Hauptrolle in "Jenny – echt gerecht"

Birte Hanusrichter: Der weibliche Robin Hood

von Markus Schu
Die Serie "The Assassination of Gianni Versace" ist am 29. Januar 2018 bei Sky gestartet und handelt von der Ermordung des Modedesigners Gianni Versace im Jahr 1997. Mit dabei: Penelope Cruz als Donatella Versace.
BILDERGALERIE
Die Serie "The Assassination of Gianni Versace" ist am 29. Januar 2018 bei Sky gestartet und handelt von der Ermordung des Modedesigners Gianni Versace im Jahr 1997. Mit dabei: Penelope Cruz als Donatella Versace.  Fotoquelle: obs/Sky Deutschland

"Ich rede so wahnsinnig viel", bemerkt Birte Hanusrichter gleich zu Beginn des Interviews. Eine Entschuldigung, die sie gar nicht nötig hat, denn dadurch wirkt sie authentisch: Wenn sie für etwas brennt, dann gibt es kein Halten mehr für das Multitalent aus dem Ruhrpott. Mit ihren Bands Young Chinese Dogs und Snowfall ist Hanusrichter immer wieder musikalisch unterwegs, als Schauspielerin hat sie vor allem in TV-Serien, -Reihen und -Filmen mitgewirkt.

Der ganz große Erfolg, der ihr zum TV-Star-Status verhilft, blieb bislang zwar aus, doch mit ihrer ersten Serienhauptrolle im RTL-Eigengewächs "Jenny – echt gerecht" (fünf Doppelfolgen ab 3. April, dienstags, 20.15 Uhr) ist die quirlige Aktrice auf dem besten Weg dorthin. Die 39-Jährige selbst attestiert sich einen starken Sinn für Gerechtigkeit, zudem trägt sie den Richter bereits im Familiennamen – keine schlechte Ausgangssituation für die Hauptrolle in einer Anwalts-Dramedy.

prisma: Wo braucht es mehr Gerechtigkeit?

Birte Hanusrichter: In unserer Gesellschaft fasst man sich doch an allen Ecken und Enden an den Kopf und denkt sich: Es kann doch nicht sein, dass das alles so funktioniert, obwohl vieles so unfair ist! Dass zum Beispiel vor Gericht derjenige gewinnt, der sich den besseren Anwalt leisten kann.

prisma: Haben Sie selbst Erfahrungen vor Gericht?

Hanusrichter: Ich war noch nie angeklagt, musste aber vor Gericht mal als Zeugin aussagen, weil ich einen Autounfall beobachtet hatte, bei dem ein Typ mit seinem riesigen SUV in das Auto einer Studentin gekracht ist. Der hat dann einen riesigen Aufstand veranstaltet und war sogar kurz davor, gewalttätig zu werden. Wir sind dann eingeschritten und haben sofort die Polizei gerufen. Vor Gericht hat die Studentin zwar recht bekommen, aber ich wäre fast ausgerastet, weil dieser Typ so herablassend mit Menschen umgeht, nur weil er denkt, er kann es sich finanziell leisten.

prisma: Also ist der Sinn für Gerechtigkeit Ihrem Wesen immanent?

Hanusrichter: Ja, definitiv! Ich war auch immer Klassensprecherin. Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand ungerecht behandelt wird, fahre ich aus der Haut! Jemanden zu haben, der sich dann hinter dich stellt, ist wichtig. Das fand ich auch an der Rolle der Jenny so reizvoll.

prisma: Wie viel Birte steckt in Jenny?

Hanusrichter: Eine ganze Menge! (lacht) Ich kann auch den Mund nicht halten, bin sehr emotional und aufbrausend, handle zuerst, bevor ich denke. Vom Wesen her sind wir uns schon sehr ähnlich. Erst mal loslaufen, erst mal machen! Alle Vorurteile, die Jenny dem reichen Schnöselanwalt gegenüber hat, kann ich bei mir auch wiederfinden. Ich bin da jetzt nicht radikal unterwegs, aber ich bin schon auf der richtigen Seite gelandet. Ich kann mich total mit der Rolle identifizieren und gebe zum Großteil meine Meinung und Weltsicht wieder. Ich finde es ungerecht, dass ein Konzern über Menschenschicksale entscheiden darf – dabei geht es nur ums Geld! Aber so ist das eben im Kapitalismus...

prisma: Haben Sie Ihre Rolle als modernen Robin Hood begriffen?

Hanusrichter: Total! Ich habe sogar genau diesen Ausdruck ganz häufig benutzt! Ein weiblicher Robin Hood! Passt eh gut, denn Robin Wright Penn ist meine Lieblingsschauspielerin!

prisma: In Ihrer Rollenbiografie finden sich nur wenige Kino-Rollen. Hätten Sie Lust auf mehr Kino?

Hanusrichter: Ja, natürlich, was für eine Frage! (lacht) Beim Dreh fürs Kino ist so viel mehr Zeit am Set, das mag ich sehr. Es wäre toll, wenn ich durch "Jenny" jetzt etwas mehr Aufmerksamkeit bekäme und dadurch auch der ein oder andere Kinofilm dabei herausspringt.

prisma: Ergibt sich also Ihr hauptsächliches Engagement fürs Fernsehen eher aus Angebot und Nachfrage? Oder ist es oft eine bewusste Entscheidung?

