Jane Austen trifft "Gossip Girl"

Fünf Gründe, warum "Bridgerton" die erfolgreichste Netflix-Serie ist

von Christopher Schmitt

In 83 Ländern schaffte es "Bridgerton" auf Platz eins der Netflix-Charts. Doch warum kommt die Historienserie bei den Zuschauern so gut an? Wir haben fünf Gründe für den Erfolg von "Bridgerton" gesammelt.

Am ersten Weihnachtsfeiertag 2020 machte sich Netflix selbst das größte Geschenk: An diesem Tag stellte der Streamingdienst die historische Dramaserie "Bridgerton" zum Abruf bereit. Einen Monat später steht fest: Es ist die erfolgreichste Netflix-Eigenproduktion aller Zeiten. Zwar darf man nicht außer Acht lassen, dass die Streamingplattform seit 2019 eine Serienfolge bereits nach zwei Minuten als "gesehen" wertet – zuvor war dies erst bei 70 Prozent einer Episode der Fall -, aber die Zahlen sprechen für sich: In gut einem Monat schalteten 82 Millionen Haushalte ein, in 83 Ländern erklomm "Bridgerton" den Thron der Netflix-Charts, und vor kurzem wurde eine zweite Staffel bestätigt.

Aber was genau macht die romantische Historienromanze, welche die ihr zugrunde liegenden Bücher satte 18 Jahre nach ihrer Veröffentlichung auf die Bestsellerliste der "New York Times" katapultierte, so erfolgreich? "'Bridgerton' ist fast so, als würde Jane Austen auf 'Gossip Girl' und vielleicht auch '45 Shades of Grey' treffen", fasste Hauptdarsteller Regé-Jean Page im Podcast "The Big Ticket with Marc Malkin" die Ballsaison der Londoner High Society im Jahr 1813 aus seiner Sicht zusammen. Sein Verweis auf "50 Shades of Grey" legt nahe, dass Sex eine große Rolle spielt. Dies dürften Serienfans inzwischen mitbekommen haben. Aber ein paar Nacktszenen machen noch keinen Hype: Hier kommen fünf Gründe für den Erfolg von "Bridgerton".

1. Sex sells

Keine Frage: Sex sells. Und der Erfolg von "Bridgerton" ist sicher nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die historische Dramaserie mit knisternder Erotik verknüpft wird, die sich traditionell gut verkauft. Denn sicherlich gehört es zu den zentralen Säulen des Erfolgs, dass es in den Schlafzimmern heiß hergeht. Zahlreiche Sexszenen heben "Bridgerton" von anderen Historiendramen ab und schärfen das Profil der Netflixserie, deren Hauptdarsteller gängige Schönheitsideale verkörpern. Und wer würde etwa bei Jane Austen das freizügige Ausleben von Sexualität erwarten?

Dabei sei allerdings erwähnt, dass "Bridgerton" das weibliche Verlangen nur oberflächlich thematisiert. Zwar zeigen die Frauen im Vergleich durchaus Initiative und Spaß an ihrer Sexualität, zudem prangert die junge Daphne (Phoebe Dynevor) an, dass ihre Mutter sie über ihren Körper im Unklaren ließ. Das mutet alles recht progressiv an. Allerdings ist die Rahmen gebende Liebesgeschichte dahinter eindeutig konservativ und entspricht der klassischen Hollywood-Erzählung: Es gilt, den Casanova mit dem düsteren Geheimnis vor sich selbst zu retten – und eine Familie zu gründen.

2. Shonda Rhimes

Diese Frau weiß einfach, wie es geht: Die US-amerikanische Fernsehproduzentin Shonda Rhimes lieferte mit "Grey's Anatomy", "How to Get Away with Murder" und "Scandal" bereits mehrfach den Beweis, dass sie das Publikum Folge für Folge an ihre Produktionen fesseln kann. Die gute Nachricht: Bei "Bridgerton" handelt es sich nun um die erste von insgesamt acht Serien, die sie vertragsgemäß für Netflix produzieren soll.

