Patrick Dempsey im Interview

Wie viele Warnsignale von unserer Umwelt brauchen wir noch?

von Rachel Kasuch

Patrick Dempsey präsentiert sich im Interview zu seiner neuen Serie "Devils" von der nachdenklichen Seite. "Unsere Gesellschaft muss sich ändern", befindet der Mann, der als "McDreamy" zur Legende wurde.

Seit seinem 19. Lebensjahr steht Patrick Dempsey vor der Kamera, doch erst 20 Jahre später wurde er als Neurochirurg Derek "McDreamy" Shepherd in der Serie "Grey's Anatomy" zum Weltstar. Auch heute, fünf Jahre nach seinem Ausstieg beim Serien-Welthit, kann Dempsey nicht unerkannt die Straße entlangschlendern, wie gerade erst wieder deutlich wurde: Als der 54-Jährige für die Dreharbeiten zu seiner neuen Serie "Devils" in Rom und London unterwegs war, wurde er tagtäglich von hunderten Fans umringt. Aber das stört Dempsey keineswegs, wie er im Interview versichert. Charmant wie eh und eh, mit perfekt gestylten Haaren und lässig aufgeknöpftem, weißen Hemd, meldete er sich zum Zoom-Gespräch und plauderte über Geld, Macht und den Grund, warum die Menschen gerade jetzt zusammenhalten sollten ...

Für die Serie "Devils" schlüpfte Patrick Dempsey in die Rolle des rücksichtslosen Finanzmoguls Dominic Morgan, der vor nichts zurückschreckt. Selbst als er sich inmitten eines internationalen Finanzkrieges befindet und ein Skandal den nächsten jagt, scheint er keine Grenzen zu kennen. Oder hat Morgan sogar selbst die Finger im Spiel? Der zehnteilige Finanzthriller, der auf dem italienischen Bestseller "I Diavoli" von Wertpapierhändler Guido Maria Brera basiert, ist derzeit (immer donnerstags, 20.15 Uhr) auf Sky Atlantic und auf Abruf zu sehen.

prisma: Herr Dempsey, diese Rolle ist eine große Verwandlung für Sie: Von McDreamy zum Finanzteufel. Wie war das?

Patrick Dempsey: Genau deshalb habe ich mich für diese Serie entschieden, denn diesen dramatischen Übergang hat sicherlich keiner von mir erwartet (lacht). Ganz nach dem Motto: Öfter mal was Neues.

prisma: Was haben Sie über die als brutal und hart geltende Finanzwelt gelernt?

Dempsey: Ich muss gestehen, dass ich den Beruf des Investment-Bankers nun ganz neu wertschätze. Ich hatte keine Ahnung, wie hart die Leute in der Finanzwelt wirklich arbeiten. Sie hören nie auf und versuchen immer, ganz vorne mit dabei zu sein, um heute schon zu wissen, was morgen passiert. Guido, der Autor, ist ein bemerkenswerter Mann. Wie er uns in diese Welt eingeführt und uns dadurch einen Einblick in dieses Leben gegeben hat, war unglaublich. Es gibt gute Leute mit den richtigen Absichten, doch es gibt leider auch viele schlechte Leute mit einer teuflischen Energie, die von Macht und Geld gesteuert werden.

prisma: Das Spannende an der Geschichte ist, dass sie an die Finanzkrise von 2008 angelehnt ist, diese aber nicht wie üblich aus der amerikanischen, sondern aus der europäischen Perspektive erzählt.

Dempsey: Das ist der Reiz daran, denn genau das haben wir bis jetzt noch nicht gesehen. Durch das Wissen von Guido bekommen wir einen direkten Einblick und das Faszinierende daran ist, dass wir dadurch ein bisschen wachgerüttelt werden. Es muss nicht alles aus Amerika stammen oder sich um Amerika drehen. Das beweist auch die Situation, in der wir uns gerade befinden.

prisma: Inwiefern?

Dempsey: Die Pandemie zeigt uns, dass wir als globale Gesellschaft voneinander abhängig sind. Jedes Land ist als Teil der Lieferkette von anderen abhängig geworden. Die Welt zählt auf einmal als eins. Das ist faszinierend zu sehen.

prisma: Sie haben bei Instagram gepostet: "Unsere Erde spricht mit uns, aber hören wir ihr zu?" – Was wollten Sie damit vermitteln?

Dempsey: Das große Problem ist, dass wir nicht wissen, wie wir das Wachstum, das ständig von neuen Unternehmen gefordert wird, aufrechterhalten können. Wir müssen uns letztendlich im Klaren sein, wie viel Macht, Geld, Reichtum und Erfolg ausreichend ist, um das zu erreichen, was von jedem angestrebt wird. Das Traurige ist ja, nichts mehr scheint gut genug zu sein. Was ist der wahre Erfolg von heute? Keiner weiß es mehr. Was ich aber weiß ist, dass ich und viele andere auch seit zehn Wochen nicht mehr das Haus verlassen haben. Da hat man auf einmal Zeit, zu überlegen, was wirklich wichtig ist im Leben. Sind die materiellen Dinge, die wir ständig wollen, die Antwort auf Glück? Oder ist es im Grunde genommen das Einfache: Mit der Familie zusammen zu sein, gemeinsam das Abendessen vorzubereiten, sich Liebe und Zuneigung schenken?

prisma: Wahrscheinlich würden spontan fast alle antworten, es geht um Letzteres!

