Bei "Markus Lanz"

Ex-SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering "zutiefst enttäuscht" von Altkanzler Gerhard Schröder

24.05.2024, 12.52 Uhr
von Natascha Wittmann

In der ZDF-Sendung 'Markus Lanz' sprachen Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum und Ex-Vizekanzler Franz Müntefering über die aktuellen Gefahren für die deutsche Demokratie. Besonders kritisiert wurden die AfD sowie die internationalen Machthaber Putin und Xi Jinping. Auch die Rolle von Altkanzler Gerhard Schröder wurde thematisiert.

Sorge um die Demokratie

Quo vadis deutsche Demokratie? Während die Gewalt gegen Politiker zunimmt, machen die Erfolge eine Rechtsaußen-Partei vielen Menschen Sorgen. Am Donnerstagabend blickte Markus Lanz in seiner Sendung anlässlich des 75. Jubiläums des deutschen Grundgesetzes auf den Zustand der Demokratie. Der Moderator wollte von seinen Gästen wissen, wie sicher sie in der heutigen Zeit überhaupt noch ist. Besonders Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) zeigte sich pessimistisch, und erklärte, dass das Grundgesetz aktuell durch eine Gefahr herausgefordert werde, "die ich so noch nicht erlebt habe".

Besonders Sorge bereite ihm dabei die AfD, die er als "freiheitsfeindliche Partei" bezeichnete, die plötzlich in allen Parlamenten vertreten und in die Gesellschaft "eingesickert" sei. Zeitgleich sehe er Gefahren auf internationaler Ebene, da durch Russlands Putin und Chinas Präsident Xi "eine neue Weltordnung angestrebt" werde. "Wir sind in einer Situation, wo wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, die Demokratie zu revitalisieren", so Gerhart Baum mit ernster Miene.

Baum: "Europa ist noch eine Chance und die müssen wir versuchen, zusammenzuhalten"

Dennoch erklärte er mit Blick auf die jüngste Islamisten-Demo in Hamburg, dass man "bis zu einer gewissen Grenze" auch lernen müsse, "andere Meinungen zu ertragen". "Wir müssen das bis zu einem gewissen Grade aushalten, wenn es nicht zur wirklichen Gefährdung unserer Demokratie wird", so Baum. Der FDP-Politiker fügte hinzu: "Wir leben in einer Verfassung, die Gedankenfreiheit garantiert." Der Staat dürfe in keiner Weise Einfluss nehmen auf die Gesinnung seiner Bürger – "selbst, wenn sie diese freiheitliche Grundordnung abschaffen wollen". Gleichzeitig merkte Baum jedoch in Bezug auf die Kalifats-Demo energisch an: "Wir müssen uns mit diesen Burschen auseinandersetzen. Wir müssen das Grundgesetz verteidigen – jeder Einzelne von uns."

Als Gastgeber Lanz daraufhin erklärte, dass sich bei manchen Bürgern mittlerweile das Gefühl breit mache, die Politik könne nicht mehr vermitteln, "was unsere Werte, was unsere Gesetze sind", offenbarte Gerhart Baum sorgenvoll: "Das Schlimmste ist in meinen Augen, dass die Politik, die Demokraten, Vertrauen verloren haben. Dass das Vertrauen in die demokratischen Parteien, die alleine die Probleme lösen können, so stark gesunken ist." Baum weiter: "Ich sehe einen gefährlichen Trend, der unsere Demokratie zerstören wird, wenn wir nicht reagieren."

In dem Zusammenhang sprach er sich für ein Verbot der AfD aus und erklärte, dass "das Verfassungsgericht durch Verfassungsänderungen gegen Verfassungsfeinde" vorgehen müsse. Der ehemalige Vizekanzler und Ex-SPD-Vorsitzende Franz Müntefering stimmte zu und ergänzte, dass er generell an eine demokratische Mehrheit glaube. Dem entgegnete Baum: "Aber wir dürfen nicht nur in Umfragen sagen, 'Wir sind für die Demokratie', sondern wir müssen verdammt nochmal dafür auch etwas tun!" Eine Steilvorlage für Müntefering, der den Blick auf die kommende Europawahl lenkte und sagte: "Dieses Europa hat so eine Bedeutung für uns. [...] Europa ist noch eine Chance und die müssen wir versuchen, zusammenzuhalten."

Müntefering beschreibt Olaf Scholz

Lanz wollte daraufhin wissen: "Wie schauen Sie auf die aktuelle Regierung?" Müntefering antwortete trocken: "Ich beneide Olaf Scholz nicht." Dennoch hoffe er, dass die Koalition in der nächsten Wahl wieder gewinne. Lanz hakte weiter nach: "Es geht heute immer mehr um Typen. Wie würden Sie Olaf Scholz beschreiben?" Müntefering erklärte daraufhin knapp: "Er ist sehr umsichtig und er hat eine Fähigkeit, zuversichtlich zu sein in den Dingen, die er tut. Das ist eine ganz wichtige Eigenschaft, die ein Politiker haben muss."

Der Gastgeber ließ nicht locker und fragte den Ex-SPD-Vorsitzenden auch nach seiner Meinung zu Altkanzler Gerhard Schröder. Daraufhin merkte Franz Müntefering jedoch schnell an, dass er seit Kriegsbeginn in der Ukraine "keinen Kontakt mehr" zu Schröder habe und "zutiefst enttäuscht" sei. Später habe Schröder noch ein bisschen nachgearbeitet "und gesagt, na gut, der Putin, der Krieg ist ein Fehler. Aber das bringt mich nun völlig zum Wahnsinn!" Denn, so der altgediente Sozialdemokrat weiter: "Fehler, das ist eine taktische Frage, aber Krieg, das ist keine taktische Frage. Das ist ein Verbrechen." Da verlasse ihn "alle Bereitschaft, noch irgendwie Freunde zu sein. Das tut mir leid. [...] An der Stelle, da sind wir sowas von quer."

Emotionales Thema - Sterben

Gerhart Baum ergänzte mit Blick auf Schröder-Freund Putin aufgebracht: "Der Mann hat den Kompass verloren! [...] Hier ist ein Kriegsverbrecher unterwegs und das darf man nicht einfach verniedlichen."

Ähnlich emotional redeten Müntefering und Baum auch über das Thema Sterben. Nach seiner kürzlichen Herz-OP versicherte Müntefering, dass er auf dem Weg der Besserung, aber noch "nicht so sicher im Tritt" sei. Zwar hoffe er, "da noch ein paar gute Jahre draufzukriegen", dennoch merkte er an: "Ich habe eigentlich keine Angst vorm Sterben."

Markus Lanz fragte überrascht: "Wirklich nicht?" Müntefering antwortete nüchtern: "Das Sterben – was ist das? Dann ist man tot." Dann sei man weg, was für die Umstehenden schrecklicher sei als für ihn selbst. "Aber ich selbst will noch leben. Ich will noch etwas vom Leben haben." Dem stimmte der 91-jährige Gerhart Baum zu: "Ich lebe jeden Tag neu. Ich möchte, dass der Tod keine Herrschaft über mein Leben hat!"


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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