Neues Album "Vergiss mein nicht"

Andreas Gabalier: "Für mich gehört das Kreuz zur Idee von Heimat"

von Eric Leimann

Andreas Gabalier, das Musikphänomen zwischen Rock und Schlager, veröffentlicht mit "Vergiss mein nicht" am Freitag sein neues Album. "Mountain Main", das letzte Studiowerk des Publikumsmagneten aus Kärnten, war das erste, das auch in Deutschland Platz eins der Albumcharts eroberte.

Andreas Gabalier auf Tour:

09.06. St. Gallen, Kybunpark (CH)

16.06. München, Olympiastadion

05.10. Frankfurt, Festhalle

06.10. Mannheim, SAP Arena

11.10. Kempten, BigBox

12.10. Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer Halle

13.10. Köln, Lanxess Arena

20.10. Bremen, ÖVB Arena

25.10. Braunschweig, Volkswagen Halle

26.10. Dresden, Messehalle

08.11. Schwerin, Sport- und Kongresshalle

10.11. Erfurt, Messehalle

15.11. Nürnberg, Arena Nürnberger Versicherung

16.11. Regensburg, Donau-Arena

17.11. München, Olympiahalle

23.11. Freiburg, Messe Freiburg

24.11. Zürich, Hallenstadion (CH)

29.11. Innsbruch, Olympiaword (A)

30.11. Linz, Tips Arena (A)

01.12. Graz, Stadthalle (A)

06.12. Dornbirn, Messestadion (A)

07.12. Basel, St. Jakobshalle (CH)

08.12. Bern, Festhalle (CH)

13.12. Salzburg, Salzburg Arena (A)

In zehn neuen Liedern feiert das 33-jährige Kraftpaket seine Jugend in den 90ern und seine Heimat, zu der auch "ein Kreuz an der Wand" gehört. Eine Parole, die übelmeinende Kritiker ihm mal wieder krumm nehmen dürften. Ein Gespräch über die Essenz einer schönen Jugend, körperlichen Verfall und die Sehnsucht nach dem einfachen Leben.

prisma: Das Lied "Verdammt lang her" sehnt sich zurück in Ihre Jugend und die 90er. Dabei erinnern sich doch viele Menschen nur ungern an die Zeit des Heranwachsens.

Andreas Gabalier: Ja, warum?

prisma: Weil sie vielleicht unter Komplexen litten, Außenseiter waren oder den Weltschmerz hatten. Trifft auf Sie alles nicht zu?

Gabalier: Ich habe im Großen und Ganzen sehr gute Erinnerungen an jene Jahre, sonst hätte ich das Lied ja nicht gemacht. Einzig die Schule hat ein wenig gestört. Vor Prüfungen hatte ich immer ein wenig Sorge. Weil man eigentlich immer zu wenig gelernt hatte. Ich – wie auch die meisten meiner Freunde – erinnere mich trotzdem voller Freude vor allem an die Teenagerzeit. Ein bisschen Wehmut ist da mittlerweile natürlich auch dabei.

prisma: Sie waren also nie Außenseiter und hatten immer Erfolg bei den Mädchen?

Gabalier: Ja, das muss ich leider zugeben. Es war eine geile Zeit! Als ich mit der Musik erfolgreich wurde, hat man mir in Interviews immer wieder gesagt: "Mensch Andreas, das ist doch jetzt die Zeit deines Lebens!" Und ich musste immer antworten: "Na, die Teenagerzeit war noch besser." Die beiden Todesfälle in meiner Familie, der Selbstmord meines Vaters und meiner Schwester – das war in meinen Zwanzigern eine dunkle, schwere Zeit. Aber auch das habe ich geschafft. Die restliche Zeit meines Lebens erinnere ich als sehr, sehr glücklich.

prisma: Was macht einen glücklichen Menschen aus? Gute Gene oder tatsächlich das, was ihm passiert ist?

