Nachfolgerin von Lisa Martinek in "Die Heiland"

Christina Athenstädt: "Habe eine ganze Weile überlegt, ob ich die Richtige bin"

von Erik Brandt-Höge

Nach dem Tod von Schauspielerin Lisa Martinek schlüpft in der neuen Staffel Christina Athenstädt in die Rolle der blinden Anwältin Romy Heiland. Im Interview spricht sie über Zweifel und ungewohnte Tücken.

Wie fühlt es sich an, wenn die Welt um einen herum plötzlich nicht mehr zu sehen ist? – Eine Ahnung davon hat die Schauspielerin Christina Athenstädt (41) in der Vorbereitung auf ihre neue Rolle in der ARD-Serie "Die Heiland – Wir sind Anwalt" (zweite Staffel mit sechs neuen Folgen, ab Dienstag, 28. April, 20.15 Uhr, Das Erste) bekommen. Nach dem Tod von Lisa Martinek spielt Athenstädt die blinde Anwältin Romy Heiland, eine Figur, die von der tatsächlich blinden und in Berlin lebenden und arbeitenden Anwältin Pamela Pabst inspiriert wurde. Gemeinsam mit ihrer eigenwilligen Assistentin Ada Holländer (Anna Fischer) hat Heiland in der Serie einige juristische Abenteuer zu überstehen. Im Interview erzählt Athenstädt vom Wagnis, sich auf einem Berliner Bürgersteig die Augen zu verbinden und zu versuchen, fortan auch ohne Sehsinn klarzukommen. Sie berichtet von überraschenden alltäglichen Tücken auch in den eigenen vier Wänden. Und sie verrät, was sie sich von der Romy-Rolle fürs zukünftigen Leben abseits der Schauspielerei erhofft.

prisma: "Ich sehe das, was ihr nicht seht", lautet der Titel des Buches von Pamela Pabst. Haben Sie das auch manchmal gedacht, als Sie sich auf die Rolle der Romy Heiland vorbereitet haben?

Christina Athenstädt: Das nicht, ich stand eher unter Schock, als ich mir zum ersten Mal eine Augenbinde aufgesetzt hatte, um mich vorzubereiten.

prisma: Wie genau war das?

Athenstädt: Ich stand in Berlin auf einem Bürgersteig, habe nichts gesehen und dachte nur: Oh je! Allein der erste Schritt, egal, in welche Richtung, war eine ganz große Herausforderung. Es wäre sicherlich für alle, die sich lange Zeit voll und ganz auf ihren Sehsinn verlassen konnten, eine Wahnsinnsaufgabe, blind klarzukommen. Meine Bewunderung für Menschen wie Pamela Pabst wurde in der Vorbereitung auf die Rolle also noch gesteigert.

prisma: Welche Situationen haben Sie denn nach den ersten Schritten mit Augenbinde als am schwierigsten empfunden?

Athenstädt: Etwas, worüber ich vorher gar nicht nachgedacht hatte, war das Essen. Man weiß plötzlich nicht mehr genau, was da auf dem Teller vor einem liegt und wo man mit seiner Gabel hineinpiekst. Und bis sie im Mund ist, weiß man nicht, ob man überhaupt etwas auf der Gabel hat. Die nächste Herausforderung ist dann, sich beim Essen nicht zu bekleckern. Und: Das Kochen ist natürlich auch nicht gerade ohne. Eigentlich war alles, was zu Hause stattfand, unerwartet schwierig.

prisma: Und außerhalb der Wohnung?

Athenstädt: Im Straßenverkehr, das fiel mir schnell auf, gibt es Strecken, die überhaupt keine Orientierung für Sehbehinderte bieten. Anderswo gibt es aber schon viele Hilfen, zum Beispiel Noppen an Bahnsteigen oder Leitlinien in öffentlichen Gebäuden, an denen man sich mit einem Blindenstock orientieren kann. Ich merke auch, wie sehr ich mich heute freue, wenn mir diese Dinge im Alltag auffallen.

prisma: Haben Sie durch die Augenbinde eigentlich eine grundsätzliche Skepsis aufgebaut?

