Wer zehn Jahre früher Kaplans "Wut im Bauch" gesehen hat, war schon von seiner thematischen Konsequenz überzeugt. Der Film spielt in einer kalifornischen Trabantenstadt, einem der kalten, lieblosen Ungetüme aus Beton und Glas, wie sie sich allerorts um die Großstädte herum auftürmen. Hier funktioniert der Alltag in modern eingerichteten Kauf- und Wohnzentren zwar perfekt, doch für Unterhaltung und Freizeit ist kein Platz. Es fehlen Spiel- und Sportplätze; an die Menschen, vor allem an die Jugend, wird offensichtlich nicht gedacht. Als einzigen Treffpunkt für Jugendliche muß eine schäbige Baracke mit einer Sozialarbeiterin, Flippern und Billardtischen herhalten. In dieser trostlosen Welt laden sich die Aggressionen auf. Eines Tages bekommt der kinder- und jugendfeindliche Ortspolizist Doberman die aufgestaute Wut zu spüren: Ein paar Luftgewehrkugeln prallen gegen seinen Straßenkreuzer. Er schnappt sich die Nächstbesten, versucht zwei unschuldige Jungen zur Schnecke zu machen: Carl und Ritchie, beide 15. Dobermans Brutalität macht sie immer streitsüchtiger. Als ein Jugendlicher mit ein paar Gramm Haschisch verhaftet wird, kommt es zur Eskalation der Gewalt. Bei dem folgenden Durcheinander wird der flüchtige Ritchie von Doberman erschossen; nun beginnt unter Carls Führung geradezu ein Bürgerkrieg gegen die Erwachsenenwelt.
Während die Bürger der Stadt sich zu einer Besprechung ins Schulgebäude zurückziehen, sperren die Jugendlichen sie ein. Autos werden in Brand gesteckt, das Schulgebäude wird verwüstet. Das Fazit: Ein riesiger Scherbenhaufen, ein toter Polizeichef; und während man die Jugendlichen abführt, geht ihren Eltern wohl zum erstenmal ein Licht auf. Leider hat Kaplan allzuviel Klischees gestapelt, Böse und Gute undifferenziert nebeneinandergestellt. Dagegen ist "Natty Ganns Reise ins Abenteuer" von 1985 die abenteuerliche Reise einer 14-jährigen von Chicago nach Seattle. Elegisches Kino zwischen Emotionsrührstück und Melodram, das Kaplans persönliche Handschrift trägt.
Nach Abschluß der High School studiert Kaplan zuerst an der Universität Chicago, dann in New York und schließlich an der New World Pictures Roger Corman Postgraduate School of Filmmaking in Hollywood. Seine berufliche Karriere beginnt 1969/71 als technischer Mitarbeiter bei Bill Grahams Filmore East in New York, doch bereits Anfang der 70er Jahre fällt er als Autor und Regisseur auf. Sein Spezialgebiet ist Erzählkino mit gesellschaftspolitischer Thematik. Nach dem Erfolg mit "Angeklagt" dreht er 1991 "Love Field", die Geschichte der naiven texanischen Hausfrau Lurane (Michelle Pfeiffer). Sie hat den blinden Glauben an den amerikanischen Traum und hegt eine abgöttische Verehrung für Präsident Kennedy. Als sie das Grab des toten Präsidenten aufsucht, begegnet sie einem Schwarzen, in den sie sich verliebt. Und jetzt erkennt sie, was Haß, Mißgunst und Rassismus bedeuten.
"Fatale Begierde" entsteht 1991 und erzählt die simple Geschichte eines Einbruchs mit seinen Folgen. Mit Darstellern wie Ray Liotta, Madeleine Stowe und Kurt Russell entstand ein nur zeitweise packender Thriller. "Bad Girls" schließlich von 1994 ist in Anlehnung an "Thelma & Louise" ein Film über starke Frauen, ein Western, in dem vier Prostituierte nach einer Notwehraktion wie Verbrecherinnen gehetzt werden. Der Film zeigt sie nicht als böse, sondern als Opfer der Umstände.
Weitere Filme von Jonathan Kaplan: "Chicago Poker" (1974), "Straße der Gewalt" (1975), "Mister Billion" (1976), "Das elfte Opfer" (1979), "Ein Räuber mit Herz" (1981"), "Operation Osaka" (1983), "...und wenn der letzte Reifen platzt" (1983), "Projekt X" (1986), "Auf Bewährung" (1994), "Kaltblütig" (1996), "Brokedown Palace" (1998).