"Als Franke im Franken-'Tatort' – das ist Bombe"
Groß war die Aufregung in Franken, als vor fünf Jahren ein eigener "Tatort" für die Region angekündigt wurde. Die Nachricht wurde an Main, Itz und Pegnitz mit ungefähr der gleichen Emotionskurve rezipiert, als hätte der Club die Champions League erreicht. Erst: A Draum! Dann: Zeit is' worn! Und schließlich: Des werd' doch eh nix! Doch die Skeptiker lagen falsch. Der Franken-"Tatort" hat sich in der ersten Liga des Fernsehens etabliert – weil die Macher von Anfang an besonders mutig und leidenschaftlich zu Werke gingen.
Auch der fünfte Fall ("Ein Tag wie jeder andere", Sonntag, 24. Februar, 20.15 Uhr, ARD – hier geht's zu unserer Filmkritik) hat es in sich: Diesmal geht in Bayreuth ein Serienkiller um, der selbst vor dem Festspielhaus auf dem Grünen Hügel nicht Halt macht. Ob die Franken so einen "Srilla" mögen, müsse sich zeigen, meint Schauspieler Andreas Leopold Schadt (41). Der waschechte Oberfranke ist seit der ersten Folge an als Kriminalkommissar Fleischer mit von der Partie, und er kennt seine Franken eben genau.
prisma: Herr Schadt, das Wichtigste vorweg: Sind Sie Fußball-Fan?
Andreas Leopold Schadt: Ja – aber nicht von einem bestimmten Verein. Das einzige Utensil, das ich besitze, ist ein flauschiger Eintracht-Braunschweig-Bademantel. Dort oben habe ich mal eine Zeit lang gelebt, und das Teil und etwas Leidenschaft sind hängengeblieben. In meiner Kindheit war ich mal ein Roter, aber das darf ich als Franke eigentlich nicht sagen, oder? Nur noch zu gewinnen, war mir jedenfalls irgendwann zu langweilig.
prisma: Da läuft man beim Club aus Nürnberg weniger Gefahr ...
Schadt: Na ja. Der Club ist Kult. Aber: "Da Club is a Debb", sagt man wohl nicht ganz zu Unrecht. Ich bin skeptisch, aber ich drücke ihnen die Daumen, dass sie drinbleiben in der Liga, genau wie den Fürthern in der Zweiten Liga. In dieser Frage bin ich aufrichtig diplomatisch (lacht).
prisma: Jetzt wird es schwieriger. Sie wurden nach offiziellen Angaben in Hof geboren und leben in Coburg. Verstehen Sie sich als Coburger oder als Hofer?
Schadt: Ach, du liebe Zeit. Sie fangen mit den ganzen Fangfragen an! Mit so was kannst du dich als Oberfranke voll in die Nesseln setzen: einmal falsch geantwortet, zack, bist' für immer raus – hier oder dort, je nachdem. Auch sprachlich ist das ja nicht so einfach. Zwischen "Drei im Weggla" in Nürnberg und "ana Brodwörschd" in Coburg liegen nicht nur kulinarische, sondern auch kulturhistorische Welten.
prisma: Also dann!
Schadt: Gut, machmer's ganz genau: Ich bin seit fünf Jahren Coburger, aber eigentlich bin ich Hofer. Und noch eigentlicher bin ich Konradsreuther, denn dort, also im Landkreis Hof, bin ich aufgewachsen, das ist mein Zuhause – aber das kennt kein Mensch (lacht). Am besten ist, ich sage, dass ich Lautertaler bin. In dieser schönen Coburger Vorortgemeinde lebe ich mit meiner kleinen Familie.
prisma: Wenn Sie wählen dürften: Wo soll der nächste Franken-"Tatort" angesiedelt sein?
Schadt: Oha, ein echtes Politikum. Im Ernst: Im Hofer Stadtrat hat die SPD-Fraktion schon einen entsprechenden Antrag eingebracht: Die Stadt möge an mich herantreten, dass ich mich bei der BR-Redaktion für einen "Tatort" in Hof einsetze. Mache ich natürlich gerne. Schaunmermal. Ich wünsche mir für beide Städte, dass es klappt, denn sowohl das industriell geprägte Hof als auch das historische Coburg und das jeweilige Umland sind starke Kulissen. Hier kann man tolle Filme drehen.
prisma: Erinnern Sie sich noch, was Sie gedacht haben, als Sie davon hörten, dass Franken einen eigenen "Tatort" bekommt?
