Wie war das damals, als der nach dem Mauerfall obdachlos gewordene Erich Honecker von einem Pastor aufgenommen wurde?
"Manchmal ist die Realität spannender als jede Fiktion", erklärt Jan Josef Liefers zu Beginn der 45-minütigen Dokumentation, die man als eine Art Making-of des ZDF-Films "Honecker und der Pastor" (Montag, 21. März, 20.15 Uhr, lesen Sie hier die Filmkritik) verstehen kann. Versetzt mit Szenen des Spielfilms, gibt Liefers, Regisseur des Spielfilms und Ideengeber, seiner nach wie vor großen Verwunderung über das 1990 Geschehene Ausdruck. Damals wurde der ehemalige Staatsratsvorsitzende Erich Honecker, der abgesetzt und über Nacht zur Persona non grata geworden war, vom hilfsbereiten Pastor Uwe Holmer in Lobetal bei Berlin mit Ehefrau Margot aufgenommen und beherbergt. "Wenn ich Ihnen erzähle, dass ein gestürzter Diktator ausgerechnet beim Geringstgeschätztesten seiner Untertanen um Hilfe bitten muss, würden Sie es für ein Märchen halten. Doch das hat es wirklich gegeben."
In der von Fred Breinersdorfer inszenierten Hintergrund-Doku spricht Liefers mit dem 93-jährigen Pastor Holmer über dessen Beweggründe, aber auch über die Vorbehalte in der Umgebung, die bis hin zu Bombendrohung gingen. Auch aus den eigenen Kirchenreihen, so Holmer, habe es Kritik an der Aufnahme der Honeckers gegeben. Er selbst sagt jedoch: "Das Zentrum unserer christlichen Botschaft ist die Vergebung. Wenn wir Barmherzigkeit predigen, dann müssen wir sie auch leben."
Einfach war das nicht, als plötzlich Honecker und seine Frau Margot, die man beide zuvor "nur vom Fernsehen kannte", mit am Esstisch saßen und das Tischgebet etwas missmutig ertrugen ("Das stört uns nicht!"). Zehn Kinder gab es in der Pastorenfamilie, die Jüngsten erinnern sich im Film an die seltsamen Mitbewohner. Es wurde viel gesungen, 30 Kinder-, Volks- und Kirchenlieder hatten sie drauf, sagt Holmer, der damals auch Bürgermeister und Leiter der örtlichen Hoffnungstaler Stiftung für geistig behinderte Menschen war.
Vom 30. Januar bis 03. April lebten die Honeckers in Lobetal, Reue gab es nicht, stattdessen Rechtfertigungen. Gewissensfragen wich der inzwischen schwerkranke Honecker mit einem "Naja!" immer wieder aus. Erschwert wurde das beengte Zusammenleben vor allem durch die Belagerungszustände draußen. Man war froh, als es schließlich vorbei war, hatte sich aber zu früh gefreut: Nach der Abreise stand das Ehepaar anderntags noch einmal vor der Tür – eine peinliche Situation.
Liefers, der in der Doku auch seine persönlichen Erfahrungen in der DDR einbringt, spricht nicht zuletzt auch mit Opfern des Regimes. Um allgemeine Vergebung sei es für ihn damals nicht gegangen, sagt Holmer. Vergeben müsse jeder für sich, was man ihm angetan habe. Ein Interview von Liefers zu seinem Film und dem Fall lesen Sie hier.
Honecker und der Pastor – Die Dokumentation – So. 20.03. – ZDF: 23.45 Uhr