Hanusrichter: Natürlich vor allem aus Angebot und Nachfrage, und sehr häufig kommt bei Schauspielern auch die Frage des Timings hinzu. Da hat man hier schon zugesagt, dann kommt da noch was rein, und dann ist das immer so ein riesiges Puzzlespiel, bei dem man alles miteinander zu verbinden versucht. Oft bin ich auch noch mehrere Wochen mit meiner Band unterwegs und muss dann überlegen, wie ich das alles handhabe. Aber bei Kinofilmen springt man natürlich immer sofort auf, sofern man ein gutes Buch erhält. Ruft mich alle an! (lacht)

prisma: Als Schauspielerin und Musikerin sind Sie schon viel herumgekommen in der Welt. Fühlt man sich da rastlos und heimatlos?

Hanusrichter: Eine Heimat, in die ich immer wieder zurückkehre, ist auf jeden Fall München. Das liegt auch daran, dass ich dort an der Schauspielschule Zerboni als Künstlerische Leiterin tätig bin. Aber seit meinem Schulabschluss habe ich schon in jeder großen Stadt Deutschlands gewohnt. Für "Jenny" war ich gerade viel in Berlin. Während meiner Ausbildung war ich in Montreal und New York. Ich genieße es aber auch, wenn ich mal ein paar Tage am Stück in meiner Wohnung sein kann, um mich zu sammeln. Aber ich werde schnell unruhig, wenn ich über einen längeren Zeitraum an einem Ort bin. Ich bin einfach gerne unterwegs. Ich mag es auf Tour zu sein und jeden Morgen in einer anderen Stadt aufzuwachen, um dann mit der Band die Umgebung zu erkunden und neue Menschen kennenzulernen.

prisma: Der TV-Pilot von "Jenny" kam letztes Jahr so gut beim Publikum an, dass die Serie in Produktion ging. Haben Sie mit TV-Piloten auch schon negative Erfahrungen gemacht?

Hanusrichter: Ja, ich habe schon öfter in Piloten mitgespielt, die dann nicht in Serie gingen. Das ist traurig, vor allem, wenn einem die Rolle am Herzen liegt. Bei "Jenny" hatte ich dann auch zum ersten Mal die Hauptrolle in einem Piloten. Das bedeutet einem gleich viel mehr, und es baut sich sehr viel Druck auf. Man steht vor der unsicheren Situation, dass man die liebgewonnene Rolle entweder ein Jahr lang und womöglich noch länger spielen kann oder eben nie wieder! Ich war auf einem Konzert, als ich den Anruf erhielt, dass die Serie in Produktion geht und habe dann sehr, sehr laut herumgeschrien! (lacht) Ich war so erlöst!

prisma: Birgt der Wandel weg vom linearen hin zum nonlinearen Fernsehen beruflich mehr Vor- oder Nachteile?

Hanusrichter: Ich sehe das alles sehr positiv. Ich schaue lineares Fernsehen und streame Serien im Internet. Ja, ich praktiziere Bingewatching! (lacht) Es gibt momentan viel mehr Möglichkeiten, man kann auch mal abgefahrene Sachen realisieren, und die Zuschauer können sich bewusst ihre Formate rauspicken. Gerade die nischigen Sachen werden dann plötzlich doch von der breiten Masse geschaut. Je mehr Möglichkeiten es gibt, desto mehr Rollen und spannendere Produktionen gibt es auch für mich als Schauspielerin. Konkurrenz belebt das Geschäft!

prisma: Zwei Ihrer Schauspielkollegen aus "Jenny" haben schon in erfolgreichen Netflix-Produktionen mitgewirkt: Peter Benedict in "Dark" und August Wittgenstein in "The Crown". Wird man da auch ein bisschen neidisch?

Hanusrichter: Als Schauspieler ist Neid ganz verkehrt. Da macht man sich das Leben unnötig schwer. Die beiden sind unglaublich tolle und nette Kollegen und ich gönne es ihnen von Herzen! Man profitiert nur davon, wenn man gute Kollegen an seiner Seite hat. Ich hasse den Ausdruck "Jemand spielt jemand anderen an die Wand". Ich glaube das ist ganz falsch. Je besser die Leute sind, mit denen man zusammenarbeitet, desto besser wird man selbst! Man motiviert sich und zieht sich gegenseitig hoch.

prisma: "Jenny" hingegen ist eher klassisch episodisches, lineares TV. Kann das Format bei dem Serien-Überangebot erfolgreich sein?

Hanusrichter: Ich empfinde es gar nicht als Serien-Überangebot. Ich schaue wahnsinnig gerne Serien! Ich bin immer auf der Suche nach neuen Formaten, tausche mich ständig mit Freunden darüber aus. Ich mache mir keine Sorgen wegen "Jenny". Ich glaube, wenn die Leute unsere Serie einmal angeschaut haben, dann wollen sie auch weitergucken. So geht's mir auch selbst mit unserem Format: Nach zwei Minuten bin ich in der Geschichte drin und will wissen, wie es weitergeht. Wenn ich mich normalerweise auf dem Bildschirm sehe, schalte ich sofort wieder ab und flippe aus! (lacht)

prisma: Ihr letztes Musik-Album liegt schon fast zwei Jahre zurück, 2017 wurde eine EP veröffentlicht. Wird es bald mal wieder Zeit für die Musikkarriere?

Hanusrichter: Ein neues Album ist tatsächlich schon so gut wie fertig! Es wird gerade noch abgemischt, gemastered und gepresst. Diesmal aber mit der Band Snowfall, die quasi ein gitarrenlastigeres Spin-Off-Projekt aus Mitgliedern der Band Young Chinese Dogs ist, die es aber nach wie vor gibt. Ab der zweiten Jahreshälfte wird es dann im Laden stehen!


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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