Schadt: Ja. Wobei erst einmal gar nicht vom "Tatort" die Rede war. Mir kam 2012 nur zu Ohren, dass ein Krimi in Franken gedreht werden soll und dass für den Cast ein oberfränkischer Schauspieler als Kommissar gesucht wird. Da habe ich alles stehen und liegen lassen. Obwohl ich damals eigentlich mit dem Thema Schauspiel abgeschlossen hatte.
prisma: Wie bitte?
Schadt: Ja. Ich komme ja vom Theater und hatte damals mit Mitte 30 genug von den vielen Engagements, dem damit verbundenen Wohnen auf Zeit und den vielen Reisen. Also begann ich eine Ausbildung zum psychotherapeutischen Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Drama- und Theatertherapie. Aber ich hätt's wissen müssen ... – Sagen's so was mal als Franke: Drama-und-Deadaderabieh!
prisma: Um Gottes willen!
Schadt: Eben, der reinste Wahnsinn. Ich bin jedenfalls zusammen mit meiner Freundin zum Casting gefahren und schlug dort nach dem Motto auf: "Sie brauchen mir gar nichts Besonderes anbieten, mir is' auch dodal wurscht, was ich sag' und wie viel ich sag', ich nehm' alles, wenn ich nur im Franken-Krimi dabei sein kann!"
prisma: Und dann?
Schadt: Wie's so kommt: Der Regisseur Max Färberböck lobte mich über den grünen Klee, und ich war sowieso von den Socken – die Redaktion stimmte zu, und zack, schon war ich Kommissar. Als Franke im Franken-"Tatort". Das ist Bombe, mehr geht nicht. Ich bin durchgedreht. So was erlebt man ja auch nicht alle Tage. Als Schauspieler lebt man mit vielen Absagen, auch deswegen wollte ich aufhören – aber hier hat's bei mir mal so richtig gepasst.
prisma: Da wurde gar nicht groß verhandelt?
Schadt: Null. Meine einzige Bedingung war: Nehmt mich so, wie ich bin, weil ich mich als Franke in einem Franken-Krimi nicht verstellen brauch'.
"Es gingen neue Türen auf"
prisma: Ostern 2015 wurde "Der Himmel ist ein Platz auf Erden", der erste Franken-Fall, ausgestrahlt. Hat sich danach Ihr Leben verändert?
Schadt: Ja, es hat sich viel getan. Als Mensch habe ich viel dazubekommen. Es gingen neue Türen auf. Und es gab auch ein paar schöne Rollenangebote, die vorher vielleicht nicht an mich herangetragen worden wären. Es gab Rollen in verschiedenen Primetime-Produktionen, und ich spielte in den BR-Serien "Dahoam is Dahoam" und "5VOR12", die der BR für den KiKA produziert hat. Für die Jugendserie gab's sogar den Grimme-Preis. Ich bin zuversichtlich, dass noch einiges kommt – mit 41 Jahren bin ich in einem guten Alter.
prisma: Und daheim so etwas wie ein Local Hero, oder?
Schadt: (lacht) Ja. Man nimmt mich schon als ein wenig als prominent wahr – auf der Straße wird mir mal ein langezogenes "Ey, Daadoooord!" hinterhergerufen, oder man tuschelt in der Kneipe. Aber meistens geht's total freundlich zu, da bin ich halt "der Herr Kommissar" oder einfach "a subba Düüb", was mich natürlich freut und mir wiederum auch hier ein paar Türen öffnet. Ich übernehme Moderationen, spiele etwas Theater, gehe für die verschiedensten Projekte in Schulen, sogar den Nikolaus habe ich schon gegeben ... Wenn man seine Bekanntheit für etwas Sinnvolles einbringen kann, dann passt's doch. Gerne arbeite ich zurzeit auch mit jungen Flüchtlingen. Das ist meine Welt. Das Pädagogische, Empathische, auch die Offenheit – so bin ich halt.
prisma: Bildet der "Tatort" die Region und die Franken stimmig ab?