Ihre Handschrift ist im aristokratischen Skandal-Dschungel klar erkennbar. Denn wie gewohnt gibt es trotz vorherrschender Zwänge der Upper Class zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch in "Bridgerton" relativ autarke Frauenfiguren. Soap-Elemente sind klar erkennbar, Scheu vor den ganz großen Plot-Wendungen gibt es nicht – für Shonda Rhimes ist mehr einfach mehr. Ein besonderer Kniff – "Gossip Girl" lässt grüßen – ist die unbekannte Figur der Lady Whistledown, welche nach Lust und Laune über den britischen Adel herzieht. Und Stoff hat sie bei all den Skandalen und Skandälchen definitiv genug.

3. Der Cast ist divers

"Bridgerton" schert sich nicht um historische Korrektheit. Vielmehr wird überhaupt nicht der Anspruch erhoben, den Adelsstand so abzubilden wie er nun einmal war: fast ausschließlich weiß. Stattdessen zeichnet die Dramaserie ohne unnötige Erklärung das Bild eines bunten englischen Adelsstands, in dem sogar die Queen schwarz ist. Selbst im 21. Jahrhundert würde eine solche Begebenheit im Umfeld des betont konservativen Königshauses noch ernsthaft eine Debatte auslösen. Bei "Bridgerton" wird die Hautfarbe nicht betont, und genau diese Normalität, in der schwarze Charaktere der Serie ihren Stempel aufdrücken, macht die Serie besonders.

Beim Casting selbst wurde hingegen sehr wohl darauf geachtet, Diversität zu gewährleisten: Mit Regé-Jean alias Duke of Hastings und Adjoa Andoh als Lady Danbury sind zwei tragende Rollen mit schwarzen Schauspielern besetzt. Und auch bei den Statisten auf den Straßen sind alle Hautfarben vertreten. Produzent Chris Van Dusen sprach davon, dass es sich um eine moderne Serie mit modernem Publikum und modernen Inhalten handele – dementsprechend nahm man sich Freiheiten. Einige Historiker gehen zudem davon aus, dass Königin Charlotte die erste multi-ethnische Königin Englands war.

4. Bunte Mischung

Wie erwähnt, ist es nicht das reale England des Jahres 1813, welches "Bridgerton" abbildet. Vielmehr scheint es das England des Jahres 1813 zu sein, in welches sich Amerikaner im Jahr 2021 gerne hineinträumen: In dieser Welt ist alles pompös und glamourös – und die Drehorte sind beeindruckend. Die Kostüme selbst entsprechen zwar dem Stil der Regency-Ära, aber alles ist eines Spur bunter als die meisten Produktionen, die sich der damaligen Epoche widmen. Vergleiche mit "Marie Antoinette" von Sofia Coppola kommen nicht von ungefähr.

Hinzu kommt ein ausgeprägter Hang zur modernen Popkultur, der die Brücke in die Gegenwart schlägt. Wenn sich die feine Gesellschaft auf dem Ball elegant über die Tanzfläche bewegt, geben die Streicher keineswegs die großen Klassiker à la Beethoven zum Besten. Stattdessen handelt es sich um klassische Interpretationen zeitgenössischer Pophits wie "Thank U, Next" von Ariana Grande oder "Wildest Dreams" von Taylor Swift.

5. Der Corona-Eskapismus

Zu guter Letzt kam "Bridgerton" einfach zum richtigen Zeitpunkt. Selbstredend befeuert die Langeweile der Corona-Pandemie samt ihrer Einschränkungen und Kontaktverbote das Streaming-Verhalten. Nicht nur bei "Bridgerton" und nicht nur bei Netflix schossen die Abrufzahlen in die Höhe. In Kombination mit den weiteren Gründen ist der Eskapismus – das Abtauchen in eine andere Welt – in Zeiten von psychisch belastendem Social Distancing ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Vielleicht spielt ja sogar die Thematik der Partnersuche eine Rolle. Aktuell stürzen sich Singles bereits bei der Frage, ob sie ihr Match aus der Dating-App zu einem Spaziergang treffen können, in ein moralisches Dilemma. Die gesellschaftlichen Zwänge, welche die Partnerwahl bei "Bridgerton" beeinflussen, sind freilich andere – aber einfach war es weder damals noch heute.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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