Magdalena Laubisch über Mord an Michèle Kiesewetter: "Die Dimensionen des Falls finde ich erstaunlich"





Angelehnt an den Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter erzählt der Fernsehfilm "Die Nichte des Polizisten" (Mittwoch, 8. Oktober, 20.15 Uhr, das Erste, schon ab Mittwoch, 1. Oktober, in der ARD Mediathek) vom Druck auf Anwärter einer Polizei-Spezialeinheit und von rechtsextremen Strukturen. Die Tat ereignete sich am 25. April 2007. Lange war unklar, wer hinter dem brutalen Mord steckte. Seit November 2011 wird er dem sogenannten "NSU" zugerechnet. Im Film schlüpft Magdalena Laubisch in die Rolle der jungen Polizistin Rebecca Hanselmann, die in einer Vorblende bereits in der allerersten Szene des Films erschossen wird. Für die 26-jährige Schauspielerin ist es die erste Fernsehhauptrolle.
Bislang war die gebürtige Hallenserin unter anderem in Episodenrollen von TV-Reihen wie "Die Chefin" (2025, ZDF) und "In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte" (2021, das Erste) zu sehen. Im Interview spricht Laubisch über die intensive Vorbereitung auf "Die Nichte des Polizisten": Sie erklärt, warum sich das Waffentraining anfangs "komisch" anfühlte, und verrät, ob die Beschäftigung mit dem Thema etwas mit ihrem persönlichen Sicherheitsempfinden gemacht hat. Außerdem spricht sie über ihren Traum, in Frankreich beruflich Fuß zu fassen, wo sie 2022 bereits den Film "Lumière noire (Alternativtitel: "Six pieds sur Terre") drehte.
prisma: In "Die Nichte des Polizisten" spielen Sie eine junge Polizei-Anwärterin. Wäre der Beruf auch was für Sie gewesen?
Magdalena Laubisch: Ich glaube, eher nicht. Ich bin froh, dass es sie gibt, aber ich fühle mich in meinem Beruf schon ganz wohl.
prisma: Welche Eigenschaften zeichnet eine gute Polizistin aus?
Laubisch: Es gibt sicherlich viele Dinge. Aber sportlich zu sein, schadet wahrscheinlich nie.
prisma: Die sportliche Komponente zeigt sich auch im Film. Wie viel mussten Sie dafür trainieren?
Laubisch: Ich durfte trainieren! Denn im Nachhinein begreife ich diese Möglichkeit und als ein großes Geschenk. Ich durfte mit einer Personal-Trainerin, Angie Rau, anderthalb Monate vor Drehbeginn trainieren. Sie hat auch unser ganzes Projekt begleitet, also auch alle Stunt- und Gruppenszenen mit Komparserie, zum Beispiel bei der Demonstration am Anfang des Films. Diese Professionalität war sehr wichtig, denn man möchte das natürlich alles richtig machen und möglichst authentisch sein. Mit ihr hatte ich auch ein Waffentraining. Dieser "alltägliche" Umgang mit Waffen war mir sehr lange fremd. Man muss sich wohl damit fühlen, so eine Waffe dauerhaft in der Tasche zu haben und damit umzugehen. Das fühlte sich für mich am Anfang einfach komisch an, damit zu spielen.
prisma: Inwiefern komisch?
Laubisch: Ich weiß nicht ... – Ich glaube, es war mir ganz einfach fremd. Ich hatte zuvor noch kein Projekt, bei dem ich schießen sollte. Natürlich verwenden wir am Set keine echten Waffen, dennoch ist das ein seltsames Gefühl, wenn du weißt: Okay, da geht jetzt so eine physische Kraft weg. Das ist eine ganz besondere Verantwortung, der man gewachsen sein muss. Damit musste ich mich zuerst einmal beschäftigen: Was macht das körperlich mit mir? Und was macht das mit meinem Bewusstsein?
"Vielschichtigkeit des Berufs hat mich sehr beeindruckt"
prisma: Standen Sie im Vorfeld auch im direkten Austausch mit echten Polizistinnen und Polizisten?
Laubisch: Es gab anfänglich die Idee, dass ich ein Praktikum bei der Polizei absolviere. Das hat aus zeitlichen Gründen dann aber leider nicht geklappt. Ich habe dann ein, zwei Polizistinnen aus dem gehobenen Dienst vor allem über die Ausbildung Fragen gestellt. Das waren aber Leute, die in ihrem Beruf jetzt mit etwas ganz anderem zu tun haben.
prisma: Haben Sie dabei etwas erfahren, was Sie besonders überrascht hat?
Laubisch: Diese riesigen Unterschiede zwischen dem mittleren und dem gehobenen Dienst. Ein Anwärter erzählte mir, dass das zwei verschiedene Paar Schuhe sind: Die haben nichts miteinander zu tun, das ist eine andere Ausbildung. Im gehobenen Dienst ist die Ausbildung im Grunde eine Art Studium. Das ist dann ein recht intellektueller Beruf, in dem man viel am Schreibtisch sitzt, wohingegen man auf der Straße als Streifenpolizistin mit ganz anderen Sachen zu tun hat. Diese Vielschichtigkeit des Berufs hat mich schon sehr beeindruckt.
