Zehn Jahre nach der Vorgeschichte

"True Detective" mit Jodie Foster: Dämonen der Dunkelheit

15.02.2024, 16.45 Uhr
von Eric Leimann

Zehn Jahre nach der TV-Geschichte schreibenden ersten "True Detective"-Erzählung kommt nach langer Pause Staffel vier mit Jodie Foster als Ermittlerin in der ewigen Winternacht Alaskas. Eine Gruppe Forscher ist ums Leben gekommen – auf düstere, ja bizarre Weise.

Selten begann eine Serie stimmungsvoller als der Auftakt zu Staffel vier der legendären Anthology-Kriminalerzählung "True Detective", die diesmal den Zusatztitel "Night Country" trägt: Man wird Augenzeuge des Sonnenuntergangs in einer weitläufigen Eislandschaft. Zur Stille der Bilder, die nur das Pfeifen des Windes untermalt, erklärt eine Texttafel: "17. Dezember, 150 Meilen nördlich des Polarkreises, letzter Sonnenuntergang des Jahres."

Tatsächlich regiert danach die Dunkelheit in der fiktiven Alaska-Gemeinde Ennis. Man kann sich also auf eine in mehrerlei Hinsicht dunkle Serie einstellen. In dieser bekommt es die lokale Polizeichefin Elizabeth Danvers (Jodie Foster in ihrer ersten Serienrolle seit den 70-ern) mit dem bizarren Tod einer Gruppe Forscher zu tun, die zurückgezogen im Permafrost an komplexen Fragen arbeiteten. Unterstützt wird die alleinerziehende Stiefmutter der 17-jährigen Indigenen Leah (Isabella Star Lablanc) von ihrer Kollegin Evangeline Navarro (Kali Reis). Deren Mutter war ebenfalls eine gebürtige Inuit-Frau aus der Gegend. Über sechs Folgen mit einer Lauflänge von etwa einer Stunde müssen sich die beiden Einzelgängerinnen mit reichlich Trauma-Backstory erst mal zusammenraufen – und dann in eine "True Detective"-typische Welt aus komplexen Ermittlungen in einer mythenbeladenen, psychisch abgründigen Welt eintauchen.

Parallel zum US-Start erscheint ab 15. Januar pro Woche eine neue Folge montags auf Abruf bei Sky und Wow. Sechs Jahre nach der bis dato letzten Staffel mit Mahershala Ali als Detective in den Ozark-Bergen stehen nun zum ersten Mal Schnee, Dunkelheit und ein rein weibliches Ermittlerinnen-Duo im Mittelpunkt des HBO-Edelkrimis.

In jeder Staffel wird eine neue Geschichte mit völlig neuem Cast erzählt. Ihren legendären Ruf erwarb sich die Serie von Schöpfer Nic Pizzolatto durch Staffel eins mit dem furiosen Duo Matthew McConaughey und Woody Harrelson. Die in den Südstaaten angesiedelte Ur-Serie verband einen grandios komplexen Kriminalfall mit Schauspiel wie vom anderen Stern und Dialogen zwischen existenzialistischem Philosophie-Seminar, Voodoo und Redneck-Trash-Talk der bald folgenden Trump-Jahre. Das Paket war so überwältigend, dass sich dieser perfekten US-Adaption einer Scandic Noir-Krimiwelt fast niemand entziehen konnte.

"Übersinnlichste" True Detective-Staffel bisher

In Staffel vier hat Schöpfer Pizzolatto, der nur noch als Produzent im Hintergrund werkelt, erstmals die Drehbuchverantwortung abgegeben. Geschrieben und in Teilen inszeniert hat die Alaska-Staffel die mexikanische Filmemacherin Issa López. Die ist zwar eher ein Geheimtipp, aber ein hochdekorierter. Für ihre klugen Horror- und Fantasystoffe hat die Frau aus Mexico City international sackweise Preise abgeräumt. Ihr Film "Vuelven" (2017) gewann auf Filmfestivals rund um den Globus rekordverdächtige 51 Preise. López' Verortung im übersinnlichen Genre merkt man der neuen "True Detective"-Staffel, die übrigens vor allem in Island gedreht wurde, an. Nie zuvor arbeitete "True Detective" so stark mit dem Metaphysischen. In Plotwendungen und Visionen der Serie spiegelt sich allerdings auch die indigene Kultur der Ur-Bevölkerung Alaskas wider, die durchaus Raum und etliche Charaktere erhält.

Im Gegensatz zur Geisterwelt des ewigen Eises stellt sich in der Serie die US-Kultur mit Minenarbeitern, Neonbars und natürlich der "Alaska Police" entgegen. Das funktioniert auf Bilder- und Sountrack-Ebene prächtig – die stimmungsvollen Songs und Sounds des britischen Komponisten Vince Pope sind ein Highlight. Auf der Plot-Ebene ist López die Serie vielleicht ein wenig zu routiniert geraten. Jodie Foster, die unlängst im Langstrecken-Schwimmerinnen-Biopic "Nyad" bei Netflix ein starkes Schauspiel-Comeback hinlegte, überzeugt jedoch als bärbeißige Ermittlerin, der es schwerfällt, ihren weichen Kern zu offenbaren. Ihre Partnerin, Schauspiel-Newcomerin Kali Reis, eine ehemalige Box-Weltmeisterin (!), macht ihre Sache ebenfalls gut. Vielleicht hätten der lange Zeit unergründlichen Handlung ein paar Thriller- und Horror-Allgemeinplätzen weniger gutgetan, aber gerade Horror- und Thriller-Genrefans werden auf ihre Kosten kommen. Insgesamt ist "True Detective" auch in Staffel vier immer noch besser und anspruchsvoller als das meiste, was sonst in der Fernseh- und Streamingwelt an Krimiware geboten wird.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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