Rea Garvey für Humor in schlechten Zeiten: "Wir dürfen unser Lachen nicht verlieren"
Als musikalischer Coach ist Rea Garvey erfahren: Siebenmal saß er in der ProSieben/SAT.1-
Rea Garvey scheint sich der Talentsuche verpflichtet zu haben. Siebenmal suchte der Musiker in der Castingshow "The Voice of Germany" nach neuen Künstlern und bei "Ich will zum ESC!" möchte der gebürtige Ire eine würdige Vertretung für Deutschland finden. Was ihm wichtig ist, verriet er im Interview.
Rea Garvey und Conchita Wurst auf gemeinsamer Mission
Er ist eine feste Größe der deutschen Pop-Szene: Rea Garvey ist seit seinem Durchbruch mit der Band Reamonn und der ersten Single "Supergirl" (2000) aus der Musik-Branche nicht mehr wegzudenken. Nach der Bandauflösung 2010 machte sich der in Tralee geborene Ire als Solo-Künstler einen Namen. Im Fernsehen war der 50-Jährige unter anderem als Coach in sieben der insgesamt 13 Staffeln der ProSieben/SAT.1-Castingshow "The Voice of Germany" zu sehen. Auch bei seinem neuen TV-Job steht die Musik im Vordergrund: Unter dem Motto "Ich will zum ESC!" sucht er gemeinsam mit der österreichischen Eurovision Song Contest-Gewinnerin des Jahres 2014, Conchita Wurst, unter 15 Kandidatinnen und Kandidaten ein musikalisches Talent aus, das für Deutschland am Samstag, 11. Mai, beim Finale des Eurovision Song Contests im schwedischen Malmö antritt.
Die ersten drei Folgen der Castingshow sind ab Donnerstag, 25. Januar, in der ARD Mediathek abrufbar. Die vierte Episode folgt am Dienstag, 30. Januar, die fünfte Episode am Donnerstag, 1. Februar. Den Gewinner oder die Gewinnerin wählen die Zuschauer in der sechsten Folge am Donnerstag, 8. Februar, um 22 Uhr live in der ARD Mediathek und im NDR Fernsehen. Das Talent mit den meisten Stimmen darf schließlich bei "Eurovision Song Contest – Das deutsche Finale 2024" (Freitag, 16. Februar, 22.05 Uhr, Das Erste) gegen gestandene Größen wie Max Mutzke oder Marie Reim antreten. Auf welche Eigenschaften es beim ESC ankommt und wie welche Rolle ein europaweiter Wettbewerb in Krisenzeiten spielt, verrät Rea Garvey im Interview.
prisma: Was ist Ihre erste Erinnerung an den Eurovision Song Contest?
Rea Garvey: (überlegt) Oh wow. Ich erinnere mich noch an Bucks Fizz aus England. Das war im Jahr 1981, und ich war noch sehr jung. Als die Mädels getanzt haben, haben sie die Kleider abgezogen und standen plötzlich in Miniröcken da. Da bin ich fast ausgeflippt! Aber der ESC war schon immer ein Highlight, natürlich besonders, als Irland mit Johnny Logan gewonnen hat. Damals saß meine ganze Familie vor dem Fernseher und ist gesprungen vor Freude.
"In Irland macht im Grunde jeder irgendeine Form von Musik"
prisma: Mit insgesamt sieben Siegen führt Irland neben Schweden die Bestenliste beim ESC an. Was haben die Iren, was die Deutschen nicht haben?
Garvey: Ich weiß es nicht. Es hat schließlich auch oft genug geklappt. Das verläuft immer so phasenweise. Aber die Frage ist auch nicht, wie oft wir den ESC gewonnen haben, sondern wann wir ihn das letzte Mal gewonnen haben. Es gibt Phasen, in denen der ESC sehr stark ist in einem Land. Im Moment, würde ich behaupten, ist zum Beispiel eine solche Phase, in der der ESC in Deutschland sehr präsent ist. Ich meine: Michael Schulte erreichte 2012 den dritten Platz, Lena Meyer-Landrut hat den ESC 2010 gewonnen. Aber im Moment fühlt es sich natürlich blöd an, vor allem, weil wir mehrmals den letzten Platz belegten. "Ich will zum ESC!" ist der Versuch, einen neuen Weg zu finden. Denn es überrascht mich immer wieder, wie viel Talent in diesem Land existiert!
prisma: Wie meinen Sie das?
Garvey: Naja, in Irland macht im Grunde jeder der rund fünf Millionen Einwohner irgendeine Form von Musik: Du musst nicht die beste Sängerin der Welt sein, aber du spielst ein Instrument oder bist im Kirchenchor oder was auch immer. In Deutschland mit seinen 80 Millionen Menschen ist das ein bisschen anders, aber das Talent ist schon groß. Und die Talente, die wir in der Show erlebt haben, hatten alle was!