"Rechtsextremismus ist nicht immer nur ein Problem der anderen"
prisma: "Die Nichte des Polizisten" ist angelehnt an den Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007 mutmaßlich von NSU-Mitgliedern erschossen wurde. Sie selbst sind Jahrgang 1998. Wann und wie haben Sie zum ersten Mal von der damaligen Mordserie erfahren?
Laubisch: Die NSU-Morde, die damit einhergegangen sind, waren mir natürlich bewusst. Aber ihren Fall habe ich erst über das Drehbuch kennengelernt. Dann hab ich das Internet ausgesaugt und sehr viele Artikel gelesen.
prisma: Kiesewetters Kollege hat den Angriff schwer verletzt überlebt. War er an der Filmentwicklung beteiligt?
Laubisch: Nein, gar nicht.
prisma: Im Fall Kiesewetter ergaben sich Kontakte der Terrororganisation, die bis in die Polizei und gar den Verfassungsschutz reichen. Wenn man sich wie Sie so intensiv mit einem Fall beschäftigt, was macht das mit dem eigenen Vertrauen in die staatsschützenden Strukturen?
Laubisch: (überlegt) Es hat nichts mit meinem Sicherheitsempfinden gemacht, aber die Dimensionen des Falls finde ich mehr als erstaunlich. Viele Informationen sind seit sehr langer Zeit bekannt, aber es wird nicht darüber geredet.
prisma: Was würden Sie sich im Hinblick auf die Aufarbeitung wünschen?
Laubisch: Ich glaube, dass wir mit dem Film versuchen, das Bewusstsein zu animieren, kritisch in die eigenen Reihen und Strukturen zu gucken. Wir sollten im alltäglichen Miteinander mehr Sensibilität für rechte Themen haben. Denn wir alle können aktiver werden, uns selber an die Nase fassen und merken, dass Rechtsextremismus nicht immer nur ein Problem der anderen ist, sondern auch im eigenen Umfeld passiert.
"Es geht darum, demokratische Schutzinstanzen aufzubauen"
prisma: Der Film zeigt die allgemeinen Gefahren, denen sich Polizistinnen und Polizisten tagtäglich ausgesetzt sehen. Wo lauert Ihrer Meinung oder Erfahrung nach die größte Gefahr?
Laubisch: Dazu fragen Sie lieber eine richtige Polizistin, ich hab ja schließlich nur eine gespielt.
prisma: Das allgemeine Vertrauen in die Polizei wurde in den vergangenen Jahren immer mal wieder erschüttert. Was müsste geschehen, um das Vertrauen zu stärken und gleichzeitig die Polizistinnen und Polizisten besser zu schützen?
Laubisch: (überlegt) Ich glaube, es geht darum, demokratische Schutzinstanzen gegen alle Formen von Extremismus, Radikalismus, Sexismus und Rassismus aufzubauen. Das ist gerade in Zeiten wie diesen vor allem in staatlichen Instanzen und in unserem gesellschaftlichen Leben extrem wichtig.
"In Frankreich Fuß zu fassen und mehr Projekte zu drehen, wäre ein großer Wunsch"
prisma: Beim Münchner Filmfest im Juni waren Sie nicht nur mit "Die Nichte des Polizisten", sondern auch mit dem Kinofilm "Sechswochenamt" vertreten. Darin spielen Sie eine junge Frau, die in der Corona-Pandemie ihre Mutter verliert. Haben Sie düstere, dramatische Stoffe für sich entdeckt, oder wollen Sie zur Abwechslung auch mal wieder was Lustiges spielen?
Laubisch: Ich mag Drama sehr gern. Es ist nicht so, dass ich jetzt schon genug von dem Genre habe. Sowohl bei "Die Nichte des Polizisten" als auch bei "Sechswochenamt" gibt ja auch immer wieder leichte Momente. Aber eine Komödie wäre auch mal schön. Ich habe Lust auf vieles.
prisma: Haben Sie einen konkreten Wunsch für Ihre Karriere?
Laubisch: Hm, mal im Ausland zu drehen, wäre toll. In Frankreich Fuß zu fassen und mehr Projekte zu drehen, wäre ein großer Wunsch.
prisma: Sie haben zeitweise in Paris studiert. Wie unterscheidet sich das Leben als Schauspielerin und allgemein dort von dem hier?
Laubisch: Die Ausbildung dort ist schon anders. Ich war erstaunt, weil ich immer dachte, dass die Franzosen mit ihrer Sprache so penibel sind. Tatsächlich war es aber so, dass in der Schule verschiedene Dialekte gesprochen wurden. Eine einheitliche Theatersprache gibt es nicht. Stattdessen kommt jede und jeder mit ihren oder seinen eigenen Farben und der eigenen Stimme. Das fand ich im Theater auf jeden Fall viel pluralistischer. Auch das Studium an sich dauert insgesamt länger: Normalerweise besucht man zunächst eine kleinere Schauspielschule, bevor man dann an eine größere wechselt.
prisma: Das klingt, als hätten Sie Blut geleckt...
Laubisch: Auf jeden Fall! Ich durfte ja auch bereits einen Film in Frankreich drehen. Das ist schon nochmals eine ganz andere Herausforderung, in einer Fremdsprache zu drehen. Andererseits habe ich das aber auch als Freiheit empfunden, dadurch, dass ich da nicht zu viel über das Gesagte nachdenken kann. In der eignen Muttersprache zerbricht man sich dann manchmal unnötig den Kopf.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH