Moderatorin im Interview

Birgit Schrowange: "So etwas wollte ich schon immer machen"

23.05.2022, 07.18 Uhr
von Felix Förster

Birgit Schrowange feiert nach drei Jahren TV-Abstinenz ihr Comeback: Ab dem 30. Mai zeigt SAT.1 an fünf Montagen ihre neue Sendung "Birgits starke Frauen". prisma hat mit ihr über neue Formate, ihre lange Karriere und ihren Look gesprochen.

Eigentlich hatten Sie ja 2019 Ihren Abschied vom TV verkündet, nachdem Sie 25 Jahre "Extra" auf RTL moderiert hatten. Was hat Sie umgestimmt?

Birgit Schrowange: Ich habe meinen Abschied nicht vom Fernsehen verkündet, sondern von "Extra". Es ist lustig, dass das häufig verwechselt wird (lacht). Es war einfach an der Zeit, nach 25 Jahren dem Format den Rücken zu kehren. Es hat mich einfach nicht mehr erfüllt, und ab einem bestimmten Alter sollte man nur noch die Dinge tun, die einem Spaß machen. Dass ich nun zum Fernsehen zurückgekommen bin, liegt daran, dass mir Formate angeboten wurden, die mich sehr interessieren, die ich spannend finde und die mir einfach Spaß machen.

Ihr Wechsel zu SAT1 macht hellhörig, nachdem Sie viele Jahre RTL treu waren. Wie kam es zu diesem Schritt?

Birgit Schrowange: Ich hatte mehrere Angebote und habe mich dann für SAT.1 entschieden, weil die Kollegen sich sehr mit meiner Person beschäftigt haben. Mit dem neuen Format "Birgits starke Frauen" ist für mich zudem ein Wunsch in Erfüllung gegangen, da ich so etwas immer schon einmal machen wollte: Starke Frauen porträtieren und ins Fernsehen bringen. Wie sind diese Frauen so weit gekommen, was treibt sie an? Es macht mir einen Riesenspaß, diese unterschiedlichen Frauen zu besuchen und mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Frauen, die inspirierend und ein Vorbild sind.

Wie ist "Birgits starke Frauen" konzipiert, was erwartet die Zuschauer?

Birgit Schrowange: Zunächst sind fünf Folgen geplant. Wir stellen sehr unterschiedliche Frauen vor, von 20 bis über 80, die in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig sind. Ich habe mit spannenden Frauen gedreht: Da ist zum Beispiel die älteste Pilotin Deutschlands, die ich getroffen habe und von der ich absolut fasziniert bin. Sie ist 82 und fliegt immer noch. Diese Frau verkörpert trotz ihres Alters ein Gefühl der Jugend, sie hat ein unglaubliches Funkeln und Leuchten in den Augen und einen Esprit, Wahnsinn! Vergangene Woche habe ich dann mit einer 27 Jahre alten Frau gedreht, die mit einem Dusch-Mobil durch Berlin fährt und sich um Obdachlose kümmert. Davor kann man nur den Hut ziehen. Sie gibt den obdachlosen Frauen nicht nur die Möglichkeit, sich zu waschen, sie berät sie auch, gibt psychologische Hilfe und hat einigen schon zurück in ein normales Leben geholfen. Sie gibt den Frauen die Würde wieder. Ich habe hautnah mitbekommen, wie sie mit den Menschen spricht und mit ihnen umgeht, diese junge Frau ist beeindruckend. Von diesem Dreh habe ich auch für mich einiges mitgenommen, denn man geht ja manchmal achtlos an den obdachlosen Menschen vorbei, hat Vorurteile und Klischees im Kopf. Sie hat mir da Geschichten erzählt, da wurde es mir ganz anders. Dass es wirklich auch jedem passieren kann, obdachlos zu werden.

Das heißt, Sie sind in der Sendung selbst unterwegs und besuchen die Frauen?

Birgit Schrowange: Ich bin unterwegs, mache den Alltag dieser Frauen mit und blicke hinter die Kulissen. So habe ich eine Frau aus Syrien besucht, die als Flüchtling nach Deutschland kam, die Sprache gelernt, ein Catering-Unternehmen aufgebaut hat, und jetzt für große Firmen kocht, unter anderem auch für das Bundeskanzleramt, auch schon für Angela Merkel (lacht). Außerdem war ich bei einer 70-Jährigen, die sich ihren Traum erfüllt hat zu singen, und ihren eigenen Chor gegründet hat. Das sind ganz unterschiedliche Personen, aber alle sind inspirierend für andere Frauen. Sie zeigen, dass man immer etwas verändern kann in seinem Leben und nur etwas Mut braucht, um die Dinge zu verwirklichen, die man immer schon im Kopf hatte.

Der Begriff „stark“ ist also ganz offen für Interpretationen, Sie zeigen unterschiedliche Ansätze, wie sich diese Stärke äußert?