Schadt: Ja, sage ich als waschechter Franke. Wobei es natürlich auch ein typischer Wesenszug der Franken ist, dass man es ihnen nie recht machen kann (lacht). Das überwiegende Feedback, das mir entgegengebracht wird, lautet also: "Basst scho!" Was so viel heißt wie: "Geil – aber wir wollen bitte noch viel mehr Bilder, Figuren und Eigenheiten aus Franken sehen." Wenn man ein bisschen im Gespräch ist, dann kommt meistens der Hinweis, man möge beim nächsten Mal doch bitte auf dieses oder jenes besser achten. So sind wir halt, wir Franken.
prisma: Ein Knackpunkt dürfte die Dialektsprache sein.
Schadt: Natürlich, darum geht's. War das jetzt gscheit's Mittelfränkisch oder nicht doch eher schon näher am Itzgründer Dialekt? Solche Dinge darf man nicht unterschätzen. Jedes Mal nach Ausstrahlung ein Riesenthema in der Region. Auch beim Drehen war das von Anfang an so. Lustig ist: Immer wenn der Regisseur mich auffordert, doch bitte noch etwas "Fränkischer" zu sprechen, muss ich ihm sagen: "Dann verstehst du mich nicht mehr – und auch sonst kein Mensch außerhalb Oberfrankens." (lacht). Es ist also ein schmaler Grat. Aber das Gute, wenn man so will, ist, dass es ja kein Ur-Fränkisch gibt. Bei uns red' jeder, wie er will. Wir sind halt tolerant.
prisma: Sie sprechen im "Tatort" so wie zu Hause?
Schadt: Genau. Im "Dadord" darf ich so reden, wie ich es gewohnt bin. Wobei ich im Austausch mit Nicht-Franken auch am Set tatsächlich irgendwann ins Hochdeutsche verfalle – des will ich gar ned, aber manchmal passiert's einfach.
prisma: Was ist das Besondere am Franken-"Tatort"?
Schadt: Dass er typisch fränkisch ist, und trotzdem ohne Klischees auskommt, würde ich sagen. Das ist schon eine Kunst. Den Blick von außen überlasse ich aber lieber den Zuschauern und Kritikern. Ich kann gerne sagen, wie's im Inneren ausschaut: Wir haben das beste Team, das man sich vorstellen kann, eine fantastische Stimmung am Set. Wir kommen auch im Off gut miteinander klar, gehen gerne was trinken. Ich kann mir vorstellen, dass die Chemie relativ einzigartig ist. Vielleicht spürt man das beim Zuschauen.
prisma: War ein Franken-"Tatort" überfällig?
Schadt: Auf jeden Fall. Franken war viel zu lang der Teil Bayerns, der in der TV-Fiction fast komplett ausgespart wurde. Völlig zu Unrecht – denn abgesehen davon, dass die Region großartige Schauplätze hat, gibt es hier auch viel menschliche Besonderheiten, Kreativität und nicht zuletzt auch einen schönen Humor, wie unsere bekannten Kabarettisten beweisen, zu denen ja unser Gerichtsmediziner Matthias Egersdörfer zählt. Der "Tatort" ist hoffentlich erst der Anfang. Ich träume ja von einer fränkischen Serie, in der ich dann eine etwas größere Rolle spielen darf (lacht).
prisma: Der neue "Tatort" wurde zum Teil im Bayreuther Festspielhaus auf dem grünen Hügel gedreht, es geht ein Serienkiller in bester David-Fincher-Manier um. Allmächt – jetzt sind sie verrückt geworden, werden da einige schimpfen!
Schadt: Ja, das ist halt ein echter Thriller, so etwas können wir auch (lacht). Ob die Franken so einen "Srilla" mögen, muss sich natürlich noch zeigen. Einige werden bestimmt wieder sagen: "Was solln des scho widda sei?" – Ich finde den fränkischen Thriller großartig. Er passt zu uns, weil wir uns von Anfang an etwas getraut haben.
prisma: Die Oper ist ansonsten aber nicht Ihre Welt, oder?
Schadt: (lacht) Ich weiß nicht, wie sie darauf kommen, aber Sie liegen richtig. Ich bin in Rock und Metal zu Hause, vermutlich bin ich der einzige "Tatort"-Schauspieler, der Slayer auf ihrer Abschiedstour gesehen hat. Früher spielte ich selbst in einer Stoner-Rockcombo Bass. Noch früher sogar mal in einer Hardcore-Crossover-Metalband: Shark D. – übersetzt: "Hai-Di". Ehrlich gesagt würde ich gerne wieder an diese Zeit anknüpfen. Vielleicht ergibt sich ja demnächst was. Hardcore wäre schon mal wieder geil!
Quelle: teleschau – der Mediendienst