Dempsey: Natürlich. Das Widersprüchliche an der ganzen Sache ist nur, dass wir uns aufgrund der Pandemie eigentlich gar nicht berühren dürfen. Das Händeschütteln oder die Umarmung zur Begrüßung fällt in Zukunft ins Wasser. Wir sind brutal auseinandergerissen worden und können uns nur noch auf Distanz treffen. Die Gier der Menschen hat alles zerstört. Ich weiß nicht, wie viele Warnsignale wir noch von unserer Umwelt brauchen, um endlich aufzuwachen und zu begreifen, dass wir es sind, die sich ändern müssen. Unsere Gesellschaft muss sich ändern.

prisma: Glauben Sie daran?

Dempsey: Es wird uns nichts anderes übrig bleiben. Eines ist sicher: Wir werden nicht mehr so viel reisen wie früher. Auf jeden Fall vorerst nicht. Wir werden uns Alternativen überlegen müssen. Wie zum Beispiel ein solches Zoom-Interview. Unser soziales Leben findet auf einmal hinter einem Bildschirm statt. Der Vorteil ist, dass es unsere Umwelt schont. Doch können wir durch diese Nachhaltigkeit eine Basis für alle finden, um eine gute Existenz zu haben? Müssen wir so viel besitzen, dass wir nicht teilen können? Unsere Gesellschaft und unsere Erde zeigt uns, dass wir eigentlich voneinander abhängig sind. Und genau deshalb müssen wir einen Weg finden, mit dem wir auf harmonische und freundschaftliche Weise zusammenarbeiten können. Wir müssen es schaffen, uns auf diese Art und Weise gemeinsam weiterzuentwickeln.

prisma: Lassen Sie uns mal über Ihre Karriere sprechen. Sie sind seit Ihrem 19. Lebensjahr in dieser Branche, doch erst 2005 schafften Sie mit "Grey's Anatomy" den weltweiten Durchbruch. Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem 19-jährigen Ich geben, wenn Sie zurückreisen könnten?

Dempsey: Das ist eine wirklich gute Fragen, und ich habe schon oft über so etwas nachgedacht. Manchmal überlege ich mir, was kommt als nächstes, oder brauche ich noch mehr? Habe ich Zeit, die Welt vorbeiziehen zu lassen? Wenn ich meinem früheren Selbst oder anderen Jungschauspielerin einen Ratschlag geben könnte, wäre es: Sei geduldig und vertraue darauf, dass sich alles so entfalten wird, wie es sein soll.

prisma: Empfindet man es als Jungschauspieler so, dass man genug Zeit und Geduld hat?

Dempsey: Natürlich ist das schwer, ich konnte es auch nicht. Das Härteste für einen Schauspieler ist, ständig nach dem nächsten Job zu suchen und zu versuchen, sich immer weiterzuentwickeln. Es ist wie ein Rennen ohne Ziellinie. Manchmal sollte man jedoch eine kleine Pause einlegen, das Leben genießen und Erfahrungen sammeln, denn diese wiederum helfen, als Schauspieler und als Person zu wachsen, um näher an die begehrte Flamme zu kommen. Wenn du dich verbrennst, geh einen Schritt zurück und starte einen neuen Anlauf. Gib dir Zeit und hab Geduld mit dir selbst. Habe keine Zukunftsangst, denn das ist es, was die meisten Schauspieler haben. Und hab auch keine Angst vor der Vergangenheit.

prisma: Am Set von "Devils" in Rom standen täglich hunderte Fans vor ihrer Garderobe. Wie gehen Sie damit um, dass Sie sich nirgends unerkannt sehen lassen können?

Dempsey: Ich weiß, dass ich im Rampenlicht stehe, aber ich habe mir diesen Beruf ausgesucht, und das gehört nun mal dazu. Wenn ein Fan auf mich zukommt, nehme ich mir die Zeit für ihn. Ich weiß aber auch, wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege, besteht jede Sekunde die Möglichkeit, dass ein Video von mir gemacht wird und in Windeseile auf Social Media auftaucht. Deshalb benehme ich mich dementsprechend. Wenn ich mich daneben benehmen will, dann mache ich das in meinen eigenen vier Wänden (lacht). Aber Spaß beiseite, ich finde es ist kein, oder sagen wir: ein gutes Problem. Schlimmer wäre es, wenn ich auf der Straße entlanglaufen würde und mich keiner erkennt. Dann hätte ich in meiner Karriere irgendwas falsch gemacht.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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