Hauptdarstellerin aus "Tina mobil"

Gabriela Maria Schmeide: "Eine Tina bin ich bestimmt nicht"

von Franziska Wenzlick

Zum ersten Mal spielt Gabriela Maria Schmeide die Hauptrolle in einer Serie. Und das sehr überzeugend. Im Interview verrät sie, weshalb sie die Dreharbeiten zu "Tina mobil" nicht nur positiv in Erinnerung behalten wird.

Tina Sanftleben ist eine unerschütterlichen Optimistin. Und das, obwohl das Leben es oft nicht besonders gut zu meinen scheint mit der "Queen der Landstraße", die mit ihrem Bäckermobil auch das vermeintlich trostloseste Fleckchen Berlins mit frischen Brötchen versorgt. Gespielt wird die fabelhafte Alltagsheldin Tina vom preisgekrönten Schauspiel-Ausnahmetalent Gabriela Maria Schmeide ("Die Friseuse", "Systemsprenger"), die in der charmanten Miniserie "Tina mobil" (ab Mittwoch, 22. September, 20.15 Uhr, jeweils in Doppelfolgen im Ersten) aufs Neue ihr Können unter Beweis stellt. Im Interview verrät die 56-Jährige, wie viel von der stets positiven Tina auch in ihr steckt.

prisma: Frau Schmeide, in "Tina mobil" haben Sie Ihre erste Serienhauptrolle übernommen. Wie war es?

Gabriela Maria Schmeide: Anstrengend. Es waren 321 Szenen – und in 318 ist Tina dabei. Das Spielen selbst ist toll, nur leider macht das nur einen sehr kleinen Teil der Dreharbeiten aus. Den Großteil der Zeit hat man sehr viele Menschen um sich herum, und man ist immer das Zentrum der Aufmerksamkeit – das fällt mir nicht leicht. Ansonsten ist es natürlich auch ein Geschenk, eine so weitgefächerte, schöne Rolle spielen zu dürfen.

prisma: Wie schwer fiel es Ihnen, sich danach wieder von der Rolle zu verabschieden?

Schmeide: Ich war richtig glücklich, dass es vorbei war (lacht). Es war einfach so erschöpfend. Aber man weiß ja auch, dass man die Figur bald auf dem Bildschirm wiedersieht. Traurig war ich vor allem, meinen Kolleginnen und Kollegen "Tschüss" sagen zu müssen. Wir waren beim Dreh ja teilweise bis zu 14 Stunden am Tag zusammen, da wächst man sich ans Herz.

prisma: Sind Sie selbst auch Serien-Fan?

Schmeide: Ja! Ich schaue allgemein nicht viel an, aber ich liebe es, einzutauchen und für eine Zeit lang in einer anderen Welt zu sein. Ich freue mich dann richtig, am Abend wieder weitergucken zu können. Und das, obwohl ich vor zehn, fünfzehn Jahren noch gesagt habe: "Serie? Ich? Nein, danke!" (lacht) Das ist heute ganz anders. Es gibt so gute Formate.

prisma: Haben Sie Favoriten?

Schmeide: "Dark" habe ich natürlich gesehen, aber auch "Unorthodox" oder "Die Brücke" fand ich super. Da bin ich total darauf abgefahren! "House of Cards" und "The Crown" haben mir auch gut gefallen. Ich habe da keine speziellen Vorlieben. Ich bin nicht so ein großer Science-Fiction- oder Krimi-Fan. Wenn aber, wie zum Beispiel bei "Die Brücke", eine so außergewöhnliche Hauptrolle dabei ist, zieht mich das sehr in seinen Bann.

prisma: In "Tina mobil" sprechen Sie in einigen Szenen Polnisch. Ihre eigentliche Muttersprache ist Sorbisch. Hat das die Dreharbeiten vereinfacht?

Schmeide: Polnisch und Sorbisch sind sich schon ähnlich. Als ich klein war, war ja sowieso nur der kleine Korridor in den Osten offen, so dass sich meine Urlaube vorrangig in Ländern wie Polen oder der Tschechoslowakei abgespielt haben. Dadurch, dass ich mit einer slawischen Sprache aufgewachsen bin, ist es ohnehin leichter gewesen, Polnisch zu lernen. Klar, man merkt, dass ich nicht Polin bin, aber ich kann mich ganz gut auf Polnisch unterhalten.

prisma: Sie selbst sind zweisprachig aufgewachsen. Sind Sie aus heutiger Sicht froh darüber?

