"Der Lissabon-Krimi": 39einhalb Meter näher am Herrgott
Nach dem Tod eines Jungen fällt der Verdacht auf einen Priester. Rechtsanwalt Silva wird um Hilfe gebeten. Doch das ist gar nicht so einfach: Der verdächtige Pater ist an das Beichtgeheimnis gebunden.
Die Gegner der im europäischen Ausland verorteten Donnerstagskrimis werden wieder einmal aufstöhnen dürfen. In seinem fünften Fall, "Zum Schweigen verurteilt", wird Rechtsanwalt Silva (Jürgen Tarrach) vom Onkel seiner Gehilfin Marcia (Vidina Popov) gebeten, einem Priester zu helfen. Cristovao Lima (Timur Isik) ist unter Verdacht geraten, einen Jungen aus seiner Gemeinde missbraucht und getötet zu haben. Marcias Onkel, aber auch der um Hilfe gebetene Anwalt und seine Assistentin, mögen das nicht glauben. Sie sehen sich umso mehr auf der Seite des verschwiegenen Priesters, als sich herausstellt, dass sich dieser um arme und verwahrloste Kinder von der Straße kümmert. Eine Recherche, die auf den schmalen Grat zwischen Nächstenliebe und Pädophilie zu führen droht, beginnt.
Man darf den Machern des "Lissabon-Krimi", dem Drehbuchautor Thomas Freundner und dem Regisseur Tim Trageser, bei allem Zug zum Trivialen bestätigen, das spekulativ verminte Thema des Kindsmissbrauchs mit Geschick und Empathie bewältigt zu haben. Es kommt ja noch hinzu, dass so ein Lissabon-Krimi ein gehöriges Maß an romantischen Stadtperspektiven einfordert (gedreht wurde im Herbst 2019). Der Fall spielt schließlich im wahrsten Sinne des Wortes um einen Kirchturm inmitten der Lissaboner Altstadt herum. Parallel zum fliegenden Büro des Anwalts Silva in seiner Pension über dem Tejo bieten sich also jede Menge Ausblicke über die Dächer Lissabons an. Der tatverdächtige Priester, den Timur Isik auch in der deutschen Synchronisation erstaunlich unpathetisch spielt, hatte offensichtlich des öfteren Kinder mit auf den Glockenturm genommen, um sie dort die Aussicht genießen zu lassen und um "39einhalb Meter näher am Herrgott" zu sein. Da dürften dann auch Hitchcock und seine "39 Stufen" grüßen.
Nun hält er mit einer gewissen Verstocktheit den toten Pele im Arm, Mitglied einer Jugendbande, die aus Fußballkindern der Gemeinde besteht. Alle haben sich die Namen ihrer Vorbilder von Pele bis Figo und Marta gegeben. Keine Frage, dass das ein wenig theatralisch wirkt. Aber es gibt eben auch schöne, durchaus natürlich wirkende Szenen, etwa wenn ein kleiner Dieb dem Anwalt das ihm entwendete Handy gegen Finderlohn zurückgeben will und in einer Tüte kramt: "Such es dir selber aus!". Eine geklaute Brieftasche ist es dann auch, die Anwalt Silva zum Täter führt. Mit orchestralem Sound wird die sonst von zurückhaltenden Fado-Klängen umrahmte Geschichte vom Guten Hirten und dessen Verteidiger zum tragischen Finale hochgezogen.
Man mag es fragwürdig nennen, aber Jürgen Tarrach hat sich als Anwalt Silva hier wieder ein Stück weiter im deutsch-portugiesischen Film-Lissabon etabliert. Eine weitere neue Folge, "Die verlorene Tochter", läuft am 26. November im Ersten.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH