Vierte Staffel bei Netflix

"Haus des Geldes": Ist der Professor am Ende?

von Julian Weinberger

Um die Bankräuber um ihren psychisch labilen Anführer steht es in der vierten Staffel der Netflix-Serie "Haus des Geldes" nicht gut. Ist ein Entkommen aus der Bank von Spanien unter diesen Umständen überhaupt noch möglich?

Über den Sinn und Unsinn von Cliffhangern in Serien lässt sich vortrefflich debattieren. Total unnötig sind diese oft künstlich erzwungenen Brüche im Erzählfluss, werden die einen argumentieren. Andere dagegen lassen sich – ob bewusst oder unbewusst – von den aufreibenden Endsequenzen einzelner Episoden zum ausgedehnten Bingewatching animieren. Ungeachtet des Sinns oder Unsinns von Cliffhangern muss man den Machern von "Haus des Geldes" zugestehen, dass sie Meister der herausgezögerten Spannung sind, ließ das Finale der dritten Staffel des spanischen Serienerfolges doch gleich drei wesentliche Handlungsstränge unbeantwortet. Nach einer für Serienjunkies quälend langen Pause von neun Monaten versprechen ab 3. April acht neue Episoden des spanischen Netflix-Erfolges Aufklärung.

Man erinnere sich: In der abschließenden Folge der dritten Staffel wurde Nairobi (Alba Flores) nach dem gewieften taktischen Manöver der Ermittlerin Alicia Sierra (Najwa Nimri) schwer verwundet. Außerdem ließ die fingierte Hinrichtung Lissabons (Itziar Ituño) den emotional sonst so gefassten Professor (Álvaro Morte) in sich zusammenbrechen. Und nicht zuletzt zettelten die verbliebenen Räuber in der Bank von Spanien endgültig einen Krieg an, nachdem sie sich mit Bazookas einem Panzerfahrzeug der einrückenden Polizei entledigten.

Die Zeichen stehen also nicht gut für die verbliebenen Bankräuber um Anführer Palermo (Rodrigo de la Sema), der mit seiner überheblichen und selbstgerechten Art für Unmut in seiner Truppe sorgt. Ohnehin sind die Kriminellen mit den roten Overalls sehr viel mit sich selbst beschäftigt. Tokio (Úrsula Corberó) gibt zwar nach außen hin die taffe Gangsterbraut, trauert aber insgeheim der Beziehung zu Rio (Miguel Herrán) hinterher. Der hat ganz andere Probleme und kämpft mit den psychischen Folgen der Folter durch die Polizei. Um das Gefühlswirrwarr komplett zu machen, kriselt es auch zwischen Denver (Jaime Lorente) und Stockholm (Esther Acebo) gewaltig. Und über allem thront die Sorge um Nairobi, die vor allem Helsinki (Darko Peric) und Bogota (Hovik Keuchkerian) plagt.

Bei all dem fragt man sich völlig zu Recht: Wo bleiben die genialen Schachzüge des Professors, der die Geschicke stets besonnen aus der Ferne leitete? Wann kommt es erneut zu nervenaufreibenden Auseinandersetzungen mit der Polizei? Und warum wird die Wahrnehmung der maskierten Räuber in der Öffentlichkeit nicht mehr in den Mittelpunkt gestellt? Viele dieser Fragen lassen die Serienmacher unbeantwortet. Stattdessen versuchen sie – und das leider recht plump -, allen Figuren einen vermeintlich tiefgründigen Hintergrund oder eine Sinnkrise anzudichten.

Ein starker Gegenspieler fehlt

Dann schwingt der Professor, der sich ohnehin in Selbstmitleid suhlt, plötzlich irgendwo in der spanischen Pampa mit dem ziemlich tumben Marseille (Luka Peros) die Fäuste. Derweil bemüht sich Denver vergeblich, Monica zurückzugewinnen: "Auch wenn Tokio ein Maserati ist, heißt das noch lange nicht, dass du ein Seat 600 bist." Über die Erfolgschancen dieses Versöhnungsangebotes muss wohl kein weiteres Wort verloren werden.

Auch aufseiten der Polizei fehlt eine Figur, die dem grandiosen Duell des Professors und Lissabon respektive Inspectora Murillo aus den ersten beiden Staffeln das Wasser reichen kann. Alicia Sierra wird als Eisklotz ohne moralischen Kompass stilisiert, die vor keinem Mittel zurückschreckt, um den Verbrechern das Handwerk zu legen. An ihrer Seite steht Coronel Tamayo (Fernando Cayo), der zwar große Reden gespickt mit einem beachtlichen Maß an Vulgarität an den Tag legt, neben seiner Kollegin aber recht charakterlos auftritt.

Übrigens: Ob es die Räuber mit den charakteristischen Dalí-Masken aus der Bank von Spanien lebend hinaus schaffen und die Polizei erneut zum Narren halten, muss sich nicht zwingend in der vierten Staffel entscheiden. Denn schon vor dem Start der neuen Episoden kochte die Gerüchteküche hoch, was eine fünfte und womöglich gar sechste Staffel der Heist-Serie angeht. Zwar verabschiedeten sich die Darsteller nach dem Drehschluss der vierten Staffel in den sozialen Medien öffentlichkeitswirksam und sehr gefühlig voneinander. Heißen muss das aber nichts – Stichwort Meister des Cliffhangers.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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