Die Autorenfilmerin Margarethe von Trotta erzählt in ihrem Film "Hannah Arendt" auf spröde Art eine bewegende Frauengeschichte.
Das große Verdienst der Autorenfilmerin Margarethe von Trotta ist es, dass sie nonkonformistische und einflussreiche Frauen der Geschichte einem breiteren Publikum zugänglich macht. So drehte sie einen Film über die Ensslin-Schwestern und schreckte auch vor komplexen Figuren wie der sozialistischen Ikone Rosa Luxemburg und der Mystikerin Hildegard von Bingen nicht zurück. 2012 wagte sich von Trotta an eine der größten Intellektuellen ihrer Zeit: "Hannah Arendt". Das Erste zeigt das Drama jetzt als Wiederholung.
Die ehemalige Fassbinder-Darstellerin von Trotta besetzte die Rolle jener deutsch-jüdischen Philosophin, deren Wirken eng mit der Geschichte des Nationalsozialismus verbunden ist, mit ihrer Schwester im Geiste: Barbara Sukowa. Diese meistert ihre Rolle in dem Biopic, das sich auf die Zeit von 1960 bis 1964 beschränkt und den Anspruch hat, auch die private Seite der eigensinnigen Vordenkerin zu zeigen, mit eigentümlich hölzerner Bravour.
Eine äußerliche Ähnlichkeit gibt es nicht. In jeder Denkszene steht oder sitzt Sukowa da mit einer Zigarette, nachdenklich am Fenster oder sonstwo. Schwer fällt es, eine Nähe zu finden zu dieser bedeutenden historischen Frauenpersönlichkeit in einem an der Grenze des Kitsches und der Behäbigkeit vorbeischrammenden Film. Schon viel eher nimmt man Axel Milberg die Rolle ihres charmanten zweiten Ehemanns Heinrich Blücher ab, der ihr in der Zeit im amerikanischen Exil treu zur Seite stand.
Der Film beginnt recht spannend mit der Festnahme des ehemaligen SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann durch den israelischen Geheimdienst in Argentinien. Dann befindet man sich auch schon in der in zeittypischen Graubrauntönen gehaltenen Wohnung des Ehepaars Arendt-Blücher. Mit Freunden diskutieren beide darüber, ob es rechtmäßig sei, Eichmann in Jerusalem vor Gericht zu bringen.
Diskussionswürdig
Kurz darauf schlägt Arendt dem "New Yorker" vor, über den spektakulären Prozess gegen den hauptverantwortlichen Organisator des Holocausts zu schreiben. Von Trotta entschloss sich, die schwarz-weißen Original-Aufnahmen aus dem Gerichtssaal zu zeigen. Arendt verfolgt sie auf den Monitoren im Presseraum, da nur hier das Rauchen gestattet ist. So kann sich der Zuschauer ein Bild von dem vermeintlichen Monster Eichmann machen – einem stocksteifen, lächerlich wirkenden Beamten, der augenscheinlich unfähig war, eigenständig zu denken, geschweige denn einen seiner entsetzlich bürokratischen Sätze zu Ende zu bringen.
Die erstaunliche Mittelmäßigkeit des überzeugten Antisemiten überraschte Arendt damals ebenso, wie es den Zuschauer von heute noch verblüffen dürfte. Zurück in New York verfasste die Philosophin einen Bericht über "Die Banalität des Bösen", in dem sie Eichmann als den Prototyp eines gedankenlosen "Hanswurst", einen Beamten, der lediglich Befehle ausführte, schilderte. Ebenso kritisierte Arendt aber auch das Verhalten einzelner "Judenräte", die mit den Deutschen kooperiert haben sollen. Ihre Artikelserie löste eine gigantische Welle der Empörung bis hin zu Todesdrohungen aus und beendete langjährige Freundschaften mit Kollegen und Weggefährten, wie zum Beispiel dem nach Israel emigrierten Zionisten Kurt Blumenfeld (Michael Degen).
Allein schon die Tatsache, dass der Film über die kontrovers diskutierte Arendt an dem Tag seine Weltpremiere feierte, als die ebenfalls des Israelhasses bezichtigte jüdische Querdenkerin Judith Butler den Adorno-Preis erhielt, zeigt, wie wichtig und diskutierenswert solch ein Film trotz aller Mängel ist. Vor Missinterpretationen ist natürlich auch von Trottas kammerspielartiger Film über eine äußerst schwierige Thematik nicht gefeit.