Gabalier: Jeder Mensch ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Ob man missmutig in der Ecke sitzt oder auf dem Tisch tanzt, dafür kann man nichts. Trotzdem muss ich sagen, dass ich einfach eine schöne Kindheit hatte. Obwohl kaum Geld vorhanden war. Wir waren vier Kinder. Neben der Schule und in den Ferien mussten wir arbeiten. Nur so konnte man sich mal etwas Kleines leisten. Aber auch diese Jobs habe ich in bester Erinnerung. Vor allem die in der Gastronomie, als Barkeeper oder Kellner. Auch als Bademeister fühlte ich mich wohl.

prisma: Wofür haben Sie das Geld damals ausgegeben?

Gabalier: Das Übliche. Moped, Auto, eine lässige Lederjacke.

prisma: Sie sind der bodenständige, geerdete Typ?

Gabalier: Ja, für mich ist das der Schlüssel zum Glück. Als ich aufwuchs, war ich in den Ferien immer ein paar Wochen bei meinen Großeltern in den Bergen. Die wohnten in einem hunderte Jahre alten Bauernhof. Da hat man im Winter mit drei Decken geschlafen, weil einige Zimmer gar nicht beheizt waren. Auf den dünnen Fensterscheiben wuchsen Eisblumen. Mein Großvater nahm einen Ziegelstein mit ins Bett, den er vorher am Ofen gewärmt hatte. Jeden Morgen gab es Sterz-Polenta mit Milch zum Frühstück – aber das machte niemandem etwas aus.

prisma: Ihr Leben als Superstar, der vor zehntausenden Fans auftritt, ist nun der Gegensatz zu diesem einfachen Leben. Kennen Sie die Einsamkeit des Rockstars auf dem Hotelzimmer nach dem Gig?

Gabalier: Die kenne ich überhaupt nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht der Paradekünstler bin. Ich wollte nie Musiker werden, alles ist mehr oder weniger durch Zufall passiert. Musik war ein Hobby. Ich spürte nie diesen inneren Drang, mich ausdrücken zu müssen. Viele andere Musiker, die ich treffe, sind sensible Naturen. Sie können gar nicht anders, als durch ihre Kunst zu leben. Wenn die Zuwendung der Fans beim Konzert vorbei ist, geraten sie vielleicht wieder ins Grübeln. Ich liege stattdessen in der Badewanne des Hotelzimmers und genieße die Stille.

prisma: Aber auch Sie brauchen das Alleinsein ...

Gabalier: Natürlich, wer braucht das nicht? Vor allem, weil ich oft Kumpels mit auf Tour oder einzelne Konzerte nehme. Da sitzt man danach noch zusammen, aber irgendwann will auch ich für mich sein. Tourneen sind schon auch Stress. Der ganze Tag ist auf die Minute durchgetaktet. Heute morgen bin ich um sechs raus, von München nach Hamburg geflogen, hier habe ich den ganzen Tag Interviews, und am Abend sitze ich noch in einer Talkshow. Da ist man froh, wenn man irgendwann alleine ist. Oft lasse ich mir noch spätabends den Fitnessraum vom Hotel aufschließen. Wenn ich den ganzen Tag sitze, muss ich mich am Abend bewegen. Das ständige Unterwegssein ist eigentlich gar nicht mein Ding.

prisma: Sie leben noch immer in jener Gemeinde, aus der Sie kommen?

Gabalier: Das Leben dort ist ein wichtiger Ausgleich für meinen Alltag mit den Tourneen. Dass ich daheim ganz normal leben kann, ist für mich unendlich wichtig. Ich starte meinen Rasenmäher immer noch selbst und wasche am Sonntag das Motorrad mit den Nachbarsbuben vor der Haustür. Ich hänge sogar meine Wäsche auf. Das erste, was ich mache, wenn ich von einer Tour zurückkomme, ist Wäsche. Einmal dunkel, einmal hell – und dann auf die Leine.

prisma: Brauchen Sie manchmal längere Auszeiten?

Gabalier: Nein, die Zeit für mich hole ich mir komplett beim Sport. Während die Waschmaschine läuft, gehe ich auch schon mal ne Stunde laufen. Das ist mein großer Ausgleich. Wahrscheinlich komme ich deshalb auch so selten auf dumme Gedanken.

prisma: Sind Sie ein Feierbiest?

