Wer das Dokudrama "Brecht" bei seiner Premiere bei ARTE verpasst hat, hat nun in der ARD die Chance, den sehenswerten Zweiteiler zu sehen. Ein grandioses Alterswerk von Heinrich Breloer.
Zehn Jahre schuftete der mittlerweile 77-jährige Breloer an der Realisierung seines Films über den Dichter Bertolt Brecht. Breloer, Erfinder des Dokumdrama und Schöpfer von Werken wie "Todesspiel" (1997) oder "Die Manns – Ein Jahrhundertroman" (2001), widmete sich in seinem vielleicht letzten großen TV-Werk einem Künstler, der ihn über seine gesamte Filmemacher-Karriere faszinierte. Wie ARTE bei der Vorpremiere in der Vorwoche zeigt nun auch die ARD beide Teile, also 180 Minuten, am Stück.
In Teil eins, "Die Liebe dauert oder dauert nicht", sieht man dem jungen Brecht (Tom Schilling) bei seinem Weg nach oben sowie bei zahlreichen Liebschaften (Mala Emde, Friederike Becht) zu. Es sind die Jahre des späten Kaiserreiches und vor allem jene der Weimarer Republik spielt. Brecht zieht es aus dem heimischen Augsburg über München in die pulsierende Kulturmetropole Berlin. Die gut ausgestatteten und fein montierten Bilder Breloers schwören dabei durchaus ein bisschen "Babylon Berlin"-Atmosphäre herauf. Nach weitgehendem Aussparen der Nazi-Zeit, die der linke Poet in unterschiedlichen Exilen verbrachte – unter anderem in den USA – kehrt in Teil zwei der ältere Bertolt Brecht auf die Dokudrama-Bühne zurück, nun dargestellt von Burghart Klaußner ("Das weiße Band"). In seinem komplexen Porträt zeichnet Breloer das Bild eines widersprüchlichen Mannes. Überrascht dürften jene Zuschauer sein, die mit dem bereits 1956 im Alter von 58 Jahren Verstorbenen nur einen "linken" Dichter mit Zigarre verbinden, dessen seltsam moralische Literatur man in der Schule studieren musste.
Breloer zeigt Brecht, mit dem er sich bereits in seiner Frühzeit als TV-Journalist beschäftigte – die Aufnahmen mit den damals noch lebenden Zeitzeugen sorgen für faszinierende Bilder -, als Frauenhelden und selbstbewussten, aber auch sensiblen Künstler mit großem Erfolgshunger. Brecht, der Polyamoröse, der mehrfach diverse Liebesbeziehungen gleichzeitig lebte, nimmt einen breiten Raum in Breloers Erzählung ein.
Wenn im zweiten Teil ("Das Einfache, das schwer zu machen ist") Brechts schwierige Beziehung zur jungen DDR zum wichtigen Thema wird, seziert Breloer Brecht sensibel zwischen kommunistischem Idealismus, persönlichen Eitelkeiten und mannigfaltigen Enttäuschungen über den ersten kommunistischen Staat auf deutschem Boden.
Wem in "Brecht" zu wenig Theater vorkommt, obwohl man den Kultdichter schon des Öfteren bei der engagierten Inszenierung seiner Stücke zusehen kann, darf in der nachfolgenden Doku "Brecht und das Berliner Ensemble – Erinnerungen an einen Traum" tiefer in Genre und Machart von Brechts "Epischem Theater" einsteigen. Die Doku zum Dokudrama ist allerdings erst nach den "Tagesthemen", um 23.40 Uhr zu sehen.
Quelle: teleschau – der Mediendienst