Film im ZDF

"Nestwochen": Schichtwechsel am Tulpenweg 6d

von Wilfried Geldner

Was tun nach der Trennung? In dem Film "Nestwochen" bleiben die Kinder im Familienhaus wohnen, die Eltern wechseln sich bei der Kindesbetreuung ab. Ob das gutgehen kann?

ZDF
Nestwochen
Komödie • 19.08.2021 • 20:15 Uhr

Daran, dass es zwischen den Eheleuten Julia und Robert nicht mehr funktioniert, lässt die etwas andere Familienkomödie "Nestwochen" (Regie: Tobias Baumann) keinen Zweifel. Ringsum küssende Paare beim Italiener, aber die zwei haben sich "nichts mehr zu sagen", wie Julia bald betont. Da ist Robert schon mit dem Tretroller davongetürmt, Julia versucht ihn davon zu überzeugen, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann. 16 Jahre haben sie zusammengelebt, zwei drollige Kinder, zwölf und sieben, haben sie und Robert (Matthias Koeberlin), der Schreiner ist, hat ein tolles Haus für sie gebaut. Das will er nun samt Julia (Bettina Lamprecht, "Bettys Diagnose") und den Kindern keinesfalls verlassen.

Das Modell eines "Nestversuchs" nach der Trennung, neudeutsch auch schrecklicherweise "Nesting" genannt, soll Rettung bringen. Weitermachen, den Status quo bewahren, das ist Roberts Plan, den Julia nicht ohne Weiteres durchschaut. Den Zuschauern aber wird's vom Autor Stefan Betz, der unter anderem die Drehbücher der Eberhoferfilme "Schweinskopf al dente" oder "Leberkäsjunkie" schrieb, auf dem Tapet serviert. Zudem stehen gleich neue Partner an jeder Ecke bereit – sei es für Ärztin Julia im OP-Saal in Gestalt des Operateurs Sascha (Tom Beck), sei es für Robert im Streifenwagen, mit dem die adrette Polizistin Nina (Karen Dahmen) vor das Familiendomizil fordernd rollt.

Es geht hoch her am Tulpenweg 6d, die Kinder sind keineswegs mit der zunächst verheimlichten Elterntrennung einverstanden und tun dies auch mit Selbstbewusstsein kund. Hausarbeiten wie Aufräumen, Saugen, Abwasch bleiben beim wöchentlichen Eltern-Schichtwechsel an Robert kleben. Julia, die Ärztin, hat sich zu einem zusätzlichen Psychologiestudium entschlossen und bittet hierfür ihre beste Freundin Flo (Jasmin Schwiers) ins Haus. Flo macht Julia allerdings weniger für die Psychologieprüfung als für gemeinsame Trinkereien und mögliche Männer locker.

Das alles hätte ganz gut das Zeug zu einer saftigen Slapstick-Komödie, zumal mit Hedi Kriegeskotte auch noch eine strenge Alternativmutter und Ex-Atomkraftgegnerin in Erscheinug tritt, die ihrem braven Hausbau-Söhnchen zum Vorbild gereichen will. Dazu ist dieses "Nest-Ding", wie es mitunter heißt, dann aber vom Sujet her doch zu traurig. Unsereiner ist jedenfalls dankbar, dass Matthias Koeberlin so wunderbar hilflos den engstirnigen Familienvater gibt – der weiß zwischen den Weintrinkerinnen und den aufbegehrenden Kindern nun wirklich nicht mehr aus noch ein.

So sind die schönsten Momente die wiederkehrenden stummen Schichtwechselszenen, weil die so ganz ohne Selbsterklärungen auskommen, allerdings wird auf der Tonspur ausgiebig in die Schlagerkiste vergangener Jahrzehnte gegriffen. Das alles steuert auf die Schulaufführung eines Umweltmusicals hin, bei dem die Kinder Marie und Maxi als Baum und Biene ("mit Glyphosat-Vergiftung") glänzen. Während die Kinder Biene spielen, geraten sich die eiferüchtigen Eltern mit ihren neuen Partnern in die Haare. Endlich Slapstick in der "Gesamtschule am Droste-Hülshoff-Weg", wie der Polizeifunk vermeldet.

Wer nun aber wirklich wissen will, ob sich das romantische "Nestmodell" mit den aus- und einfliegenden Vogel-Eltern empfiehlt, der sei durch Roberts besten Freund Enzo (Denis Moschitto) gewarnt: Das italienische Ehevorbild ging schief. "Sie ist auf ihn mit der Axt losgegangen", weiß der Freund zu berichten. Von solcher Dramatik oder wenigstens Tragikomik ist unsere brave TV-Komödie allerdings weit entfernt. Sie hat sogar ein schönes Happyend, wenn auch eins auf befristete Zeit.

Nestwochen – Do. 19.08. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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