Neue RTL-Show "Einstein Junior"

Max Giermann: "Viele Fähigkeiten sind einfach verkümmert"

von Eric Leimann

"Man kann Dinge sehr genau abbilden und sie trotzdem nicht durchdringen", sagt Max Giermann, der vielleicht beste Parodist Deutschlands, nüchtern über sein Handwerk. Das heißt, wer etwas sehr gut nachmachen kann, hat es nicht zwangsläufig auch verstanden.

Eindeutiger dürften jene Fragen und Antworten ausfallen, die der "Switch Reloaded"-Komiker und Deutscher-Fernsehpreis-Gewinner 2018 seinen jungen Kandidaten in der neuen RTL-Quizshow "Einstein Junior" stellt (Samstag, 21. Juli, 20.15 Uhr). Vier Folgen des Familienformats mit teilweise hochbegabten Kindern zwischen acht und zwölf Jahren sind in der samstäglichen Primetime zu sehen.

Max Giermann, Schüler der renommierten Berliner Schauspielschmiede "Ernst Busch" und ausgebildeter Clown, über die Ambivalenz seiner Schulzeit und was er dort für sein späteres Leben alles (nicht) lernte.

prisma: Sie arbeiten in der Show mit Kindern zwischen 8 und 13 Jahren. Dabei sagt man doch beim Film: Hüte dich vor Tieren und Kindern!

Max Giermann (lacht): Ja, weil man sie nur schwer kontrollieren kann. Kinder sind tatsächlich unberechenbarer als Erwachsene. Sie machen oft, was sie wollen, und denken weniger darüber nach, was für ein Bild sie abgeben. Darin liegt aber auch ein Reiz. Für mich war es sogar der Hauptgrund, bei dem Projekt mitzumachen.

prisma: Inwiefern unterscheiden sich Kinder noch von erwachsenen Kandidaten?

Giermann: Sie antworten ehrlich auf Fragen und sagen, was sie denken. Beides ist ja im Fernsehen nicht unbedingt üblich. Ein Junge meinte zu mir hinter der Bühne, er hätte mich gegoogelt und wolle wissen, warum ich auf Fotos immer so gequält schaue. Damit liegt er nicht ganz falsch. Ich bin keiner, der das Rampenlicht mag. Deshalb habe ich so ein Rotes-Teppich-Grinsen. Meine Schwester steckte mir das auch schon öfter im Vertrauen. Kinder sagen einem so etwas aber direkt ins Gesicht. Das ist der Unterschied.

prisma: Hatten Sie es mit einer Kandidatenschar von Hochbegabten zu tun?

Giermann: Zumindest war die Begabung nicht im klischeehaften Sinne sofort sichtbar. Die Kinder waren keine Nerds mit Hornbrillen. Es waren sehr normale, aktive und sympathische Kinder. Sie waren allerdings schon schlau – einige hatten einen IQ von bis zu 155.

prisma: Was können Ihre Kandidaten besonders gut?

Giermann: Pro Sendung spielen drei Dreiergruppen gegeneinander. Gefragt sind verschiedene Fähigkeiten, für die es in den Teams teilweise auch Experten gibt. Es geht um Kopfrechnen, rückwärts Buchstabieren, Memorieren von Bildern und Fakten. Man hat bei der Auswahl der Kinder darauf geachtet, dass sie wirklich Spaß an der Sache hatten. Man wollte keine dressierten kleinen Roboter. Keine Kinder von klassischen Eiskunstlauf-Eltern.

prisma: Wo findet man solche Kinder?

Giermann: Ich war nicht dabei, als die Auswahl vorgenommen wurde. Ich nehme an, man findet solche Kinder über schulische Förderprogramme, Mathematikwettbewerbe und solche Dinge. Man merkt der Show schon an, dass wir sehr intelligente Kinder da hatten. Andererseits wollten wir das Thema Hochbegabung auch ein wenig vom Stigma des Nerdtums befreien.

prisma: Was können Kinder besser als Erwachsene?

Giermann: Beim Memorieren sind sie verblüffend gut. Auch die Fähigkeiten beim Kopfrechnen haben mich beeindruckt. Da war ich teilweise fast schon beschämt und habe mir vorgenommen, mal wieder öfter mit dem Kopf zu rechnen, anstatt alles ins Smartphone einzutippen. Viele Fähigkeiten, die wir früher hatten, sind einfach verkümmert.

prisma: In welche Rollen schlüpfen Sie – und was haben sie mit der Show zu tun?

Giermann: Das ist eine berechtigte Frage, schließlich würde eine Quiz-Show auch ohne Parodie funktionieren. Man dachte einfach, wenn schon der Giermann das macht, kann man ein wenig Parodie integrieren. Schließlich geht die Show über 90 Minuten, und da tut ein auflockerndes Element gut. Die Einspielfilme, in denen ich in bereits bekannte Rollen, aber auch in die Albert Einsteins schlüpfe, sind dazu da, auf die Quiz-Aufgaben hinzuleiten.

prisma: Ist Albert Einstein eine dankbare oder undankbare Rolle für einen Parodisten?