Birgit Schrowange: Absolut, was unterscheidet sie von anderen Frauen? Was macht sie so stark? Gerade auch bei den Frauen, die in einer Zeit aufgewachsen sind, in der Gleichberechtigung nicht so groß geschrieben wurde. Das bin ich ja auch noch. 1978 musste man ja noch seinen Ehepartner fragen, ob man arbeiten darf. Das Vermögen der Frau ging automatisch auf das Konto des Mannes. Meine Mutter musste meinen Vater auch noch um seine Unterschrift bitten, als sie gearbeitet hat (lacht). Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Ich war immerhin schon 20 als das abgeschafft wurde.

Biografisch wird es nach der ersten Folge von "Birgits starke Frauen", wenn SAT1 die Dokumentation "Ich – Birgit Schrowange" zeigt. Sie sind nun fast genau 40 Jahre vor der Kamera, 1982 gaben Sie da Ihr Debüt im ZDF als Ansagerin...

Birgit Schrowange: Ich habe eigentlich Rechtsanwalts- und Notargehilfin gelernt, wollte aber immer vor die Kamera und habe dann als Sekretärin beim WDR angefangen, um einen Fuß in der Tür zu haben. Das hat ja dann auch geklappt, auch durch meine Penetranz. Das ist meine Stärke, dass ich nicht so leicht aufgebe (lacht).

Damals gab es die klassischen Ansagerinnen noch und Sie waren als das "schönste Lächeln" im deutschen Fernsehen bekannt. Wie bewerten Sie diese Zeit im Nachhinein? War das ein Anachronismus? Eine tolle Zeit?

Birgit Schrowange: Ganz ehrlich, das war schon eine tolle Zeit, auch einen Umbruch mitzuerleben, obwohl es mir in dem Moment gar nicht so bewusst war. Ich bin ja in einer Zeit groß geworden, das war eine reine Männergesellschaft, auch beim Fernsehen. Es gab nur Chefs, es gab ja keine Journalistinnen, keine Chefinnen, die Frauen im Fernsehen waren Ansagerin oder Assistentin. Sigi Harreis bei den Montagsmalern war eine Seltenheit oder Wibke Bruhns bei "heute". Als Barbara Dickmann dann das erste Mal die "Tagesthemen" moderiert hat, ging ein Aufschrei durch die Reihen, das war doch den Männern vorbehalten. Frauen hatten einfach nur schön zu sein und die Klappe zu halten. Ich war dann eben Fernseh-Ansagerin, aber das hat mir sehr viel Spaß gemacht beim ZDF. Wir hatten da die Reihe "ZDF – Ihr Programm" und wir konnten die Sendung mit Interviews selbst gestalten. Die Texte habe ich selbst geschrieben, von daher war das trotzdem für mich eine schöne Zeit.

Sie wirkten damals sehr locker und sympathisch, haben aber gesagt, dass Sie sich damals hinter der Kamera gegen Widerstände und Widersacher durchsetzen mussten. Was kann man sich darunter vorstellen?

Birgit Schrowange: Ich wurde auch gemobbt und mir wurde teilweise das Leben schon schwer gemacht. Das war nicht immer so einfach, wie es dann vor der Kamera wirkte.

In einem Interview haben Sie einmal aufgezählt, was Sie in Ihrer langen Karriere schon alles gemacht haben. Da fällt auf, dass Sie wenige Berührungsängste hatten, weder vor Boulevardeskem, noch vor richtig investigativem Journalismus. Gerade letzteres scheint momentan irgendwie zu fehlen, irgendwie berichten viele Medien sehr häufig im selben Tenor. Braucht es ein neues "Extra" oder ähnliches?

Birgit Schrowange: Ich finde das schade, dass das fehlt. "Extra" war in den Anfangszeiten wirklich ein ganz tolles Magazin, bei dem großartige Journalisten gearbeitet haben. So richtige Haudegen, die tolle Geschichten gemacht haben. Ich war dann auch unterwegs. Ich kann mich erinnern: Wir haben damals bei RTL eine Meldung in der Zeitung über einen verurteilten Serienkiller in Amerika gelesen. Da bin ich mit meinem damaligen Chef Frank Hoffmann einfach nach Florida geflogen, und wir haben ihn dann im Gefängnis von Pensacola interviewt. Ich kam mir vor wie im Film "Das Schweigen der Lämmer". Das ging damals einfach, wir konnten das machen. Wir waren dann eine Woche da und kamen mit einem monothematischen Film wieder. Das waren schon tolle Zeiten, die ich da erleben durfte. Ich habe das erste Interview in Deutschland mit Natascha Kampusch führen dürfen, ich habe mit Monica Lewinsky gesprochen. Die Zeiten waren einfach ganz anders, eine Art Aufbruchstimmung.

Aus Ihren Formaten bei RTL haben sich eigene TV-Karrieren entwickelt, als Beispiele seien nur Konny Reimann oder Jenke von Wilmsdorf zu nennen. Sind Sie stolz darauf, wenn Sie sehen, dass Ihre Sendungen prägend für das deutsche TV waren?

