Moderatorin des Mittagsmagazin der ARD

Jessy Wellmer: "Ich google mich nicht selbst"

von Maximilian Haase
Übernimmt fortan auch das "Mittagsmagazin" für die ARD: Jessy Wellmer.
Übernimmt fortan auch das "Mittagsmagazin" für die ARD: Jessy Wellmer.  Fotoquelle: rbb/Oliver Kröning

So langsam wird sie zum Gesicht des Ersten: Erst übernahm Jessy Wellmer zu Beginn der Bundesliga-Saison die prestigeträchtige Samstags-"Sportschau", nun hat sich die 38-Jährige für die ARD auch ins Herz der Bundespolitik begeben – als neue Moderatorin des Mittagsmagazins, das 2018 nach Berlin umzieht. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Sascha Hingst sendet die charmante Mecklenburgerin seit dem 2. Januar aus dem in unmittelbarer Nähe zum Bundestag gelegenen neuen Studio, das sich ARD- und ZDF-"Mittagsmagazin"(werktags, 13 Uhr) fortan teilen.

Was die zur "Journalistin des Jahres" gewählte Medienfrau von der neuen Umgebung hält, warum der Mittag im TV einzigartig ist und wie sie mit potenziellen Anfeindungen im Netz umgeht, verrät Jessy Wellmer im Gespräch.

prisma: Wie gefällt Ihnen denn das neue Studio?

Jessy Wellmer: Es ist ziemlich reduziert, relativ schlicht, aber mit großen visuellen Möglichkeiten. Kein Studio, das einen erschlägt. Das finde ich für das "Mittagsmagazin" aber auch sinnvoll. Gewohnt bin ich ja das "Sportschau"-Studio, das in seiner Farbgebung sehr prägend ist – das passt zum Fußball. Das neue Studio passt sehr gut zu der hauptsächlich politischen Berichterstattung.

prisma: Wie schwer ist es, sich daran zu gewöhnen?

Wellmer: Ich kann ein Studio schnell zu meinem Wohnzimmer machen – und mich da schön reinkuscheln. Klar, als ich in Rio nachts die Olympia-Highlights moderiert habe, war es schön, dass da ein Sofa stand – da konnte man sich auch mal langmachen (lacht). Im neuen Studio gibt es weder Sofa noch Stühle, wir stehen die ganze Zeit. Aber die Sendung ist ja auch nicht allzu lang. Das schaffen wir!

prisma: Erstmals moderieren Sie eine Sendung am Mittag – was ist dabei der Unterschied zum Morgen oder Abend?

Wellmer: Am Mittag ist man mittendrin. Die Leute haben die Hälfte des Tages gearbeitet, essen dann Mittag; andere haben zu Hause die Hälfte der Hausarbeit gemacht oder kommen von der Schule. Man muss die Leute mittendrin erreichen, alles ist schon im Fluss.

prisma: Was bedeutet das für Sie als Moderatorin?

Wellmer: Darauf müssen wir reagieren. Wir müssen hellwach sein; das abbilden, was gerade passiert. Man kann nicht mehr mit dem kommen, was am Abend zuvor oder am Morgen war. Unser Anspruch ist, das zu zeigen, was jetzt ist. Da sind wir mit dem neuen Standort in Berlin gut dabei.

prisma: Was macht die Hauptstadt attraktiv dafür?

Wellmer: Wir sind nah dran am Geschehen, vor allem am bundespolitischen. Die Politiker haben jetzt kaum noch Ausreden, zur Mittagsstunde für fünf Minuten in dieses Studio zu kommen. Es liegt ja nur um die Ecke.

prisma: Wird das Mittagsmagazin jetzt politischer?

Wellmer: Ich glaube, ein Mittagsmagazin in Berlin ist wahrscheinlich genauso politisch wie vorher in München. Aber dadurch, dass wir von Parteizentralen, Bundestag und Bundeskanzleramt umgeben sind, können wir die Leute nicht nur schalten, sondern können sie im Studio haben. Ein Riesenunterschied. Im Studio gibt es einfach andere Arten der Kommunikation, durch Blicke etwa, die nur im persönlichen Gespräch möglich sind.

prisma: Ist es für Sie als erfahrene Sport-Journalistin trotzdem etwas anderes, wenn ein Spitzenpolitiker zu Gast ist?

Wellmer: Im RBB habe ich zwar schon die Spätnachrichten gemacht – das Nachrichtenmilieu ist also nicht neu für mich. Ich habe Übung in politischen Gesprächen, aber eben noch nicht auf bundespolitischer Ebene. Das ist tatsächlich neu und eine große Herausforderung. Aber beim Sport auf Bundesebene war das ja nicht anders, das ist auch ein sehr, sehr sensibles Terrain. Deshalb bereite ich mich im Sport und in der Politik gewissenhaft und schon fast kleinlich vor.

prisma: Wie sieht so eine Vorbereitung aus?

Wellmer: Für meine Moderationen habe ich immer viel, viel mehr Material, als ich in der Sendung tatsächlich unterbringen kann – weil ich mich vorher sehr intensiv mit den Dingen beschäftigt habe. Für die Gespräche braucht man manchmal außerdem ein bisschen Chuzpe. Das ist in der Politik nicht anders als im Sport.

prisma: In welchem Bereich ist denn die Gefahr für Fettnäpfchen größer?

