Nancy Faeser über Reichsbürger-Razzia: Eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an

Die Reichsbürger-Razzia stand am Mittwoch in der ARD-Talkshow "Maischberger" im Fokus der Diskussion. Innenministerin Nancy Faeser erklärte: "Was die Gruppe so gefährlich macht, ist ihr militärischer Arm".
Schwerpunkt der Sendung am Mittwochabend waren die Razzien in der Szene der Reichsbürger und Verschwörungsideologen, die zu einem der größten Anti-Terror-Einsätze in der Geschichte der Bundesrepublik zählen. Weitere Themen bei "Maischberger" waren der Fachkräftemangel und die Reform der Ampel-Koalition bei der Migrationspolitik, das frühzeitige Aus der DFB-Elf in Katar und ob die Diskussion um die One-Love-Armbinde die Nationalmannschaft geschwächt habe sowie der Welt-Natur-Gipfel in Kanada.
Zu Gast bei Sandra Maischberger waren Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Biologe Johannes Vogel und der Polarexperte Arved Fuchs. Kommentiert wurden die Themen durch die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios Tina Hassels, den Moderator Micky Beisenherz und die Politikredakteurin bei Zeit Online Hannah Bethke.
Umsturzpläne und Fantasien den Reichstag zu stürmen, Attentate auf die Energierversorgung, um so bürgerkriegsähnliche Zustände zu erzeugen: Die Gruppe, die jetzt ins Fadenkreuz der Behörden gekommen ist, scheint seit einem Jahr gegründet gewesen zu sein. "Ein Grund für das jetzige Einschreiten ist auch, dass die Gruppe wie in einem Schneeballsystem sehr schnell Mitglieder angeworben hat", sagte Tina Hassels. Ob man wissen konnte, dass die Gruppe gefährlicher sei "als ein paar Spinner", wollte Maischberger von Moderator Micky Beisenherz wissen. Der vertrat die Auffassung, dass es sich "schon um Spinner" handelte, aber "eben gefährliche Spinner".
Die Pläne der Gruppe seien konkret gewesen. Es habe einen "Rat" gegeben, in dem bereits einzelne Ressorts vergeben wurden, sollte der Umsturz gelingen. "Was die Gruppe so gefährlich mach, ist ihr militärischer Arm", sagte Innenministerin Nancy Faeser.
Sandra Maischberger verwies darauf, dass es nicht das erste Mal sei, das bestimmte Teile von Bundeswehr und Polizei im Verdacht stehen, Teil rechtsradikaler Chatgruppen zu sein oder sich mit Waffen einzudecken. Faeser erklärte dazu, dass sie diese Gefahr zukünftig durch die Veränderung des Disziplinarrechts schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen möchte.
Verschwörungsideologien seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Einen Zusammenhang sieht Faeser hier auch zur Corona-Pandemie. Die Diskussionen um eine Corona-Impfpflicht hätten auch Menschen radikalisiert, die nicht aus dem klassischen rechtsextremistischen Milieu stammen. Die gemeinsame Vorstellung sei hier das Vorgehen gegen den Staat gewesen. Der Spuk sei mit dieser Aktion aber noch nicht vorbei. Die eigentliche Arbeit fange jetzt an: Handys müssen ausgewertet werden und es müsse auch geschaut werden, was die vollstreckten Haftbefehle und Durchsuchungen für Ergebnisse bringen würden.
Nacy Faeser und die One-Love-Binde
Nancy Faesers Pläne für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht waren auch Thema. Fachkräften soll zukünftig die Einwanderung erleichtert werden. Zuspruch gibt es dafür aus der Wirtschaft, die schon jetzt einen Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel beklagt. Der Plan sei, die Gesetze zu verändern und so das modernste Einwanderungsrecht Europas zu ermöglichen. Nach kanadischem Vorbild soll es ein Punktesystem geben. Neben der Qualifikation, hoher Integrationsleistung soll auch die Anknüpfung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eine Rolle spielen.
Hitzig diskutiert wurde auch das frühe Ausscheiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Katar und die damit einhergehende Diskussion um die One-Love-Armbinde, deren Tragen die Fifa kurzfristig untersagt hatte. Nancy Faeser betonte, dass Sportler keine Politiker seien. Dass sie selbst die Armbinde beim ersten Spiel der National-Elf auf der Tribüne in Katar getragen hatte, wollte sie als Zeichen gegen die Fifa und nicht als Zeichen gegen Katar verstanden sehen. Das ließ Hannah Bethke nicht gelten: "Wenn die Innenministerin mit dieser Armbinde auftritt und glaubt, das sei ein nachhaltiges Zeichen von politischem Protest, finde ich das ein bisschen naiv."
Vor dem Hintergrund des jetzt zustande gekommenen Gas-Deals mit Katar, wollte Hassels wissen, warum Katar gut genug sei, um Gas zu liefern, aber nicht um eine WM auszutragen. Das Tragen der Armebinde sei damit eine Überbewertung von Symbolpolitik, die nichts ausrichtet, erklärte Tina Hassels.
"Covid war eine milde Pandemie in Bezug auf das, was die Natur für uns bereithält"
Im kanadischen Montreal läuft seit Mittwoch die UN-Weltnaturkonferenz. Verhandelt wird ein neues Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt, um das Artensterben und den Verlust von Ökosystemen bis 2023 aufzuhalten. Die Dringlichkeit eines solchen Abkommens wurde durch die Schilderungen des Polarexperten Arved Fuchs deutlich. So habe sich die Seewassertemperatur in Grönland bereits zu den erwarteten Temperaturen verdoppelt. Das habe dramatische Auswirkungen auf Fischpopulationen, die teilweise schon auf Zehntel Grad Unterschiede reagierten und dann wegzögen. "Es bringt halt alles durcheinander", sagte Fuchs. "Ich möchte den Menschen vermitteln, was wir im Begriff sind zu verlieren. Diese Ästhetik der Landschaft und die Artenvielfalt im arktischen Raum und auch das Packeis. Das ist kein Schifffahrtshindernis, sondern Lebensraum."
Der Biologe und Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin Johannes Vogel erklärte, dass es uns Menschen relativ gut gehe. "Wir leben von und mit der Natur, aber wir haben dem Ganzen den Krieg erklärt", sagte Vogel. Der Natur sei es vollkommen egal, ob eine Art ausstirbt oder nicht. "Es geht hier darum, ob wir als Menschen überleben oder nicht. Und darum müssen wir uns kümmern", so der Biologe. Am Beispiel der Fledermaus und der Corona-Pandemie zeigte Vogel wie wichtig der Erhalt von Lebensräumen ist. Der Klimawandel und die steigende Weltbevölkerung sorgten für einen vermehrten Kontakt zwischen Menschen und Fledermäusen. "Das ist gefährlich. Covid war eine milde Pandemie in Bezug auf das, was die Natur für uns bereithält", sagte dr Biologe.
Den Ergebnissen der Weltnaturkonferenz sehen die Experten aber pessimistisch entgegen. In Japan habe man sich 2010 auf 20 Ziele geeinigt, "von denen kein einziges umgesetzt worden ist", sagte Vogel. "In zehn Jahren werden wir sagen, dass die Weltnaturkonferenz nichts gebracht hat."