Gabalier: Ich kann feiern, bis die Sonne aufgeht – tue es aber immer seltener. Wenn ich 30 Konzerte in 60 Tagen spiele, brauche ich nicht mehr zu feiern. Dann trinke ich vielleicht am Samstag nach dem Auftritt zwei Bier an der Hotelbar. Ansonsten läuft nichts, sonst ist man fertig. Eine Tour, das ist wie dreimal pro Woche Marathon laufen.

prisma: Wie überleben Sie das?

Gabalier: Ich versuche, den Sonntag freizuhalten. Dann fahre ich für einen Tag heim oder gehe zur Mama essen. Ansonsten: Badehose an, zumindest von April bis Oktober, und das normale Leben für kurze Zeit zurückholen.

prisma: Sie sind jetzt 33 Jahre alt und sehr durchtrainiert. Merken Sie trotzdem so etwas wie körperlichen Verschleiß?

Gabalier: Natürlich. Das Leben, das ich führe, setzt einem zu. Es gibt nichts, das nicht mehr geht, aber ich merke, dass ich nicht mehr 23 bin. Ich laufe immer neun Kilometer. Eine Strecke über Berg und Tal. Diese Runde bin ich schon in 37 Minuten gelaufen, das war noch eine richtige Athletenleistung. Drei Jahre ist diese Bestzeit alt. Heute schaffe ich die neun Kilometer an meinem besten Tagen in 39 Minuten. Der Regelfall sind jedoch 41 Minuten. Ich mache fast jeden Tag Sport, aber trotzdem werde ich langsamer. Man wird eben nicht jünger ...

prisma: Frustriert Sie das?

Gabalier: Nein, es ist der Lauf der Dinge. Wer dies nicht akzeptiert, arbeitet gegen das Leben selbst an. Ich bin Realist und kann Dinge annehmen, die absehbar und unvermeidlich sind. Hauptsache, man bleibt immer am Ball. Arnold Schwarzenegger, der immer mein großes Idol war und den ich mittlerweile auch gut kenne, sagt immer: "Never stop." Das, was du pausierst, holst du nie wieder ein. Es geht ja immer noch eine ganze Menge. Letzten Winter war ich so viel auf Skiern unterwegs wie lange nicht mehr. Ich habe das Album auf einer Almhütte geschrieben, mit wunderbarem Blick ins Tal. Zwischen dem Schreiben hab ich mir die Bretter untergeklemmt und bin gefahren.

prisma: Auf dem Album gibt es den Song "Kleine Steile Heile Welt". Da singen Sie über Heimat, zu der für Sie auch "das Kreuz an der Wand" gehört. Haben Sie Angst, mit solchen Zeilen wieder in die rechte Ecke gestellt zu werden?

Gabalier: Ich bin religiös. Katholisch. Für mich gehört das Kreuz an der Wand deshalb zur Idee von Heimat dazu. Ich stehe aber auch zu der Zeile in einem politischen Sinne. Ich verstehe nicht, warum man Kreuze in Krankenhäusern abmontieren muss, weil man andere Glaubensrichtungen nicht verärgern will. Wenn ich nach Ägypten reise, sage ich auch nicht: Schiebt die Pyramiden zur Seite. Kreuze gehören zu unserer Kultur, sie machen unser Land aus. Das hat überhaupt nichts mit einer rechten Einstellung zu tun. Jeder darf seine Religion so praktizieren, wie er will. Mich hat es als Kind genervt, immer in den Gottesdienst zu müssen. Vor allem, weil ich nicht gern still gesessen habe. Heute geben mir Kirchen Kraft.

prisma: Wie leben Sie Ihren Glauben?

Gabalier: Ich lebe ihn vor allem privat, indem ich oft "danke" sage. Ich gehe – zeitbedingt – vielleicht fünf oder siebenmal pro Jahr in die Messe. Wenn ich in fremden Städten unterwegs bin, besuche ich aber oft einfach mal so Kirchen. Da bin ich dann für mich, zünde eine Kerze an und setze mich zehn Minuten still hin. Das ist für mich Religion. Eine Religion der Dankbarkeit.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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