"AMEN: Ein Gespräch mit dem Papst" bei Disney+

Junge Menschen diskutieren mit Papst Franziskus: "Haben Sie ein Handy?"

05.04.2023, 16.54 Uhr
von Elisa Eberle

In dem sehenswerten Disney+ Original "AMEN: Ein Gespräch mit dem Papst" bekommen zehn junge Erwachsene aus unterschiedlichen Lebensrealitäten die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit Papst Franziskus. Dabei kamen pikante Themen wie Abtreibung, sexueller Missbrauch und auch die Rolle der Frau in der katholischen Kirche auf dem Tisch. Doch auch andere Fragen wurden geklärt. Zum Beispiel: "Haben Sie ein Handy?".

Sie heißen María, Medha oder Khadim. Sie leben in Spanien, im Senegal oder in den USA. Und sie glauben an Gott, Allah oder an gar nichts. Eine Sache haben die zehn jungen Erwachsenen aus dem Disney+ Original "AMEN: Ein Gespräch mit dem Papst" jedoch gemeinsam: Bei einem exklusiven Treffen im Juni 2022 im römischen Viertel Pigneto dürfen sie dem Oberhaupt der katholischen Kirche ihre Fragen stellen. Zu sehen ist das besondere Special ab 5. April.

Mit großen Erwartungen zum Treffen 

"Das ist das Verrückteste, was ich je in meinem Leben gemacht habe", sagt Medha aus den USA zu Beginn: "Aber ich bin bereit, ich bin aufgeregt. Und ich habe eine Million Fragen an ihn." Wie ihr ergeht es auch den anderen neun jungen Erwachsenen: Sie haben große Erwartungen an das Treffen, für sich selbst, aber vor allem für all die anderen jungen Menschen, die die Doku sehen werden. Leider versäumen es die Regisseure Jordi Évole und Màrius Sanchez, abschließend ihr Feedback zu dem Gespräch einzuholen. Zwar scheinen die Jugendlichen weitestgehend zufrieden, die Antworten des Papstes auf die strittigen Themen fallen jedoch oft etwas zu allgemein und oberflächlich aus.

Es liegt vielleicht am Medium, dem doch recht jungen Streamingdienst Disney+, dass das Gespräch mit dem Papst mit den unverfänglichen Fragen beginnt: "Haben Sie ein Handy?", will jemand wissen. "Nein", antwortet der Papst. "Was ist mit Social Media?" Benutzt er ebenfalls nicht: Sein erstes Handy, erzählt Franziskus, sei so groß wie ein Schuh gewesen, aber er habe es nie benutzt. Momente wie dieser lassen den 86-Jähriger mehr wie einen sympathischen Großvater erscheinen als wie der mächtigste Mann der katholischen Kirche. Zweifellos erweckt es die Sympathie der Zuschauerinnen und Zuschauer, wenn er erzählt, dass er seine Familie und die gemeinsamen Mittagessen am Sonntag in Argentinien vermisst.

Papst Franziskus bleibt bei seinem Standpunkt zur Abtreibung

Wer vor Ansicht der Doku jedoch Schwierigkeiten mit den Einstellungen des Vatikans zu Themen wie Abtreibung, Kindesmissbrauch und der Rolle der Frau hatte, wird diese doch auch nach den rund 80 Filmminuten nicht ablegen. Milagros kommt aus Argentinien. Die junge Frau bezeichnet sich als Katholikin und Feministin. Das kirchliche Verbot von Abtreibungen stört sie: "Warum will die Kirche zwischen einer Frau und ihren Rechten stehen?", fragt sie den Papst: "Ich glaube, Jesus würde mit dieser Frau gehen. Er würde sie nicht verurteilen." Sie kenne viele gläubige Frauen, die nach einer Abtreibung von der Gemeinde als Mörderinnen bezeichnet wurden. Dabei würden sich die Frauen diese Entscheidung doch nicht leicht machen.

"Eine Abtreibung hinterlässt eine so tiefe Spur in einer Frau", gibt der Papst zu. Deshalb rate er seinen Priestern stets, den Frauen beizustehen, barmherzig zu sein und keine Fragen zu stellen: "Jesus heißt alle willkommen. Egal, wie sehr du ein Sünder bist, oder ob dich alle zurücklassen, der Herr wird dich nie allein lassen." Dennoch bleibt er bei seinem Standpunkt: Bei jedem Embryo handelt es sich um menschliches Leben: "Ist es zulässig, ein Menschenleben zu vernichten, um ein Problem zu lösen?", fragt er: "Ist es also zulässig, einen Auftragskiller zu bezahlen, um ein menschliches Leben zu vernichten, um ein Problem zu lösen?"

Was sagt der Papst zum Missbrauch?

Tiefgläubige Menschen, wie etwa die junge Spanierin María in der Dokumentation, werden seiner Argumentation wohl folgen können. Dass sowohl sie als auch Milagros ihren Standpunkt erklären dürfen, ist die große Stärke der Doku, die jungen Menschen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten und mit unterschiedlichen Problemen Sichtbarkeit und Gehör verschafft. Schade ist jedoch, dass der Papst an vielen Stellen so vage bleibt: Der Spanier Juan erzählt, dass er im Alter von elf oder zwölf Jahren von einem Gemeindemitglied sexuell missbraucht wurde. Der Täter musste nicht ins Gefängnis, er darf weiter an der katholischen Schule unterrichten. Der Papst reagiert betroffen, er verspricht, sich den Fall anzusehen. Die Aufarbeitung des allgemeinen Problems bezeichnet er jedoch als einen langen Prozess, was ein wenig nach einer Ausrede klingt.

Ähnlich ist es, als über die zentrale Rolle der Kirche im Kolonialismus gesprochen wird: "Wir haben über Rassismus gesprochen", sagt Lucía: "und wir haben eine Kirche, in der Jesus und Maria als Weiße dargestellt werden, was sie natürlich nicht waren. Ist das nicht widersprüchlich?" Der Papst antwortet: "Was ich für einen Widerspruch halte, ist, dass man sich nicht zu seiner eigenen Geschichte bekennt. Die Kirche hat die von dir genannten Phasen durchlaufen. Aber jeder von uns gehört zu einer Gesellschaft, einem Land und einer Kultur, die eine Vergangenheit haben." Sich zu seiner Vergangenheit zu bekennen, sei manchmal schwer, sogar für den Vatikan. Er habe den Herrn um Reinigung gebeten, doch: "Eine Reform der Kirche sollte von innen heraus geschehen", sagt er. Leider vergisst er zu erwähnen, welche Rolle er in der Kirche spielt und warum er die Veränderungen von innen nicht selbst anstößt.

"AMEN: Ein Gespräch mit dem Papst" ist zweifellos eine spannende Produktion, weil es den Papst ungewohnt nahbar zeigt. Die vielen emotionalen und oftmals recht tränenreichen Schilderungen der jungen Protagonistinnen und Protagonisten machen betroffen und wirken noch lange nach. Ob es dem Papst ebenso geht? Immerhin sagt er am Ende: "Ich habe von euch viel gelernt. Ich bin euch dankbar für das Gute, das ihr mir getan habt."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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