Giermann: Zunächst mal ist er dankbar, weil kaum noch jemand weiß, wie der echte Albert Einstein war. Bei Parodien von Leuten, die jeder täglich im Fernsehen sehen kann, muss man sehr genau sein. Ich fand es interessant, einen alten Mann darzustellen, das wollte ich schon immer mal. Ich war wahrscheinlich genauer, als ich hätte sein müssen. Aber so ist nun mal meine Methode.

prisma: Wie sehr haben Sie Streber in der Schule genervt – oder waren Sie selbst einer?

Giermann: Ein Streber war ich nicht, aber einer von denen, die nach Arbeiten sagten, dass sie die total verhauen hätten – und am Ende doch eine Zwei bekamen. Solche Schüler sind nicht unbedingt beliebt (lacht). Ich war tatsächlich ein recht guter Schüler, aber kein Streber. Mit den Lehrern kam ich gut klar. Ich wusste immer, wie man sich ohne großen Aufwand durchschlängelt. Trotzdem habe ich die Schule nicht gemocht. Ich hatte noch Jahre später Schulalbträume.

prisma: Warum war das so?

Giermann: Schwer zu sagen. Ich empfand die Schule als Druck. Leistungsdruck macht mir heute noch zu schaffen. Ich leide noch Meiimmer unter Lampenfieber und habe großen Respekt vor der Tatsache, dass die Leute etwas von mir erwarten. Etwas anderes, das ich an der Schule hasste, war das frühe Aufstehen. Das schlimmste Gefühl, an das ich mich aus der Kindheit erinnere, war die Stimmung am letzten Tag der Sommerferien.

prisma: Waren Sie trotzdem der Klassenclown?

Giermann: Nein, überhaupt nicht. Ich bin von meinem Naturell her nicht der Typ Klassenkasper. Ich war eher ein zurückhaltendes, schüchternes Kind. In der Jugend änderte sich das, da war ich dann für jeden Blödsinn zu haben. Den hat man sich meistens in der Gruppe ausgedacht. Jeder kennt das ja, Schüler können in der Gruppe ziemlich furchtbar sein (lacht). Aber wir waren nicht nur destruktiv, es waren schon auch kreative Sachen dabei.

prisma: Sie haben nach der Schule eine renommierte Schauspielschule besucht und sich zum Clown ausbilden lassen. Ist es richtig, dass man in diesem Umfeld viele Schulversager trifft?

Giermann: Ich würde sagen, das ist ein Klischee. Man redete an der Schauspielschule nicht oft über Schulkarrieren. Es ist einfach nicht wichtig dort. Kaum etwas, das ich in der Schule lernte, konnte ich später in meinem Beruf gebrauchen. Ich hatte wirklich ein gutes Abitur, konnte damit aber wenig anfangen. Ich hätte mich nicht so anstrengen müssen, aber das weiß man ja vorher nicht (lacht).

prisma: Hilft es als Schauspieler, wenn man gut in Deutsch war und sich beispielsweise darauf versteht, Texte strukturiert zu erfassen und zu analysieren?

Giermann: Wenn einem Sprache liegt, wenn man intuitiv gut mit Texten arbeiten kann und dramaturgische Bögen versteht, ist das sicherlich hilfreich. Wenn man als Regisseur arbeiten will, ist es sogar von großer Wichtigkeit. Aber das macht mit Sicherheit noch keinen guten Schauspieler aus. Es geht auch ohne Talent im analytischen Bereich. Ich bin jemand, der bei seinen Parodien sehr intensiv mit Texten arbeitet. Ich baue lange an meinen Texten herum, sie sind die Grundlage meiner Arbeit. Aber ich bin kein Autor. Ich arbeite gern mit Texten, aber mein Talent als kreativer Schreiber ist ziemlich begrenzt.

prisma: Sie sind ein genialer Beobachter anderer Menschen, wie man an Ihren Parodien sehen kann. Versteht man die Menschen auch besser, wenn man sie gut zu imitieren versteht?

Giermann: Leider hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Wenn ich allein daran denke, wie viele Lanz-Sendungen ich sah, nicht weil ich dem Gespräch folgen wollte, sondern weil ich den Moderator genau studierte. Trotzdem weiß ich nichts über den Menschen Markus Lanz. Manche Figuren spiele ich seit über zehn Jahren und wundere mich, wenn ich die mal im wahren Leben treffe. Oft sind die Leute dann ganz anders. Ich sehe Parodie eher wie das Handwerk eines Zeichners. Man kann Dinge sehr genau abbilden und sie trotzdem nicht durchdringen.

prisma: Ist es tatsächlich die Regel, dass Sie sich wundern, wenn Sie Ihre "Parodieopfer" im wirklichen Leben kennenlernen?

Giermann: Ja, tatsächlich. Viele fand ich auf dem Fernsehschirm unsympathisch. Und wenn ich sie dann traf, kamen sie mir sehr sympathisch vor – und umgekehrt. Beim Parodieren bleibt man beim Äußerlichen. Was ich nicht schlimm finde, denn Fernsehen ist ein sehr äußerliches Medium, und ich parodiere vor allem Leute aus dem Fernsehen. Man kommt dem Menschen durch meine Arbeit nicht wirklich näher. Und das ist gut so. Als zurückhaltender Mensch will ich ja eigentlich niemandem persönlich zu nahe treten.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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