte ein Therapeut gesunden Abstand zum Leben seiner Patienten pflegen, um den objektiven Blick zu wahren. Dass sich Dr. Chance stattdessen wie ein Berserker in das Leben seiner Schutzbefohlenen einmischt, hat bei aller Gewalt auch etwas lustvoll Tragikomisches. Hugh Laurie versteht es wie kein Zweiter, derlei Gemütsfarben zu spielen. Spätestens seit Dr. House dürfte das bekannt sein. Nun muss der charismatische Brite eine neue Paradereolle finden. Die Chancen stehen gut, dass es ihm gelingt – sofern er das überhaupt vorhat.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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