Birgit Schrowange: Absolut, beide sind ja inzwischen auch in unserer Sendergruppe. Vielleicht begegne ich ihnen ja mal bei Drehs.

Sie waren da schon eine Vorreiterin, doch irgendwie ist es doch auch wieder typisch, dass das nicht so gewürdigt wird wie bei anderen. Fehlt Ihnen das oder sagen Sie sich, ich weiß, was ich für gute Arbeit geleistet habe und die Zuschauer wissen es auch?

Birgit Schrowange: Das sehe ich nicht so, man hat mir bei RTL auch einen ganz tollen Abschied bereitet. Ich fühle mich nicht benachteiligt, ganz ehrlich.

Sie selbst haben sich vor einigen Jahren dazu entschieden, Ihre Haare nicht mehr zu färben, sondern mit grauen Haaren aufzutreten. Wie kam es damals zu dem Schritt und was sagt es aus, dass solch eine vermeintlich normale Aktion solche Aufmerksamkeit erhielt?

Birgit Schrowange: Es ist doch egal, ob jemand mit grauen Haaren oder mit gefärbten Haaren auftritt. Auf mich kam man dann mit den Worten "Oh Gott, sind Sie mutig" zu. Was ist denn bitte schön daran mutig, wenn man seine Haare nicht mehr färbt? Peter Klöppel wird nie angesprochen "Och Herr Klöppel, Sie mit Ihren grauen Haaren. Mein Gott, sind Sie mutig!" Ich finde das total bescheuert, ich hätte das auch damals nie so erwartet.

Dieser Schritt wurde auch als Zeichen gegen den "Jugendwahn" gesehen. Hat sich in Ihren Augen etwas verändert durch die Aktion?

Birgit Schrowange: Ja logisch, die ganzen Hollywoodstars machen es mir nach (lacht). Die haben wahrscheinlich gesagt, was die Biggi da kann, das können wir auch. Die lassen doch alle jetzt ihre grauen Haare raus wachsen, ich war die Vorreiterin. Nein, Spaß beiseite, ich wollte immer schon meine Haare raus wachsen lassen, weil ich graue Haare schön finde. Ich mag mich mit grauen Haaren, es steht mir auch gut. Ich hatte ja schon früh graue Strähnen und als ich bei RTL anfing, da hatte ich lange dunkle Haare mit grauen Strähnen. Dann bekam ich die Sendung "Life! Die Lust zu leben" und mein damaliger Chefredakteur Hans Mahr meinte (imitiert einen österreichischen Akzent): "Na servus, da musst' du dir aber die Hoar färben, des sind junge Zuschauer und des geht sich nicht net aus." Und da hab ich gedacht, na gut, er verlangt ja nicht von mir, dass ich mir die Lippen aufspritzen lasse, dann färb' ich mir eben die Haare und lass es irgendwann wieder raus wachsen. Dann durfte ich es aber nicht mehr raus wachsen lassen, weil meine Chefs einfach Angst hatten, dass die Zuschauer mich so nicht annehmen. Ich war dann aber penetrant, und dann kam diese Sendung "This Time Next Year – Heute in einem Jahr", da ging das dann innerhalb dieser Sendung und da hat man ja wirklich ein Event aus meinen Haaren gemacht. Aber damals war ich sehr froh und ich bin immer noch glücklich, denn es hat meine Lebensqualität sehr erhöht. Ich finde graue Haare toll, egal, ob bei Männern oder Frauen.

Es war damals schon ein Coup, mit dem vielen Leuten auch ein Spiegel vorgehalten wurde, diese profane Geschichte zu so einer Sensation zu machen.

Birgit Schrowange: Es ist alles immer so ein bisschen übertrieben. Ich hätte nicht gedacht, dass das solche Reaktionen hervorruft. Ich habe mich dann aber gefreut, dass es so gut angenommen wurde. Ich bin ja auf der Straße angesprochen worden, im Auto an der Ampel, Fenster runter, Daumen hoch! Es gab sehr positives Feedback, aber auch negatives in den Sozialen Medien. Aber ganz wenig. Da haben auch einige geschrieben, ich sähe jetzt aus wie eine alte Oma. Aber damit kann ich leben (lacht).

Neben "Birgits starken Frauen" werden bei SAT1 noch zwei weitere Formate mit Ihnen angekündigt. "Wir werden mehr" und eine Überraschung im Sommer. Können Sie unseren Lesern etwas mehr verraten?

Birgit Schrowange: Bei "Wir werden mehr" berichten wir über Familienkonstellationen, die immer mehr werden. So besuche ich eine "Regenbogen-Familie", zwei homosexuelle Männer, die zwei Kinder haben, was ich großartig finde. Wir besuchen auch Großfamilien mit vielen Kindern. Da beginnen wir jetzt mit den Dreharbeiten. Im Sommer kommt dann das andere Format, das mir auch sehr am Herzen liegt. Aber da darf ich noch nichts verraten.

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