Athenstädt: Skepsis nicht, eher eine Achtsamkeit. Auch weil ich plötzlich ein ganz anderes Tempo draufhatte. Ich brauchte für vieles einfach mehr Zeit. Ich habe jetzt zumindest ein Bewusstsein für die oft unnötige alltägliche Hektik, die mir vorher total normal vorkam.

prisma: Glauben Sie nach dieser Erfahrung, dass es für Sie auch am schmerzhaftesten wäre, Ihren Sehsinn zu verliehen, oder denken Sie, der Verlust eines anderen Sinnes wäre schlimmer für Sie?

Athenstädt: Das kann ich nicht beantworten, da ich andere Erfahrungen als diese noch nicht hatte. Grundsätzlich glaube ich, dass es schwieriger ist, einen seiner Sinne irgendwann zu verlieren, als schon von Beginn an ohne ihn aufzuwachsen.

prisma: Nun sind Sie ja die "neue" Romy, nach dem Tod von Lisa Martinek. War viel Demut und womöglich auch Bedenken im Spiel, als Sie die Rolle angenommen haben?

Athenstädt: Demut und Bedenken sind da schon die beiden richtigen Begriffe, ja. Ich habe eine ganze Weile überlegt, ob ich die Richtige bin, um das weiterzumachen – und wenn ja, wie ich es weitermachen sollte. Da waren einige Zweifel.

prisma: Zweifel, ob Sie diese Rolle überhaupt ausfüllen können?

Athenstädt: Ja, wobei ich solche Zweifel bei jeder Rolle habe. Ich frage mich vor jeder neuen Aufgabe: Kann ich das eigentlich? Und in diesem Fall lief das Format ja vorher besonders erfolgreich, und Lisa Martinek hat die Romy ganz wunderbar gespielt. Da habe ich innerlich doch gegrübelt, ob ich als Romy auch sehenswert wäre. Als es dann aber los ging, lief vieles von selbst, und einige Gedanken im Vorfeld erwiesen sich als gar nicht nötig.

prisma: Sie sagten auch einmal, dass Sie ganz bewusst freie Schauspielerin geworden wären, um regelmäßig von Engagement zu Engagement springen zu können. Wäre denn die Romy-Rolle jetzt womöglich etwas für länger? Vielleicht für die nächsten drei, vier Jahre?

Athenstädt: Es ist eine absolut spannende Rolle, und es sind bisher ganz tolle Dreherfahrungen mit einem großartigen Team gewesen. Diese Arbeit wäre es auf jeden Fall wert, sie fortzusetzen.

prisma: Dazu trägt sicher auch Anna Fischer bei. Als Romy sind Sie ja sehr genervt von Fischers Figur. Waren Sie abseits des Drehs eher angetan von ihr?

Athenstädt: Sehr angetan! Es war mir eine große Freude, mit ihr zu spielen.

prisma: Dieses Engagement ist für Sie auch popularitätssteigernd. Einmal sagten Sie, Berühmtheit sei nichts, worauf Sie es anlegten. Ist Ihnen der Ruhm wirklich so egal?

Athenstädt: Wegen der Aufmerksamkeit habe ich diesen Beruf nie gemacht – sondern wegen des Spaßes am Spielen.

prisma: Wobei der Ruhm ja auch hilfreich ist, wenn nicht sogar notwendig in Ihrer Branche: Ein bekanntes Gesicht wird für große Produktionen eher engagiert als ein unbekanntes. Da stellt sich auch die Frage: Gibt es so etwas wie einen heiligen Gral im Schauspiel für Sie? Also eine Rolle, die Sie als eine Art Höchstes der Arbeitsgefühle bezeichnen würden?

Athenstädt: Als Schauspielerin wünsche ich mir nur, dass ich weiterhin das Glück habe, interessante Figuren angeboten zu bekommen. In welchem Programmpunkt, auf welchem Sender und zu welcher Sendezeit diese Figuren dann verortet sind, ist für mich erst mal zweitrangig. Ich wünsche mir Figuren, die mich herausfordern.

prisma: Klingt, als würden Sie die Frage, die Sie sich vor jeder neuen Rolle aus Bedenken stellen, niemals mit "Nein" beantworten.

Athenstädt: Wahrscheinlich ist das so (lacht).


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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