Fußball-Expertin

UEFA Frauen-EM 2025: Almuth Schult im Gespräch

29.06.2025, 14.06 Uhr
Die ehemalige Weltklasse-Torhüterin Almuth Schult begleitet die UEFA Frauen-EM 2025 in der Schweiz als Expertin für die ARD. Im Interview spricht sie über ihre Karriere, die Chancen des deutschen Teams und die Entwicklung des Frauenfußballs.

Von 2. bis 27. Juli findet in der Schweiz die UEFA Frauen-Europameisterschaft statt. Die ehemalige deutsche Weltklasse-Torhüterin Almuth Schult begleitet das Turnier als Expertin für die ARD. Im Interview spricht sie unter anderem über Kinder, Karriereende und die Chancen des deutschen Teams auf den Titel.

Als ebenso scharfsinnige wie eloquente Fußball-Expertin hat sich die Ex-Nationaltorhüterin Almuth Schult auch beim Männerfußball längst einen Namen gemacht. Nun steht für die 34-Jährige, die ihre Karriere vor wenigen Monaten beendete, die Frauen-EM auf dem Programm. Von 2. bis 27. Juli findet das Turnier in der Schweiz statt. ARD und ZDF übertragen im Wechsel. Das deutsche Team greift am dritten Turniertag mit dem ersten Gruppenspiel gegen Polen (Freitag, 4. Juli, 21:00 Uhr, Das Erste) ins Geschehen ein. Almuth Schult ist über das gesamte Turnier als ARD-Expertin im Studio dabei. Im Interview spricht sie über ein nicht ganz freiwilliges Karriereende, ihre Schwangerschaft und die Art und Weise, wie das deutsche Team bei einem großen Turnier endlich wieder etwas "reißen" könnte.

prisma: Sie haben Ende März Ihre Karriere als Spielerin offiziell beendet. Wie fühlt sich das an?

Almuth Schult: Ja, wie fühlt sich das an? Ich würde sagen: Es ist von der Tagesform abhängig. Manchmal kann ich es selbst noch nicht so recht glauben, wenn ich mit ehemaligen Mitspielerinnen spreche. Andererseits kenne ich es in gewisser Weise, weil ich schon zwei Schwangerschaften hinter mir habe. Das waren ebenfalls längere Pausen. In der zweiten Schwangerschaft habe ich auch keinem Team angehört. Es kribbelt schon immer noch bei mir, wenn ich an Trainingsplätze und in die Stadien gehe. Auf der anderen Seite ist es normal, dass Leistungssport irgendwann endet. Erst recht, wenn man darüber nachdenkt, wie lange man schon dabei war. Eine wahnsinnig lange Zeit seines Lebens.

prisma: Sie haben in den letzten Jahren öfter den Verein gewechselt und Kinder bekommen. Fühlt es sich deshalb wie ein Austrudeln an? Oder doch wie ein Bruch im Leben?

Almuth Schult: Es ist schon ein Cut, weil ich noch bis November 2024 in den USA auf höchstem Niveau gespielt habe. Ich hätte dort auch weitergespielt, aber die USA ist einfach zu weit entfernt. Dazu hatte ich in Europa das Gefühl, dass meine Leistung nicht mehr so geschätzt wird. So hatte ich ein paar Wochen Zeit, um mir Gedanken zu machen. Dann bin ich sehr überlegt mit der Pressemitteilung rausgegangen. Jetzt freue ich mich auf etwas anderes, denn im Oktober erwarten wir unser viertes Kind. Es wäre momentan gar nicht möglich, zu trainieren und den Sport weiter auszuüben.

"Es gab nach Olympia einen personellen Umbruch"

prisma: Neben der Familie, was ist Ihr beruflicher Fokus in den nächsten Jahren?

