Bei "Hart aber fair"

"Sorry, aber da krieg ich jetzt Puls": Agnes Strack-Zimmermann empört über Aussage von Ralf Stegner

13.06.2023, 13.18 Uhr
von Doris Neubauer

Der Verteidigungskrieg in der Ukraine war das Thema der Runde der Talkrunde "Hart aber fair". Wann ist mit einem Ende des Konflikts zu rechnen? Wie geht es in diesem Krieg weiter? Braucht es eine diplomatische Lösung? Eine spannende Diskussion entbrannte. 

Das eingeblendete Foto zeigt eine brünette Frau, die mit stolzem Lachen an der Seite ihres uniformierten Mannes steht: "Er hat die Militärische Akademie in Kiew absolviert, und das war ein großes Fest. Wir wussten nicht, dass der Krieg kommt", erinnert sich Hanna Bovhyria. Das war 2021. Heute lebt die zweifache Mutter mit ihren Kindern in Deutschland, ihr Mann ist in der Ukraine als Oberstleutnant der Luftwaffe oft tagelang unerreichbar, und viele der Kollegen, mit denen sie vor zwei Jahren noch ausgelassen gefeiert hatten, sind gestorben.

Es scheint, als wollte Louis Klamroth mit dem berührend-menschelnden Interview zu Beginn der aktuellen "hart aber fair"-Ausgabe am Montagabend verhindern, in eine Gefahr zu tappen: "Dass man vergisst, dass es um Menschenleben geht", wenn im Zuge des Ukraine-Kriegs – "wie bei einer Sportberichterstattung" – von Gegenoffensive, Frontverläufen, Attacken die Rede ist.

"Man darf sich nicht ausschließlich auf die militärischen Maßnahmen fokussieren"

"Es gibt Kriegsverbrechen, Tote, Zerstörung und Leid – darüber sollten wir nachdenken. Deswegen muss schon auch die Frage erlaubt sein, nicht nur darüber zu reden, wie lange der Krieg noch dauert, sondern immer noch über Wege nachzudenken, wie der Krieg endet", bekräftigt in der Sendung der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner.

Dass dabei Deutschland und andere Länder die Ukraine unterstützen müssen, darin ist er sich mit den anderen Gästen – Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, Journalistin und Russlandexpertin Katja Gloger und Militärhistoriker Sönke Neitzel – bei Louis Klamroth einig. "Es braucht die maximale Unterstützung der Ukraine jetzt und maximale Waffenlieferung inklusive Luftwaffen", plädiert Alexander Rodnyansky, Ökonom und Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Selbst mit dieser Unterstützung des Westens werde es "sauschwer", betrachtet Militärhistoriker Sönke Neitzel die soeben gestartete und nur langsam voranschreitende Gegenoffensive der Ukraine realistisch: "Die Aufgabe, die die Ukrainer haben, rein militärisch, ist extrem schwierig, und die Ukrainer haben nicht gezeigt, ob sie das könnten. Man muss sich auch politisch damit befassen, was passiert, wenn diese Gegenoffensive keinen Erfolg hat."

Diese Frage beschäftigt auch Ralf Stegner. Seine Antwort: "Man darf sich nicht ausschließlich auf die militärischen Maßnahmen fokussieren. Das kritisiere ich", fordert er, die diplomatischen Bemühungen zu erhöhen. Diese Meinung teilen laut einer ARD Deutschland Trend-Umfrage vom Juni 2023 insgesamt 55 Prozent aller Befragten. Finde das hinter verschlossenen Türen statt, müsste keine Seite befürchten, das Gesicht zu verlieren.

Selenskyj-Berater nennt Regimewechsel in Moskau als Ziel

"Sorry, aber da krieg ich jetzt Puls", unterbricht Strack-Zimmermann ihren Kollegen: "Das hat nichts mit Gesichtsverlust zu tun. Die Ukraine will überleben", betont sie. "Diplomatische Bemühungen funktionieren nur, wenn sich auch die andere Seite öffnet – sei es vor oder hinter der Kamera", mangelt es der FDP-Politikerin dafür am Willen Russlands, "wenn ein Land wie Russland die Ukraine angreift, um sie komplett von der Landkarte verschwinden zu lassen, dann ist das nicht im Entferntesten erfüllt." Die Liberale weiter: "Gespräche können nur stattfinden, wenn Russland es will, und aus der ukrainischen Stärke heraus."

Auf lange Sicht kann sich auch Alexander Rodnyansky eine diplomatische Lösung vorstellen, betont aber gleichzeitig: "Diplomatie kann nicht bedeuten eine Verschnaufpause für die russische Regierung und das Regime, in der sie sich regeneriert, die Truppen neu aufstellt und vorprescht mit neuen Mitteln." Würde jetzt kurzfristig ein Frieden oder eine Feuerpause erreicht, könnte das langfristig in einen schlimmeren Krieg münden. "Die andere Möglichkeit ist die Erreichung eines langfristigen Friedens mit einem anderen Regime in Russland", meint er.

"Die Chinesen lachen sich doch kaputt über die Deutschen"

"Herr Stegner guckt skeptisch", beobachtet Louis Klamroth die Reaktion auf dem Podium. "Sehr skeptisch", gibt der SPD Bundestagsabgeordnete zu. Für ihn führt kein Weg an einer diplomatischen Lösung vorbei, wobei "ganz wichtig ist es auch, andere Staaten zu motivieren Einfluss zu nehmen auf Russland." Insbesondere China spiele eine große Rolle, erhält er – sehr zur Überraschung von Louis Klamroth ("Ich habe das Gefühl, da hat jemand Puls?") ausgerechnet von Strack-Zimmermann ("Gottseidank, mein Puls schlägt noch") Rückendeckung.

"Die Chinesen lachen sich doch kaputt über die Deutschen", hält Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, hingegen diese Hoffnung für eine Illusion. "Unsere Möglichkeiten sind wirklich begrenzt." Dennoch seien diplomatische Bemühungen genauso notwendig wie Waffenlieferungen. "Ein Problem war, dass wir die Panzer zu spät geliefert haben", übt er Kritik am langsamen Agieren Deutschlands, "möglicherweise werden wir auch die Bilanz stehen: Too late, too little" – also zu spät und zu wenig. Der Militärhistoriker weiter: "Wenn der Bundeskanzler nicht ständig von Atomkrieg gefaselt hätte, sondern früher gehandelt hätte, hätten wir das Problem nicht."

Bevor Strack-Zimmermann oder einem anderen Gast der Puls in die Höhe schnellt, springt Klamroth ein: "Das Problem werde ich bekommen, wenn ich nicht nach Hamburg schalte und Caren Miosga frage, was sie in den Tagesthemen macht", endet der Talk-Abend recht abrupt. Man darf sich das auch für den Verteidigungskrieg der Ukraine gegen Russland wünschen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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