Filmkritik

"Tatort: Wunder gibt es immer wieder" – Ermittlungen im Kloster

von Eric Leimann

Ein Wirtschaftsprüfer des Erzbistums wurde ermordet, die Ermittlungen führen Batic und Leitmayr ins Kloster. War eine der Nonnen die Täterin?

ARD
Tatort: Wunder gibt es immer wieder
Kriminalfilm • 19.12.2021 • 20:15 Uhr

Es passiert nicht oft, dass die routinierten Städter, Junggesellen und höchstwahrscheinlich auch Atheisten Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) aus ihrem München herauskommen. "Freies Land" vom Juni 2018, ein Krimi über die Reichsbürgerszene, war der letzte Fall mit einem "out of area"-Einsatz der weiß gelockten Ermittler-Urgesteine. Kurz vor Weihnachten 2021 ist es nun wieder soweit, denn die Kommissare gehen ihrer Arbeit in einem vor wunderschöner Alpenkulisse gelegenen Kloster nach. Hier war bis vor kurzem ein Wirtschaftsprüfer des Erzbistums tätig, der jedoch wenig später tot in einem Zug sitzt. Die Kommissare reisen ins mit sieben Ordensschwestern plus Hausmeister nur noch spärlich bewohnten Ordenshaus, um herauszufinden, was dort passiert ist.

Empfangen werden Batic und Leitmayr von Schwester Barbara (Corinna Harfouch), die mit ihren "WG-Genossinnen" Klara (Constanze Becker), Jacoba (Petra Hartung), Julia (Christiane Blumhoff), Angela (Ulrike Willenbacher) sowie der jungen Antonia (Maresi Riegner) den Eindruck vermittelt, hier wäre alles in Ordnung. Die Kommissare entdecken jedoch Ungereimtheiten und Widersprüche – was ihre Entscheidung festigt, ein wenig länger im Haus der geistigen Einkehr zu bleiben.

Merkwürdig ist unter anderem die Anwesenheit zweier italienischer Geistlicher, die direkt vom Vatikan ins deutsche Kloster geschickt wurden. Was die beiden schweigsamen Herren "untersuchen", bleibt erst mal im Geheimen. Auch der Hausmeister (Aurel Manthei) und sein jugendlicher Helfer (Samuel Benito) verhalten sich merkwürdig. Nicht nur Krimikenner ahnen: Einer aus dem Kreise der Bewohner könnte der Mörder oder die Mörderin sein ...

Kriminal-Ermittlungen im Kloster? Es braucht nicht mehr Stichworte, um bei der Assoziation "Der Name der Rose" zu landen. Umberto Ecos weltberühmter Roman von 1980, 1986 wurde er mit Sean Connery als "Ermittler" verfilmt, ist aber ein ganz anderer Film als dieser "Tatort", obwohl es hier und da Parallelen gibt. Doch zunächst zu den Unterschieden: Neben der Tatsache, dass in der Gegenwart statt dem späten Mittelalter ermittelt wird, ist der "Tatort" auch ein Sommerfilm. Wir erinnern uns: Jean-Jacques Annauds Kinowerk spielte im bitterkalten Winter samt Schneemassen in den Alpen.

Der BR drehte seinen Kloster-"Tatort" indes im Sommer 2021. Drehort war das erst Ende 2019 aufgegebene Karmeliten-Kloster Reisach in Oberaudorf. Natürlich gehört zur klösterlichen Katharsis der weltlichen Besucher Batic und Leitmayr, dass die beiden aus ihrer Komfortzone gedrängt werden: eine karge Behausung mit dominantem Kreuz an der Wand, schweigend einzunehmende Mahlzeiten und Kräutertees, die vielleicht sogar Halluzinationen auslösen könnten?

Die Figuren werden ernstgenommen

Ein wenig Mystik muss sein, wenn es um Ermittlungen zwischen Kreuzgang und Gebetsbank geht. Trotzdem ist "Wunder gibt es immer wieder" alles andere als ein Film, der die im Kloster verbliebenen Nonnen als aus der Zeit gefallene, skurrile Figuren betrachtet. Alle Frauen haben ihre eigene Geschichte, bei manchen ist sie anders, als man am Anfang vermuten könnte. Doch die Drehbuchautoren Alex Buresch und Matthias Pacht nehmen jede ihrer Figuren ernst. Regisseurin Maris Pfeiffer ("Schuld nach Ferdinand von Schierach") setzt die sommerlichen Ermittlungen klug konzentriert, aber in klaren Bildern in Szene.

Einziger Kritikpunkt eines mal wieder ziemlich guten München-"Tatorts": "Wunder gibt es immer wieder" verhandelt vielleicht ein wenig zu viele Themen rund um Lebensentwürfe im Zeichen des Ordens, Klostersterben und die Versuche, diesen "way of life" in schwierigen Zeiten am Leben zu erhalten. Unterm Strich sind dennoch alle Erzählstränge solide ausgearbeitet und die Dialoge mit feinem Humor unterfüttert. Und wer wäre besser für einen solchen Fall geeignet als die nonchalanten, aber immer noch bissigen Gentleman-Ermittler Batic und Leitmayr? Und eine Traum-Filmkulisse wie die des Klosters vor der Alpenkulisse Oberaudorfs gibt es eben auch nur im Umland der bayerischen Kommissare. Passt schon, dieser vorweihnachtliche Kloster-Krimi, der im Sommer spielt.

Tatort: Wunder gibt es immer wieder – So. 19.12. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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