Almuth Schult (lacht): Ach, das weiß ich selbst nicht so genau. Es macht aber auch nichts. Vor fünf Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mal als Expertin vor großem Fernsehpublikum über Fußball spreche. Das macht mir viel Spaß. Ich habe aber auch gelernt, dass man vieles im Leben nicht planen kann. Ich besitze einen Trainerschein und will ihn dieses Jahr noch erweitern. Meine Idee ist es, mich erst mal breit aufzustellen und Dinge auszuprobieren. Ich mache einen Podcast, habe Kolumnen geschrieben und halte Vorträge. Mal sehen, wie es weitergeht.

prisma: Ein wenig unklar ist auch die Erwartung an die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bei der EM 2025 in der Schweiz. Was erwarten Sie?

Almuth Schult: Die Entwicklung im deutschen Frauenfußball ist durchwachsen, aber zuletzt eher positiv. Die Sichtbarkeit und auch die TV-Erlöse sind gestiegen, dazu ein wachsendes Zuschauerinteresse. Viele Vereine professionalisieren ihre Arbeit, was in den nächsten Jahren eine breitere Leistungsspitze erzeugen wird – und wiederum das Produkt Frauenfußball attraktiver macht. Natürlich gibt es diese Entwicklung auch in anderen Ländern, was für die EM und nachfolgende Turniere gut ist. Grundsätzlich haben wir Deutschen einige sehr gute Spielerinnen im Kreise der Nationalmannschaft – und eine Mannschaft, die bei der EM eine Rolle spielen könnte.

prisma: Wie stark sehen Sie das deutsche Team konkret?

Almuth Schult: Es ist nicht ganz klar. Der Bundestrainer selbst hat gesagt: Ich wäre gerne schon weiter. Das mutete schon ein bisschen verrückt an, wenn man kurz vor einem Turnier steht und schon ein paar Monate im Amt ist. Trotzdem spiegelt die Aussage wider, dass wir alle nicht so richtig wissen, wie gut und stabil die deutschen Frauen sein werden. Es gab nach Olympia einen personellen Umbruch. Früher war es so, dass wir 15 Spielerinnen hatten, die lange vor dem Turnier gefühlt fix im Kader waren. Dazu kamen fünf bis acht Positionen, die galten als vakant. Heute ist es eher umgekehrt. Die deutlich geringere Anzahl an Positionen ist fix vergeben, über die meisten kann man diskutieren.

"Deutschland wird in der Weltrangliste immer noch auf Platz drei geführt"

prisma: Was möchte Christian Wück als Trainer anders machen?

Almuth Schult: Unter Horst Hrubesch und Martina Voss-Tecklenburg war im Sturm vieles auf Alexandra Popp ausgerichtet. Viele Bälle wurden direkt von hinten oder von den Flügeln auf sie gespielt. Nun versucht Wück, öfter übers Zentrum zu spielen, es soll kombiniert werden. Christian Wück mag Ballbesitzfußball. Auch von hinten heraus wird mit mehr Risiko gespielt, man baut über Kombinationen spielerisch auf. Das ging zuletzt auch ab und zu schief. Dennoch könnte sich die deutsche Mannschaft übers Turnier steigern und zu einem der Favoriten werden. Deutschland wird in der Weltrangliste immer noch auf Platz drei geführt.

prisma: Wer sind die anderen Favoriten?

Almuth Schult: Natürlich Spanien als Weltmeister und England als Europameister. Frankreich und Holland bringen große Stars als Einzelspielerinnen mit, die muss man auch auf dem Zettel haben. Dazu kann man Schweden nennen, die haben immer eine unglaubliche Turniermannschaft. In den letzten zehn bis 15 Jahren haben sie viele Medaillen gewonnen haben. Als Favoritinnen aus der zweiten Reihe sehe ich noch Dänemark und Norwegen. Auch Italien hat zuletzt große Schritte nach vorn gemacht.

prisma: Wie entwickelt sich der Frauenfußball insgesamt und in welche Richtung?

Almuth Schult: Der Frauenfußball entwickelt sich in vielen Teilen der Welt gerade sehr dynamisch. Was die Professionalisierung betrifft, das Interesse von außen und auch das Spiel selbst. Nehmen wir die Torhüterinnen-Position. Da war die Leistungsdichte noch vor zehn Jahren bei weitem nicht so hoch wie heute. Damals wurden noch viele Spiele durch Torwartfehler entschieden. Die sieht man heute kaum noch. In allen anderen Mannschaftsteilen wurden seitdem qualitativ sportlich große Sprünge gemacht. Es gibt in Europa mittlerweile viele Stars mit herausragenden Fähigkeiten. Dazu viele Mannschaften, die taktisch klug und variabel agieren. Es macht auf jeden Fall Freude zuzusehen.

