ARD-Film

Tatort: Inferno: Im Feuer gibt es kein Durchatmen

von Jasmin Herzog

Hemmungslos überdreht, ungeheuer intensiv: Trauma-Patient Kommissar Faber erreichte im Dortmunder "Tatort: Inferno" 2019 einen aufsehenerregenden Fluchtpunkt seines Leidenswegs. Nun wiederholt das Erste diese Tour-de-Force.

ARD
Tatort: Inferno
Kriminalfilm • 08.08.2021 • 20:15 Uhr

Heikle Themen, streitende Ermittler, immer wieder Ab- und Neuzugänge: Im Dortmunder "Tatort" geht es bisweilen wild und chaotisch zu. Und das im allerpositivsten Sinne, schließlich gehören die Fälle aus dem Pott zum besten, was die Krimireihe zu bieten hat. Auch wenn man zwischen Aylin Tezels Abschied als Nora Dalay im Dominik-Graf-Kracher "In der Familie" (2020) und dem Start der neuen Kommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) im bislang letzten Krimi "Heile Welt" (2021) manchmal den Überblick zu verlieren schien. Sogar Faber (Jörg Hartmann) tauschte seinen Saab in der aktuellsten Folge gegen einen Opel Manta.

"Tatort: Inferno: Wiederholung aus dem Jahr 2019

Eine Konstante der Reihe bleibt aber immerhin des Kommissars fantastische Gereiztheit. Einen Höhepunkt erreichten die Qualen des traumageprägten Ermittlers 2019 im "Tatort: Inferno". Seinem Titel erwies der Krimi, den das Erste nun wiederholt, jedenfalls alle Ehre. Der alte Operationstrakt des Klinikums, 2012 stillgelegt, bot eine ziemlich eindrucksvolle Kulisse für eine Geschichte, die inhaltlich und stilistisch in Grenzbereiche vordringt. Unter gleißendem Neonlicht und zwischen grünen Kachelwänden ist der Wahnsinn des Mikrokosmos Krankenhaus mit Händen zu greifen. Eine Internistin wurde in einem Ruheraum tot aufgefunden. Erstickt unter einer Plastiktüte.

Für Kommissar Faber geht der Einsatz schon mal gut los. Als er mit Sechs-Tage-Bart und Parka nach dem passenden Eingang sucht, nehmen ihn zwei Sanitäter ins Gebet: "Wenn Sie Hilfe brauchen, gehen Sie bitte rein!" Offenbar haben sie den Kriminalbeamten für einen Obdachlosen oder Drogensüchtigen gehalten. Ganz falsch, das weiß man, liegt man mit so einer Einschätzung ja nicht.

Fabers Seelenexorzismus

Geholfen wird dem Kommissar dann wirklich. Zumindest entwickelt sich der Klinik-Aufenthalt für den traumatisierten Polizisten, der Frau und Kind verlor, zu einer Art Seelenexorzismus. Der Stationsleiter Dr. Norstädter (Alex Brendemühl) liest ihm scheinbar von der Stirn ab, dass er unter Schlaflosigkeit leidet und Antidepressiva nimmt. Der eine Kranke erkennt den anderen. Klinikärzte und Kriminalpolizisten, so legt der Film nahe, bilden verwandte Milieus. Beide haben von Berufswegen nahe an Burnout und Drogenmissbrauch gebaut. Eine Schicksalsgemeinschaft der Selbstaufopferer.

Schlagwortdebatten zum Thema Gesundheitswesen lässt Markus Buschs Drehbuch dankenswerterweise außen vor. Vielmehr entwicklelt der Film unter zupackender Regie von Richard Huber eine stringente Albtraumstruktur, der man sich schwer entziehen kann. Die Kommissarinnen Bönisch (Anna Schudt) und Dalay (Aylin Tezel in ihrem drittletzten "Tatort") machen verstörende Experimente mit Plastiktüten. Und Faber, scheinbar am Fluchtpunkt seines Leidenswegs angekommen, fahndet auf einem faltbaren Stadtplan nach dem Ort, den er in seinen Albträumen aufsucht. Welch ein trauriges und poetisches Sinnbild.

Hemmungslos überdreht ist dieser Klinikspuk ohne Frage, aber eben auch filmisch und atmosphärisch von hoher Intensität. Und er kulminiert in ein Psycho-Finale, wie es der ARD-Sonntagskrimi zuvor – und bis heute nicht – nicht gesehen hatte. Nennen wir es ruhig ein "Inferno". Seinem steilen Titel wird dieser außergewöhnliche "Tatort" ganz zweifellos gerecht. Ob das auch für die kommenden Dortmunder "Tatort"-Folgen gilt? Noch 2021 soll der nächste Krimi unter dem Titel "Marionetten" gezeigt werden, für die erste Jahreshälfte 2022 ist "Gier und Angst" geplant.

Tatort: Inferno – So. 08.08. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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