Film im Ersten

"Ramstein – Das durchstoßene Herz": das Leid der Hinterbliebenen

26.10.2022, 08.11 Uhr
von Eric Leimann

Bei der Flugschau-Katastrophe von Ramstein kamen 70 Menschen ums Leben. Nun widmet sich ein Spielfilm dem Thema, der den Fokus auf die Hinterbliebenen legt.

ARD
Ramstein – Das durchstoßene Herz
Drama • 26.10.2022 • 20:30 Uhr

Dass "Ramstein – Das durchstoßene Herz" wenig Raum für Helden bietet, merkt man bereits der Auswahl der Rollen und des Plots dieses SWR-Fernsehfilms an. Der Film wird nicht chronologisch, sondern es werden mosaikhaft einzelne Geschichten erzählt. Trystan Pütter und Elisa Schlott verkörpern zwei Ermittler, die versuchen, in Gesprächen mit den für die Flugschau Verantwortlichen Details und mögliche Fehler zu klären. Jan Krauter spielt einen Notarzt, der die Opfer behandelt. Der Rest des Ensembles sind Opfer und Hinterbliebene: Robert Müller (Max Hubacher) etwa, der seine Frau und die beiden kleinen Kinder bei der Flugschau verliert. Der Geburtstag des kleinen Sohns sollte auf der Air Base gefeiert werden. Oder Dorothee Kleiber (Alina Stiegler), die nach dem Unglück wie in Trance zwischen verschiedenen Krankenhäusern pendelt. Drei Brandverletzte, ihre beiden Brüder und der Vater, liegen in den Hospitälern. Als einer der Brüder und der Vater sterben, muss Dorothee aus medizinischen Gründen dem schwer angeschlagenen überlebenden Bruder vorspielen, mit den anderen beiden wäre alles in Ordnung.

Am Sonntag, 28. August 1988, kommen im pfälzischen Ramstein 70 Menschen auf der US Air Base während einer Flugschau ums Leben, als eine italienische Kunstflugstaffel nur 50 Metern über den Zuschauern zusammenstößt. Hunderte werden verletzt, viele von ihnen schwer. Wer sich an diese Zeit erinnern kann, weiß: Flug-Shows, zu jener Zeit durchaus populär, wurden erst mal verboten. So lange, bis auch diese Form des kerosingetränkten Volksfestes irgendwann wieder auflebte.

Es wurden Fehler gemacht

Erst nach und nach kam heraus: In Ramstein wurden viele Fehler gemacht. Nicht nur der Zuschauer-Abstand zu den Flugtricks war viel zu gering, auch die Rettungsmaßnahmen nach dem Unglück verliefen chaotisch und wenig koordiniert. Es gab schlichtweg keinen Präzedenzfall, kein Regelwerk, wie man bei einem Massenunglück mit unzähligen schwer Brandverletzten vorzugehen hatte. US Army, deutsche Behörden, Politik und Einsatzkräfte gaben sich lange schmallippig, wenn es um die eigene Schuld, das eigene Versagen in Ramstein ging.

Dass der im kollektiven deutschen Gedächtnis verankerte Fall einen reizvollen Filmstoff abgeben würde, liegt auf der Hand. RTL wollte bereits Ende der 90-er zur Tat schreiten, doch das Projekt wurde eingestampft. Ebenso wie aus den Versuchen anderer Kreativer. Über die Gründe kann man spekulieren: zu teuer in der Realisation, zu trist die Geschichte, kaum Helden – dafür aber unendliches Leid, von dem erzählt werden muss.

Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt ("Die Toten von Marnow", "Gladbeck"), ein hochdekorierter Spezialist für politische Thrillerstoffe, war schon an früheren Adaptionsversuchen beteiligt – aus denen wie gesagt nichts wurde. Nun schafft es sein Herzensprojekt doch noch auf den Fernsehbildschirm: "Ramstein – Das durchstoßene Herz" entscheidet sich für einen genauen, ja fast meditativen Blick auf die Hinterbliebenen der Katastrophe. Ihre Geschichten, auch die lang anhaltenden posttraumatischen Belastungsstörungen nebst der Kraft einer Selbsthilfegruppe stellt der Film in den Mittelpunkt.

Die Selbsthilfegruppe aus em Film gibt es wirklich

Es ist tatsächlich ein Kraftakt, den man hier wegen der langen, ruhigen Gesprächsszenen unter der genau hinschauenden Regie von Kai Wessel ("Tatort: Saras Geständnis") leisten muss. Auch die im Film porträtierte Selbsthilfegruppe gibt es wirklich. Ein Psychotherapeuten-Ehepaar kümmerte sich intensiv um die Betreuung der Opfer, als es in Deutschland kaum Wissen und Therapiekonzepte für langzeittraumatisierte Patienten gab.

Insgesamt ist diese SWR-Meditation über menschliches Leid durchaus geglückt. Sie wirft Zuschauende auf existenzielle Fragen des Lebens zurück: Was bleibt, wenn alles anders ist? Wie können wir uns nach schwersten Schicksalsschlägen selbst helfen und helfen lassen? Im Anschluss an den Spielfilm erzählt "Ramstein – Die Doku" um 21.45 Uhr dann noch die echte Katastrophe und zeigt dabei auch einige jener Menschen, deren Schicksal Vorbild für den Fiction-Stoff waren.

Ramstein – Das durchstoßene Herz – Mi. 26.10. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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