Schmeide: Grundsätzlich bin ich der Auffassung: Leute, lasst eure Kinder mehrsprachig aufwachsen! Das ist ein Geschenk, das man so nie wieder im Leben bekommt. Ein Kind, das mit zwei oder drei Sprachen aufwächst, kann sich sehr glücklich schätzen.

prisma: Was sind die Vorteile?

Schmeide: Man kann besser abstrahieren, man lernt beispielsweise Instrumente deutlich schneller, man ist viel fitter im Kopf, und vor allem fällt es leichter, Kontakte aufzunehmen. Mich macht es traurig, dass es bei mir in der Heimat viele Menschen gab, die dachten, zwei Sprachen würden ein Kind überfordern. Was für ein Blödsinn! Im Idealfall gibt man einem Kind so viele Sprachen mit, wie möglich. Natürlich vermischt sich das zunächst, aber im Endeffekt bereichert dieser Input das Gehirn wahnsinnig. Es erweitert den Lebenshorizont, andere Sprachen zu sprechen – leider bin ich persönlich außen vor bei Italienisch, Französisch und Spanisch. Die Sprachen des Westens hab' ich mir nicht erschlossen.

prisma: Ihre Serienfigur Tina träumte als Kind vom Westen. Erging es Ihnen ähnlich?

Schmeide: Nein. Das war für mich, als ob man auf den Mond hätte fliegen wollen. Das ging einfach nicht. Ich habe zwar als Kind immer gesagt, ich will einmal den Amazonas sehen. Aber die Welt war abgeschnitten – auch in meinem Kopf. Ich war keine große Träumerin. Ich wollte nie abhauen, um die große, weite Welt zu sehen. Stattdessen habe ich die Welt angeguckt bis nach Rumänien und Bulgarien, soweit es möglich war,

prisma: Wie war es für Sie, als die "abgeschnittene" Welt sich dann doch öffnete?

Schmeide: Umso schöner. Wir haben die Chance dann auch gleich genutzt. Dass ich zuvor keine Sehnsucht hatte, hat sicherlich auch auch damit zu tun, dass ich wusste, meine Heimat und meine Sprachheimat ist nur hier. Wenn ich weggehen würde, hätte ich das nicht mehr.

prisma: Ihre Rolle in "Tina mobil" ist ohnehin bewundernswert positiv. Ticken Sie in der Hinsicht ähnlich?

Schmeide: Eine Tina bin ich bestimmt nicht. Ich würde den Kopf in die Hände schlagen und auch mal heulen, wenn ich so viel wie sie stemmen müsste wie sie. Aber ich bin auch niemand, der sich vor Problemen versteckt. Und ich bin auf jeden Fall ein positiver Mensch. Ja, Tina ist echt bewundernswert, aber ab und an auch ganz schön übergriffig, bestimmend und kommandierend (lacht).

prisma: Sie stehen bis heute seit Beginn Ihrer Schauspielkarriere auf der Bühne. Wie war es für Sie, als die Theater aufgrund der Corona-Pandemie schließen mussten?

Schmeide: Ich habe es einfach sehr genossen, auch mal Zeit zu haben. Zum Beispiel, um die Umgebung zu erwandern und einfach mal lange am Stück zu Hause zu sein. Dazu kommt, dass ja auch alle anderen zu Hause bleiben mussten. Wenn es nur mich betroffen hätte und alle anderen weitergespielt hätten, wäre die Lage sicherlich eine andere gewesen.

prisma: Wie erging es Ihnen privat im Lockdown?

Schmeide: Es ist verrückt: Die Corona-Zeit hat mir überhaupt erst ermöglicht, dass ich die Rolle in "Tina mobil" spielen konnte. Wäre ich vor zwei Jahren gefragt worden, hätte ich wegen des Theaters keine Zeit dafür gehabt. Das wäre unter normalen Umständen nicht gegangen. Dementsprechend hat mir die Krise auch Gutes gebracht. Nach der Erkrankung eines Mitglieds meiner Familie an Corona hatte ich die Möglichkeit, sehr oft nach Bautzen zu fahren und da zu sein. Man ist mehr aneinandergerückt. Ich weiß aber auch, wie viele Menschen es sehr stark getroffen hat.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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