"In Deutschland waren die Frauen bislang meist an einen ganz anderen Ort ausgelagert"

prisma: Woran kann man die Professionalisierung konkret festmachen?

Almuth Schult: An verschiedenen Punkten. In der Bundesliga kommt zum Beispiel die Pflicht, dass Assistenztrainer Vollzeitstellen haben müssen. Da werden sich nun einige wundern, die dachten, das wäre schon längst so. Doch nein, so war es eben nicht. Der Frauenfußball hinkt in der Professionalisierung den Männern deutlich hinterher. Bei den Männern gibt es flächendeckend Nachwuchsleistungszentren bis hinunter in die dritte Liga. Bei den Frauen existieren sie nur in einigen wenigen Vereinen, was sich nun ändern soll. Auch die Sichtbarkeit verändert sich. Zum Beispiel, indem Frauen in denselben Trainingszentren trainieren wie Männer. In England ist es schon ganz normal, dass sich Spielerinnen und Spieler des FC Arsenal auf dem Campus begegnen. In Deutschland waren die Frauen bislang meist an einen ganz anderen Ort ausgelagert.

prisma: Welche Rolle spielen Traditionsvereine im Frauenfußball?

Almuth Schult: Sie sind wichtig und es ist eine gute Entwicklung, dass sich immer mehr von ihnen im Frauenfußball engagieren. Den Rest erledigt der Wettbewerb. Noch vor zehn Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ein Frauenfußball-Derby in der Westfalen-Liga 10.000 Zuschauer zieht. Wenn aber Borussia Dortmund gegen Schalke 04 spielt, kommen die eben alle. Viele Traditionsvereine sind auf dem Weg nach oben. Union Berlin hatte in der letzten Zweitliga-Saison einen Zuschauerschnitt von über 7.000. Andere Vereine ziehen nach: Der VfB Stuttgart verpflichtet gerade viele ehemalige Bundesliga-Spielerinnen, um etwas aufzubauen.

prisma: Kann man mit Frauenfußball Geld verdienen, was die Vermarktung betrifft?

Almuth Schult: Ja, das ist ein Bild, welches sich immer mehr abzeichnet. Eigentlich ist es sogar eine Trendwende. Bis vor kurzem haben viele Frauenfußball auch langfristig als Zuschussgeschäft und "nice to have" bezeichnet. Nun zeichnet sich ab: Hoppla, da liegt ja einiges an Business-Case-Potenzial auf dem Tablett. Das merken immer mehr Menschen, die darin involviert sind.

"Es scheint eine gute Wahl zu sein, die EM in der Schweiz zu spielen"

prisma: Worauf freuen Sie sich sonst in der Schweiz?

Almuth Schult: Auf volle Stadien, denn dies ist bei vorherigen Turnieren nicht immer so gewesen. Diesmal sind fast alle Tickets verkauft. Man merkt, es ist ein Land, das mitten in Europa liegt. Es lockt viele Tagestouristen an, es gibt gute Verkehrswege, man spricht viele Sprachen. Bei den Schweizern hat man das Gefühl, dass sie das Turnier gut annehmen und sich darauf freuen. Es scheint eine gute Wahl zu sein, die EM in der Schweiz zu spielen.

prisma: Welche auswärtigen Fans machen am meisten Stimmung?

Almuth Schult: Die Fankulturen beim Frauenfußball sind überall am Wachsen. Auf Ebene der National-Teams sind auf jeden Fall die Niederländer zu nennen. Island wird sicher ebenfalls wieder stark vertreten sein. Die Niederländer sind immer sehr zahlreich, wenn es um Fanmärsche und ähnliche Events geht. Aber auch andere wie England, Spanien, Italien werden sicher auffallen. Und wir Deutschen nicht zu vergessen. Es wird eine tolle Atmosphäre herrschen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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