ZDF-Talkrunde

"Die Türkei gehört für mich zu Europa": Ex-VW-Chef Diess bei "Markus Lanz

31.05.2023, 09.21 Uhr
von Natascha Wittmann

Am Dienstagabend war unter anderem CSU-Politiker Manfred Weber zu Gast in der Talkrunde von Markus Lanz. Es wurde nicht nur über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei, sondern auch über die komplizierte wirtschaftliche Lage Europas diskutiert. 

Am 28. Mai konnte sich der türkische Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan mit 52 Prozent der Wählerstimmen gegen seinen sozialdemokratischen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu durchsetzen. Erdoğan wurde somit für weitere fünf Jahre zum Präsidenten gewählt. Ein Ergebnis, das europäische Politiker mit Sorge erfüllt. Bundeswirtschaftsminister Cem Özdemir etwa forderte vor Journalisten in Solingen eine "Zeitenwende" in Bezug auf die deutsche Türkei-Politik. Auch bei "Markus Lanz" äußerten sich einige Gäste durchaus kritisch zur Stichwahl in der Türkei.

Ex-VW-Vorstand Herbert Diess stellte nüchtern fest, "dass es nicht die Wahl der Europäer ist, das müssen wir akzeptieren." Europapolitiker Manfred Weber fügte jedoch hinzu, dass es sich "angesichts der hohen Wahlbeteiligung" um "ein demokratisches Ergebnis" handle, "das die Türkinnen und Türken gegeben haben." Das gelte es laut Weber auch "zu respektieren". Markus Lanz kam daraufhin auf die Gründe für Erdoğan Wiederwahl zu sprechen. Dazu sagte "WELT"-Korrespondentin Carolina Drüten, dass Erdoğan "die Mittelschicht" in der Türkei geschaffen hätte: "Das halten ihm viele Anhänger noch zugute." Auch wenn Erdoğans Basis nach wie vor stark sei, machte die Türkei-Korrespondentin deutlich, dass es immer mehr Anhänger der Opposition gebe, "die einen Wandel wollen." Drüten ergänzte: "Für beide Lager war es eigentlich eine Schicksalswahl."

"Wir müssen die Türkei ein bisschen ernster nehmen"

Laut Weber ging es bei der Türkei-Wahl vor allem um Themen wie "Identität" und "Religion". Der CSU-Politiker fügte dennoch hinzu, dass das Land "zerrissen" sei. Trotz der teils düsteren Prognosen plädierte Ex-VW-Vorstand Herbert Diess bei "Markus Lanz" für eine engere europäische Bindung mit der Türkei: "Wir müssen die Türkei ein bisschen ernster nehmen." Der Unternehmer schloss einen EU-Beitritt deshalb nicht aus und sagte weiter: "Die Türkei gehört für mich zu Europa."

Manfred Weber hingegen sprach von einem "Miteinander", das wir "unbedingt brauchen". "Wir sind nach wie vor extrem wichtig für die Türkei. (...) Wir sind verdammt stark als Europäische Union", so der CSU-Politiker hoffnungsvoll. Dem widersprach Wirtschaftsexperte Felix Lee nüchtern: "Ich glaube, der Zug ist längst abgefahren im Fall der Türkei." Lee weiter: "Wir müssen uns davon verabschieden, dass alle nur darauf hoffen, irgendwie in die EU zu kommen." Der Experte mahnte daraufhin, dass wachsende Märkte wie Zentral-Asien oder China das künftige Weltbild stark verändern würden und Europa langfristig keine übergeordnete Rolle mehr spielen werde: "Wir sind nicht mehr diejenigen, die die Weltwirtschaft bestimmen."

"China ist technologisch gesehen extrem wichtig für die Welt"

Dies brachte Unternehmer Herbert Diess auf das Thema China zu sprechen. Bei "Markus Lanz" prognostizierte er, dass China "die USA irgendwann mal überholen" werde, denn: "Für Apple ist der größte Markt China." Diess weiter: "China ist technologisch gesehen extrem wichtig für die Welt." Der Ex-VW-Vorstand machte deutlich, dass das Wirtschaftswachstum außerhalb Europas stattfinde und Europa deshalb den Handel mit China dringend brauche, "sonst koppeln wir uns ab".

China-Experte Felix Lee nickte zustimmend: "Früher war China abhängig von Volkswagen – heute ist Volkswagen abhängig von China." Nicht nur in der Elektromobilität habe China mittlerweile die Nase vorn. Auch mit Solarstrom sei das Land "an vorderster Front". Diess gab im Gespräch mit dem ZDF-Moderator zu: "Das ist eine Riesenleistung für die Welt." Solarenergie werde den Klimawandel stoppen, so Diess. Während der Unternehmer von der chinesischen Leistung schwärmte, echauffierte sich Felix Lee über das Versäumnis seitens der deutschen Politik, die den Ausbau der Solarenergie vor rund zehn Jahren ad acta gelegt habe. Laut Lee haben wir "immer noch nicht erkannt, was auf der anderen Seite des Kontinents alles abgeht inzwischen."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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