ZDFinfo-Doku

Billy Graham: Star-Prediger und Präsidentenflüsterer

In den USA war Prediger Billy Graham fast so etwas wie ein Popstar. Und sein Einfluss auf die Politik immens groß. Eine Dokumentation bei ZDFinfo erzählt nun seine Lebensgeschichte.

Sie nannten ihn das "Maschinengewehr Gottes": Kaum ein anderer Prediger hat die christliche Bevölkerung in den USA derart geprägt wie Billy Graham. Doch nicht nur dort: Auch in Europa füllte der charismatische Diener Gottes ganze Stadien und wurde von gläubigen Christen wie ein Rockstar gefeiert. Die französische Filmemacherin Audrey Lasbleiz hat sich mit dem politischen Wirken des Evangelikalen beschäftigt. Ihr Dokumentarfilm zeichnet das höchst ambivalente Bild eines Mannes, der Homosexualität und Abtreibung ablehnte, der den Krieg befürwortete und gleichzeitig für den Frieden warb: "Star-Prediger und Präsidentenflüsterer – Billy Graham und die amerikanische Politik" ist am Mittwoch, 11. August, um 20.15 Uhr bei ZDFinfo zu sehen. Am selben Tag steht der Film zudem in der ZDFmediathek zum Abruf bereit.

Es sind aufschlussreiche Bilder, die viel über die Person des Predigers, aber auch das Denken der US-amerikanischen Gesellschaft und ihre Geschichte vermitteln. Denn: "Wer die Geschichte von Billy Graham betrachtet", so heißt es gleich zu Beginn, "erfährt viel über Amerika. Sein Werdegang gleicht dem amerikanischen Traum."

Billy Graham wurde am 7. November 1918 als Bauernsohn im sogenannten "Bible Belt" geboren, einer vom christlichen Traditionalismus geprägten Region in den Südstaaten der USA. Seine Eltern waren Anhänger des Presbyterianismus, doch schon 1934 konvertierte der gerade einmal 15-jährige Graham in einem sogenannten "Erweckungszelt" zum Baptismus. Von da an ging es steil bergauf: Bereits 1944 gründete Graham die Jugendorganisation "Youth for Christ". Sechs Jahre später folgte die "Billy Graham Evangelistic Association", ein Missionswerk mit enormer Medien- und Finanzkraft, das zahlreiche Bücher, Magazine und Filme veröffentlichte.

"Er entsprach nicht dem altmodischen Bild des evangelikalen Predigers aus dem 19. Jahrhundert", erklärt der Politikwissenschaftler Dr. Denis Lacorne: "Im Gegenteil: Er war cool, ließ sich nicht mitreißen und war gut gekleidet, ganz wie ein Hollywoodstar." So kommt es, dass die zahlreichen Archivaufnahmen von seinen Tourneen in vollen Stadien auch eher popkulturellen Veranstaltungen denn christlichen Gottesdiensten gleichen. Seine bestimmte und direkte Sprache ist aus heutiger, westeuropäischer Sicht fast ein wenig befremdlich: "In seiner Botschaft gibt es kein Grau", erklärt der Journalist Éric Denimal: "Es ist entweder weiß oder schwarz, gut oder böse. Es ist das Leben oder der Tod."

Es ist diese unerschütterliche Einstellung, die Graham während des Kalten Krieges zugutekam, wusste er die Angst der Menschen vor dem Kommunismus und einer nuklearen Apokalypse doch geschickt für seine Zwecke zu nutzen. Durch seine große Popularität wurde Graham zu einem wichtigen Verbündeten der US-amerikanischen Politik: Er soll den späteren 34. Präsidenten der USA, General Dwight D. Eisenhower, zu seiner Kandidatur bewogen haben. Später entwickelten sie eine enge Beziehung: "Graham war in Amerika ungewöhnlich nah an der Macht", erklärt der Historiker Dr. Stephen Whitfield: "Jeder US-Präsident wollte eine Beziehung zu ihm unterhalten, weil er so großen Einfluss auf die protestantischen Massen hatte."

Als mit John F. Kennedy 1960 erstmals ein Katholik um das Amt der Präsidenten kandidierte, reagierte Graham zunächst abweisend, aus Angst, der Vatikan bekäme so Macht über das Weiße Haus. Nach Kennedys Wahl im Jahr 1961 arbeiteten jedoch auch sie intensiv zusammen. Neun weitere Präsidenten sollten bis zu Grahams Tod im Jahr 2018 folgen.

Doch nicht immer wurde der große Einfluss von Billy Graham in die US-Politik gern gesehen: "Im Vietnamkrieg gehörte Graham zu den Kriegsbefürwortern", erklärt der Historiker Dr. Sébastien Fath. Doch als die amerikanische Zivilgesellschaft gegen die Bilder der rohen Gewalt protestierte, lenkte auch Graham ein. Ausschlaggebend war sicher auch sein eigener Sohn Franklin, der sich für die Bewegung der Jesus-People engagierte.

Schnelldurchlauf durch die US-amerikanische Geschichte

Als die Watergate-Affäre 1972 den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon zum Rücktritt zwang, zog sich auch Graham vorübergehend aus der Politik zurück. Stattdessen konzentrierte er sich fortan auf seine Hauptaufgabe: die Evangelisierung der Bevölkerung. Und doch hat Graham seinen Einfluss in der US-amerikanischen Politik nie ganz verloren: Dies zeigt sein Einsatz gegen die Operation "Star Wars" am Ende des Kalten Krieges ebenso wie sein Auftritt im Weißen Haus 1991: "In der Nacht, in der Präsident Bush grünes Licht für die Bombardierung des Irak gab, lud er Billy Graham ins Weiße Haus zu einem Gebet ein: "Er betete für einen kurzen Krieg mit wenigen Opfern, aber er hat den Krieg klar befürwortet", erklärt der Religionshistoriker Dr. Grant Wacker und fügt hinzu: "Er wusste, dass er beim Gebet fotografiert wird, und hat damit offen dieses Vorgehen unterstützt."

Es sind Momente wie dieser, welche aus heutiger Sicht überraschen: Es schockiert durchaus, wie viel politischen Einfluss ein geistlicher Prediger wie Billy Graham selbst in einer aufgeklärten, westlichen Welt haben konnte. Welche Macht könnte ein Billy Graham mit anderen Botschaften wohl in Zukunft, in einer von Terroranschlägen und Umweltkatastrophen geprägten Welt erlangen?

Gleichzeitig wirkt die Doku von Audrey Lasbleiz an vielen Stellen auch wie ein Schnelldurchlauf durch die US-amerikanische Geschichte, werden doch viele Meilensteine aus Grahams Biografie mit wichtigen weltgeschichtlichen und gesellschaftlichen Ereignissen wie dem Ende der Rassentrennung in den 1960er-Jahren oder dem Angriff auf das World Trade Center 2001 verknüpft. Beides zusammen macht "Star-Prediger und Präsidentenflüsterer – Billy Graham und die amerikanische Politik" zu einem sehenswerten Film.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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