Wellmer: Es war eine gute Schule, im Bundesligafußball anzufangen. Da lernt man, dass man keine Angst vor Fehlern haben darf, weil man sonst nur verschreckt dasteht. Man redet schließlich zu Millionen echter "Experten". Im Fußball werden manchmal kleine Versprecher an eine große Glocke gehängt. Man darf sie in der Politik aber genauso wenig machen.

prisma: Wie war bislang das Feedback auf die Moderation der Bundesliga am Samstag, die Sie am Saisonbeginn übernommen haben? Stichwort: Eine Frau moderiert die Samstags-Sportschau.

Wellmer: Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Ich verzichte allerdings darauf, mir Kommentare in den sozialen Medien anzusehen. Da tummeln sich einfach zu viele, die ihre Aggressionen ungebremst rauspusten. Bislang habe ich es geschafft, mich davon fernzuhalten. Ich google mich nicht selbst – schütze mich also vor Kommentaren und Anfeindungen dieser Art.

prisma: Wird es da auch schwieriger, auf echte Kritik einzugehen?

Wellmer: Ich kann mit Kritik wirklich gut umgehen. Das habe ich im Lauf meines Berufslebens gelernt. Aber nur mit Kritik, aus der ich irgendetwas herausziehen kann. Mit "Zurück an den Herd" oder "Zieh mal einen Rock an" kann ich nichts anfangen, das ist nicht konstruktiv. Im politischen Bereich jetzt genauso: Alles Konstruktive nehme ich total ernst, aber oberflächliche Beleidigungen nehme ich nicht zur Kenntnis. Da schaue ich eben nicht, was auf Twitter und Facebook über mich geschrieben wird.

prisma: Haben Sie das früher gemacht?

Wellmer: Klar, als ich angefangen habe beim Fernsehen, habe ich schon mal geguckt, ob überhaupt über mich geschrieben wurde. Das ist ja auch spannend, ein fremdes, neues Gefühl, wenn Leute sich mit einem beschäftigen. Jetzt mache ich es nicht mehr.

prisma: Als Moderatorin begann Ihre Karriere ja mit dem Aufkommen von Social Media im Internet. Glauben Sie, früher war man als Journalist und öffentliche Person geschützter vor persönlichen Angriffen?

Wellmer: Auch früher konnten öffentliche Personen schon angefeindet werden. Der große Unterschied ist, dass man im Internet ungefiltert und anonym seine Meinung loswerden kann. Jeder weiß, wie es ist, über andere zu lästern. Aber das passiert meist im privaten Raum. Das sofort zu verbreiten und auch Zustimmung zu finden, gibt es erst mit den sozialen Medien.

prisma: Dort ist auch das Feedback auf die Öffentlich-Rechtlichen momentan oft von Anfeindungen begleitet. Werden Sie im Mittagsmagazin angesichts politisch ambivalenter Zeiten inhaltlich und stilistisch vorsichtiger moderieren?

Wellmer: Es gibt keinen Anlass, sich hier verunsichern zu lassen. Es geht um guten Journalismus, um sachliche Berichte, um kritische Nachfragen an Linke und Rechte, an Mächtige oder weniger Mächtige. Das ist unsere Aufgabe. Und die wollen wir im Mittagsmagazin erfüllen. Was den Stil angeht: Es gibt ja im Politikjournalismus ganz unterschiedliche Typen. Dem einen sitzt der Schalk im Nacken, der andere ist sachlicher. Das Klischee vom komplett konventionellen, todernsten Nachrichtenmoderator bestätigt sich in Wirklichkeit gar nicht. Da habe auch ich mit meiner Art eine Chance. Schließlich kann ich auch in der "Sportschau" nicht einen Verein total sarkastisch zerfleddern, da ist Sachlichkeit geboten, aber mit Augenzwinkern. Die ARD wollte mich für den Job im Mittagsmagazin ja auch gewinnen, weil ich genau das in die Politik übertragen soll.

prisma: Seit einiger Zeit laden Sie sich ja immer mehr Aufgaben auf. Wird das persönlich nicht langsam stressig?

Wellmer: Was das Arbeitspensum angeht, schaue ich mir immer die Frau an der Kasse in meinem Supermarkt an. Die sitzt abends bis 20 Uhr da und hat auch ziemlich lange Schichten. Die hat keinen wirklichen Abend, an dem sie sich um die Familie kümmern kann. Viele von uns haben sehr volle Arbeitstage – ich glaube, die kann ich nicht übertrumpfen. Nur weil ich in der Öffentlichkeit stehe, ist vielen bewusst: Die macht jetzt die "Sportschau", die macht das Mittagsmagazin – boah, voll stressig! Aber in Wirklichkeit ist es ein ganz normales Arbeitsleben.

prisma: Sie bekommen Ihre Familie also nicht seltener zu Gesicht?

Wellmer: Das ist eher noch ein bisschen bequemer. Vorher habe ich ja auch sehr viel abends moderiert, auch die Spätnachrichten. Weil das jetzt mittags stattfindet, bin ich abends zu Hause. Das ist eine ganz neue Lebenswelt für uns. Mein Mann muss auf einmal wieder mehr einkaufen, weil die Mutter mitisst (lacht). Das sind ganz neue Möglichkeiten, wir können auch mal ins Kino gehen oder abends Freunde treffen.

prisma: Finden Sie auch Zeit, manchmal in Ihre mecklenburgische Heimat zu fahren?

Wellmer: Viel zu selten! Wenn ich dort bin, sehe ich immer wieder, wie schön das ist! Das ging mir als 17-Jährige natürlich nicht so, da wollte ich unbedingt weg, Kleinstadt war mir peinlich. Jetzt finde ich es da super. Meine Mutter zwingt mich jedes Jahr richtig dazu, für ein paar Tage hinzukommen und ein bisschen ruhiger zu fahren.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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