Hauptrollendebüt für Comedian Harry G

Markus Scholl ist "Der Beischläfer": "Ich fühlte mich ebenbürtig"

von Julian Weinberger

In der neuen Amazon-Serie "Der Beischläfer" gibt Markus Stoll alias Harry G  sein Debüt als Hauptdarsteller. Im Interview spricht er über das Künstlerdasein in der Corona-Krise, die Arbeit mit bekannten Schauspielern und die besondere Bedeutung des Oktoberfests.

Ob mit seinen scharfzüngigen Videos in den sozialen Medien oder seinen Bühnenprogrammen, mit denen er seit Jahren durch Bayern und die ganze Republik tourt: In der Comedy-Szene hat sich Harry G längst etabliert. Mit dem Namen Markus Stoll, so heißt der ewig grantelnde Vorzeigebayer im wahren Leben, können derweil nur wenige etwas anfangen. Das könnte sich bald ändern. Denn ab 29. Mai gibt der gebürtige Regensburger in der Amazon-Comedy "Der Beischläfer" nach einigen Gastrollen in TV- und Kino-Produktionen beim Streaminganbieter Amazon sein Debüt als Hauptdarsteller einer Serie. Wie sich die Zusammenarbeit mit seinen erfahrenen Schauspielkollegen angefühlt hat, was er in der Corona-Krise von der Politik erwartet und warum Bayern das schönste Land der Welt ist, erzählt Markus Stoll im Gespräch.

prisma: Monatelange Zwangspause und Künstler in Existenznöten: Wie nehmen Sie aktuell die Stimmung in der Branche wahr?

Stoll: Die Stimmung ist im Keller, ganz unten. Für viele Unternehmen ist es ein Desaster und bedeutet den Ruin, wenn es nicht bald Unterstützung gibt.

prisma: Würden Sie sich von der Politik mehr Initiative wünschen?

Stoll: Ich würde mir mehr Klarheit wünschen, konkrete Aussagen aus einer Quelle und weniger Gießkanne. Das würde schon mal sehr helfen. Und dass man Unterhaltung und Kultur, auch die Gastronomie übrigens, nicht ans Ende der Nahrungskette stellt.

prisma: Abseits der beruflichen Herausforderungen: Welche privaten Themen haben Sie als zweifachen Vater auf die Probe gestellt?

Stoll: Natürlich die Kinderbetreuung. Eltern wissen ja gar nicht mehr, was es bedeutet, wenn die Kinder daheim sind und nicht in der Kita, im Kindergarten oder in der Schule. Aber es ist machbar und schön. Und nervig ...

prisma: Sie haben zuletzt das Agieren von Adidas in der Krise vehement verurteilt. Außerdem bestimmen die Forderung der Autoindustrie nach Prämien die Schlagzeilen. Wie beurteilen Sie generell das Handeln der Politik in der Krise?

Stoll: Ich verstehe, dass die Autoindustrie ein wichtiger Teil unserer Wirtschaft ist und Hilfe braucht. Aber das brauchen andere Bereiche auch, die vielleicht keine so große Lobby haben. Das muss ebenfalls in den Fokus rücken! Die Politik ist – und das ist für mich nachvollziehbar – mit der aktuellen Situation genauso überfordert wie jeder Einzelne von uns. Sicher kann man über die Vorgehensweise diskutieren, aber es gibt nun mal keinen Fall, mit dem man die aktuelle Situation vergleichen kann.

prisma: Trotzdem steigt die Unzufriedenheit ...

Stoll: Natürlich sind die Leute unruhig und möchten ihr normales Leben so weiterleben wie bisher. Und viele haben Existenzängste. Ich finde es deshalb sehr bedenklich, dass Fake News und Verschwörungstheorien unkritisch geteilt werden und die Ängste der Menschen dadurch nur noch weiter geschürt werden, um die Gesellschaft und Demokratie zu destabilisieren.

prisma: Auch das Oktoberfest fiel der Corona-Krise zum Opfer ...

Stoll: Das ist ein notwendiges Übel. Es wäre ein Wahnsinn, es in Corona-Zeiten feucht und fröhlich stattfinden zu lassen. Ich kann die Enttäuschung nachvollziehen, denn uns geht die fünfte Jahreszeit verloren, aber wir werden es sicher einmal ohne sie schaffen.

prisma: Was verbinden Sie mit dem Oktoberfest?