"Das wichtigste ist, dass wir dem Format des ESC treu bleiben"
prisma: Welche Eigenschaften waren es, die Lena zu ihrem Erfolg verhalfen?
Garvey: Es sind mehrere Faktoren, die dabei wichtig sind: Zum einen ist da das Lied. Das muss Wahnsinn sein! Die Sängerin oder der Sänger muss gut sein. Und die Performance muss einem in Erinnerung bleiben. Aber am Ende entscheidet das Herz: Die Performance muss ehrlich sein. Wichtig ist auch die Verbindung zwischen dem Performer und dem Publikum. Lena hatte alles davon. Ähnlich war es bei Conchita Wurst, die 2014 für Österreich gewann. Sie war eine Erscheinung und großartig!
prisma: "Ich will zum ESC!" ist ähnlich wie "The Voice of Germany" aufgebaut: Sie und Conchita buhlen beide um die jeweiligen Talents. Was erhoffen Sie sich von diesem Wettbewerb?
Garvey: Meine Erfahrung ist: Wenn in einem Wettbewerb ein Auftritt nicht funktioniert, dann ist jeder Beteiligte dazu bereit, etwas daran zu verändern. Ich persönlich gehe an die Sache allerdings anders ran: Ich wurde gefragt, ob ich an der Show teilnehmen möchte. Als dann der Name Conchita fiel, hab ich gesagt: "Absolutly! I love Conchita!" Ob das Format am Ende etwas bringt? Wir werden es sehen! Das wichtigste ist, dass wir dem Format des ESC treu bleiben. Die Show macht Bock, sie unterhält und sie präsentiert viel Musik. Und es waren definitiv ein paar Talente dabei, bei denen ich sagte: Sie haben absolut das Potenzial zu gewinnen!
prisma: Worauf achten Sie als Erstes, wenn ein neues Talent vor Ihnen steht?
Garvey: Ähm, der- oder diejenige muss schon etwas Besonderes haben, bei dem ich sage: "Wow, das ist Magic!" Damit meine ich nicht unbedingt den Gesang. Ich bin in der Lage, jemandem dabei zu helfen, besser zu singen. Aber ein Auftritt muss von Anfang an irgendwie beeindrucken. Es gab viele Situationen, in denen ich Conchita gefragt habe: "Hast du das gespürt?" Und sie meinte: "Absolut!" Denn am Ende ist es nicht wie bei "The Voice": Bei "Ich will zum ESC!" zählt nicht nur die Stimme, es zählt das Gesamtpaket. Wichtig ist, dass die Leute dabei bleiben und sich unterhalten fühlen.
"Manchmal braucht es ganz besonders die Momente, um mal kurz durchzuatmen"
prisma: Spätestens seit dem klaren ESC-Sieg der Ukraine 2022 behaupten kritische Stimmen, beim ESC ging es inzwischen weniger um die Musik als vielmehr um politische Statements. Was halten Sie von dieser These?
Garvey: Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Für mich ist der ESC eine absolute Familienshow. Natürlich lassen sich gewisse Dinge nicht vermeiden: In einer Zeit, in der Krieg in Europa geführt wird, spielt das Thema auf einer so großen Plattform wie dem ESC natürlich immer eine große Rolle. Man kann nicht sagen: Ich ignoriere es einfach. Dennoch glaube ich, dass die Verantwortlichen versucht haben, mit dem ESC weiterhin alle Menschen zu erreichen. Die Tatsache, dass die Ukraine vor zwei Jahren gewonnen hat und die Art, wie sie gewonnen hat, war genial. Denn das hat die echte Unterstützung der Menschen gezeigt.
prisma: Wie wichtig finden Sie eine Veranstaltung wie den ESC, bei der nahezu ganz Europa zusammenkommt, gerade in den aktuellen Krisenzeiten?
Garvey: Ich finde solche Shows unglaublich wichtig. "Ich will zum ESC!" finde ich in seiner kleinen Form auch absolut wichtig. Sie sprüht von so einem Temperament und so viel Humor! Gerade weil es im Moment so viele negative Dinge auf der Welt gibt, dürfen wir unser Lachen nicht verlieren. Wir dürfen nicht ins Kissen weinen und schreien, sondern wir müssen Freude verbreiten. Das ist es, glaub ich, auch, was ich am besten kann. Ich bin ganz schlecht in Negativität, weil es mir zu viel Energie raubt. Das heißt nicht, dass du die Welt um dich herum komplett vergessen sollst. Ich unterstütze seit 2018 die Ukraine mit meinen Projekten. Dennoch würde ich es falsch finden, alle immer auf dieses Thema zu fokussieren. Denn es ist eh schon dauernd in der "Tagesschau". Manchmal braucht es da ganz besonders die Momente, um mal kurz durchzuatmen.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH