Ein Paketbote schuftet von morgens bis abends, und doch reicht das Geld kaum, um sich und seinen Sohn über Wasser zu halten. Das Drama "Geliefert" schaut ziemlich genau auf unsere Lebenswirklichkeit, erwärmt aber dennoch das Herz.
"Bleib so wie du bist, von den anderen gibt es schon genug", sagt seine gute Freundin Lena (Anne Schäfer, lesen Sie hier das Interview zum Film) zu Volker Feldmann (Bjarne Mädel). Als Paketzusteller und alleinerziehender Vater des 16-jährigen Benny (Nick Julius Schuck) ist Volker ein ungewöhnlicher Held für einen deutschen Fernsehfilm, denn er macht eigentlich nichts Besonderes – außer Menschen im Alltag zu helfen. Von seinem Chef (Stefan Merki) muss er sich verhöhnen lassen, weil Volker meistens als Letzter von der Tour zurückkehrt. Die fehlende Ökonomie bei der Lieferhatz hat damit zu tun, dass er auch mal hört, wie es einsamen Menschen in ihrer Wohnung so geht oder dass er hilft, wenn bei der alten Frau Stolte (Ingrid Resch) der Strom im Bad ausgefallen ist. So eine Reparatur dauert ja schließlich nicht allzu lange ... – Schlicht "Geliefert" lautet der Titel dieses Films, der bei ARTE vor einigen Wochen Premiere feierte.
Leider reicht Volkers spärliches Einkommen kaum aus, um den Alltag für sich und seinen Sohn zu bestreiten. Nachhilfestunden, weil Bennys Abschluss im Gefahr ist? Hm, schwierig. Eine Klassenfahrt nach Mallorca, um die Mittlere Reife zu feiern? Fast unmöglich. Es sei denn, man geht auf das Angebot des polnischen Kollegen Vladi (Ivan Shvedoff) ein, der während seiner Liefertouren noch einen kleinen Nebenjob anzubieten hat.
Doch Volker, der alles für seinen Sohn tun würde, fällt es schwer, vom korrekten und kerzengeraden Weg abzuweichen. Dass er seine Lebensmittel längst heimlich im Abfall-Container des Supermarktes besorgt, darf Sohn Benny auf keinen Fall wissen. Die Vermieterin wird mit einer Nebenkostennachzahlung weiter vertröstet. Wenn aber dann noch eine Radarfalle den gestressten Paketboten bei deutlicher Überschreitung des Tempolimits erwischt, könnten auch Durchhalte-Helden wie er irgendwann am Rand der Verzweiflung stehen.
Der gebürtige Münchner Jan Fehse hat in den letzten Jahren vor allem Filme für die ZDF-Krimireihe "München Mord" inszeniert. Gelernt hat der Mann den Beruf des Kameramannes. 2008 gab er mit dem Beziehungsdrama "In jeder Sekunde" sein Regiedebüt. "Geliefert" ist nun Fehses erste Arbeit als Autor, die Regie hat er gleich mit übernommen. Es ist überaus gelungen, wie der Film ebenso warmherzig wie klug den Alltag von in prekären Verhältnissen lebenden Menschen beobachtet. In einem kleinen Interview zum Film vergleicht Jan Fehse seinen Helden mit Luke Skywalker und Batman. Einziger Unterschied: Während die einen die Galaxie oder wenigstens Gotham City retten, rettet Volker die Menschen seiner direkten Lebensumgebung – und versucht dabei, selbst nicht abzusaufen.
Ein Hauch von Ken Loach
Ein wenig erinnert die Tonalität des Films an britische Sozialdramen respektive Sozialkomödien von Altmeister Ken Loach, der 2019 im Wettbewerb von Cannes mit dem sehr sehenswerten "Sorry We Missed You" ebenfalls den Lebensalltag eines Paketboten und Familienvaters unter Druck begleitete. Klar, Fehses ARD-Film ist "deutscher", in Dialogen und Bildsprache ein wenig lieblicher, aber dennoch alles andere als weichgespült.
Bjarne Mädel, hiesige Traumbesetzung des "kleinen Mannes" (in einer gleichnamigen Serie von Ralf "Stromberg" Hussmann spielte Mädel bereits 2009 die Titelrolle), sorgt in seiner Darstellung für viel kleinbürgerliches Charisma und Identifikationspotenzial. Natürlich ist der Norddeutsche ein Glücksfall für den in der bayerischen Provinz spielenden Film. Apropos Provinz: Fußballfan Mädel, er ist großer Anhänger des Hamburger Sportvereins, spielt in "Geliefert" auch eine Figur, die ihr Geld früher als Fußballlehrer in der zweiten Reihe des Profigeschäfts verdiente, aber nach einem Skandal den Job verlor. Nun arbeitet Volker mit enormem Einsatz für eine Jugendmannschaft im Amateurbereich. Auch dieses Ehrenamt kostet ihn Unmengen von Energie. Es macht Freude, sorgt aber auch für Wagenladungen von Stress und Frust. Bjarne Mädels Volker ist wohl der realistischste, unterstützenswerteste Superheld, den man in diesem Jahr im deutschen Fernsehen zu sehen bekommt.
Geliefert – Mi. 13.10. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH