"Ewige Helden"

Kevin Kuske war schneller als Usain Bolt

von Jürgen Winzer

Keiner fuhr mit der Konkurrenz so Schlitten wie er: Kevin Kuske (40) ist der erfolgreichste Bobsportler der Welt. Mit seinem explosiven Antritt war der Anschieber sogar schneller als Sprintgigant Usain Bolt!

"Ich träumte schon als kleines Kind von Olympia", sagte Kevin Kuske in seinem Karriererückblick bei "Ewige Helden" (VOX). Den Traum hat er geerbt, denn "ich wurde als Sportler geboren." Schon sein Opa, einst Ostpreußenmeister der Leichtathletik, träumte von Olympia, aber "da kam der Krieg dazwischen". Auch seiner Mutter Roswitha (Hürdensprinterin) und seinem Vater Nobert (Speerwerfer) blieb die Erfüllung des Wunsches verwehrt. In dritter Generation machte Kuske endlich den Familientraum wahr. "Nach dem Olympiasieg in Salt Lake City habe ich gleich meine Mutter angerufen; wir haben geheult wie die Schlosshunde!"

Für den Hünen aus Potsdam ("Ich war schon als Kind ein bisschen mehr. Mein Spitzname war 'Dicker'!") war es der überraschende Beginn ("Wir hatten mir der Medaille nicht gerechnet.") eines einzigartigen Triumphzugs durch die Eiskanäle der Welt: Am Ende hatte er bei fünf Olympia-Teilnahmen sechs Medaillen gewonnen, bei Weltmeisterschaften 14 Medaillen und bei Europameisterschaften 22 Medaillen im wahrsten Sinne des Wortes eingeschoben. Er ist der erfolgreichste Olympia-Bobfahrer der Geschichte, der beste Anschieber aller Zeiten: "Jeder Bobpilot wollte, dass Kevin ihm den Bob anschiebt!", so Christian Ehrhoff.

Kevin Kuske – schneller als der Blitz!

"Ich wollte schon immer der Beste sein", ist Kuske ehrlich. Anfangs sah es nach der "vererbten" Leichtathletikkarriere aus: Schon mit sechs Jahren trainierte er dreimal die Woche, mit großem Talent, Ehrgeiz und aufgrund der guten "genetischen Grundvoraussetzung" auch erfolgreich. Mit 16 Jahren sprintete er die 100 Meter in 10,5 Sekunden. 1998, mit 19, rannte er als Schlussläufer mit der deutschen 4x100-Meter-Staffel zu Bronze bei den Junioren-Weltmeisterschaften. Schon damals trug er ein Tattoo – die olympischen Ringe. "Das habe ich mit 16 heimlich machen lassen und immer schön vor Mutti unterm Hemd versteckt." Seither trug er sein großes Ziel auf der Haut!

Die Tattoos wurden mehr (Sven Hannawald: "Kevin ist eine tolle Erscheinung mit seiner Körperkunst!"), aber die Leichtathletikkarriere endete schnell. "Bobscouts wurden auf mich aufmerksam", so Kuske, lockten ihn vom Sommersport zum Wintersport. Er bekam Anschubtraining verpasst und wurde zu einem der explosivsten Anschieber aller Zeiten. Sein Rekord auf 30 Meter beträgt 3,69 Sekunden. Damit war er sogar schneller als der Blitz! Sprintlegende Usain Bolt war bei seinem Goldlauf bei Olympia in Peking 2008 auf den ersten 30 Metern 0,09 Sekunden langsamer!

Erster Bobeinsatz auf der "Todesbahn"

2000 absolvierte der Koloss (heute ist er 1,96 Meter groß, 119 Kilogramm schwer) seine erste Bobfahrt – ausgerechnet auf der "Todesbahn" von Altenberg, auf der kurz vor seiner Premiere ein Bobpilot nach einem Bremsfehler zu Tode gekommen war. Und auch Kuske und seine Crew hatten Glück: Bei der Fahrt brach im Zielauslauf der Bremshebel. "Der Pilot brüllte 'Breeeems doch!' und ich hielt ihm den abgebrochenen Hebel hin und brüllte zurück 'Ich brems ja!'" Der Schutzengel fuhr mit – alle blieben unverletzt. Es war nicht das letzte Mal, dass Lebensgefahr mit im Schlitten saß.

Bei Olympia 2006 rutschte Kuske beim Anschieben des Zweierbobs aus, rettete sich mit Müh und Not in den Bob. Fahrer André Lange (Kuske: "'Bärchen' ist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben!") blieb cool und lenkte den Bob trotzdem zu Gold – Kuske schob und bremste mit zwei angebrochenen Rippen. Bei den dritten Olympischen Spielen, 2010 in Vancouver, starb im Rodelwettbewerb ein Sportler, als er ungebremst aus dem umstrittenen Eiskanal sckevin kuskehoss. "Die Angst blendest du aus", sagte Kuske. "Das klingt extrem, aber bei Angst gibst du nicht 100 Prozent. Das macht die Hundertstel aus, um die es bei uns geht." Kuske holte Gold im Zweier, Silber im Vierer.

"Keiner glaubte mehr an mich – ich hab's allen gezeigt!"

2013 gab es den ersten großen Rückschlag: Muskelriss im Oberschenkel bei der WM in St. Moritz. Danach "haben alle an mir gezweifelt. Das hat genervt. Und motiviert: Denen zeig ich's, habe ich mir gedacht." Kuske schaffte es tatsächlich zu seinen vierten Spielen. Doch Sotschi 2014 wurde zum Debakel. "Wir waren fahrerisch und athletisch topfit, aber das Material war schlecht." Siebter im Zweier und Elfter im Vierer – ein Desaster! Kuske reagierte trotzig: "Eigentlich wollte ich nach Sotschi aufhören." So aber – als Loser – konnte er nicht.

Er konzentrierte sich auf den Vierer-Bob und fuhr 2018 mit Pilot Nico Walther in Pyeongchang zu Silber. Damit hatte er nicht nur sein Ziel "der beste Anschieber aller Zeiten" zu werden erreicht, sondern ist auch der erfolgreichste Bobsportler der Welt. Da war dann auch Kevin Kuske zufrieden: Unmittelbar nach dem Silberrennen erklärte er seinen Rücktritt. Aber der Olympia-Traum lebt weiter! Denn Kuske, er studiert Sportwissenschaften, wurde Trainer. "Es wäre toll, wenn ich einen meiner Jungs 2022 zu Olympia nach Peking bringen könnte."

Ehrenmedaille für Kevin Kuske

Bei "Ewige Helden" läuft es sportlich durchwachsen. Die meisten der Wettkämpfe sind einfach nicht für große und gewichtige Sprintertypen ausgelegt. Das war dem Hünen schon vorher klar: "Ich mache hier mit, weil ich was machen wollte, was mir nicht leicht fällt." Er ist halt ein Kämpfer – und "sooo ein lieber Kerl", wie Susi Kentikian sagt. Bei den Wettkämpfen der sechsten Woche konnte er nicht die Ausrufezeichen setzen.

Das tat einmal mehr Sven Hannawald. Vor allem beim Spiel "Hoch hinaus". Er, der einst den Mythos der Vierschanzentournee bezwang, schaffte es erneut und wurde zum ersten Sportler in vier Jahren "Ewige Helden", dem es gelang, sich am 50 Meter langen Seil bis zur Zielglocke zu ziehen und diese erfolgreich zu bimmeln. Auch im Teamwettbewerb "Unzertrennlich" siegte "Hanni" mit Partner Matthias Steiner, weil beide eine 1,5 KIlogramm schwere Scheibe am längsten zwischen ihren flachen Händen stützen konnte. Steiner wiederum gewann Kevin Kuskes Heimspiel "Schwertransport". Hier galt es, einen mit Sandsäcken beladenen Schlitten ins Ziel zu ziehen – gewürzt mit mehreren Kurzstreckensprints.

Die Goldmedaille des Wochenpunktbesten erhielt Hannawald, der sie postwendend an Kevin weiterreichte. "Weil du so ein fairer Sportsmann bist, ein Zeichen des Respekts von uns allen." Sportler nehmen ungern was geschenkt. "Aber von meinem Zimmernachbarn Sven nehm ich sie gerne an", so Kuske. Die Medaille passt sicher schön zum Silbernen Lorbeerblatt daheim, denn die höchste sportliche Auszeichnung der Bundesrepublik bekam Kuske auch schon. Er führte ein rasantes Sportlerleben. Heute ist er zufrieden. "Ich habe alles erreicht. Ich habe vieles richtig gemacht."


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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