Stoll: Ich war mit meinem Vater schon zu Zeiten auf dem Oktoberfest, da war es noch mehr regional als international. Da war auch die Tracht noch nicht etabliert, das hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Außerdem war der Wiesn-Clip, den ich 2013 veröffentlicht habe, der Startschuss für meine Karriere als Harry G. Das schweißt die Wiesn und mich für immer zusammen.

prisma: Als Harry G haben Sie die Absage der Wiesn mit dem Schlagwort "NOktoberfest" aufgegriffen. Ist der Humor in diesen Zeiten der beste Weg, mit der Situation umzugehen?

Stoll: Momentan ist natürlich alles etwas Galgenhumor, aber den Humor lasse ich mir nicht nehmen. Trotzdem ist Harry G aktuell etwas weniger humorvoll. Die Lage hat für manche Menschen eine sehr ernste Komponente, und da muss man nicht zwanghaft jeden Corona-Witz mitmachen.

prisma: Humorvoll geht es auch in "Der Beischläfer" zu, Ihrem Debüt als Hauptdarsteller in einer Serie. Wie lautet Ihr Fazit?

Markus Stoll: Das war eine große Erfahrung, weil ich quasi als Neuling zu einer Hauptrolle gekommen bin. Ich habe zwar schon die ein oder andere Gastrolle gespielt, aber jetzt mit diesen bekannten Schauspielern zu arbeiten – das brachte schon einige Aufregung mit sich, neben ihnen zu bestehen. Das Ergebnis war ein großer Lerneffekt für mich – und eine Riesen-Gaudi.

prisma: Wie wurden Sie von den erfahrenen Kollegen am Set wahrgenommen?

Stoll: Ich fühlte mich ebenbürtig, auch wenn ich mir anfangs gedacht habe: "Jesus, jetzt spielst du mit diesen bekannten Leuten, bist selbst aber Neuling. Vielleicht denken die sich: 'Was ist das für ein Depp?'" Aber es hat relativ gut geklappt, die Kollegen haben mich herzlich aufgenommen, und ich habe viel dabei gelernt. Es war ein tolles Miteinander.

prisma: Ihre Rolle Charlie wird in der Serie ins kalte Wasser geschmissen, als er zum Schöffen berufen wird. Würde Sie das Schöffenamt auch interessieren?

Stoll: Mit meinem Tour-Leben in normalen Zeiten ohne Corona wäre das nicht möglich, weil die Tätigkeit als Schöffe sehr zeitaufwendig ist. Aber es würde wahnsinnig Spaß machen. Vor Gericht dabei zu sein, ist sehr spannend.

prisma: Charlie versucht seine Ziele immer wieder mit unkonventionellen Methoden zu erreichen und hat eine eigene Vorstellung von Gerechtigkeit. Welche Eigenschaften haben Sie mit ihm gemein?

Stoll: Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich mag es nicht, wenn Menschen ungerecht behandelt werden, egal in welcher Lebenslage. Deshalb finde ich die Rolle des Charlie auch so spannend, also die Frage: Wie würde man als echter Schöffe handeln, wenn man beobachtet, dass durch die Rechtsprechung ein mehr oder minder Unschuldiger verurteilt wird. Auch die Liebe zum Automobil eint uns. Dazu hat Charlie eine sehr gute Menschenkenntnis und kann gut mit Menschen umgehen. Er ist ein durch und durch angenehmer Mensch und sehr hilfsbereit. Gleichzeitig nimmt er kein Blatt für den Mund. Das ist bei mir auch so. Ich helfe den Leuten gerne, sage aber auch meine Meinung.

prisma: Charlie nutzt seine Position, um seinem besten Freund mit unlauteren Mittel aus der Patsche zu helfen. Gibt es bei Ihnen eine Parallele, vielleicht eine Jugendsünde?

Stoll: Naja, wie soll ich sagen. Jeder, der in den 90er-Jahren Auto gefahren ist, war am Rande der Legalität unterwegs. Das sind meines Erachtens aber keine Jugendsünden. Das war einfach eine andere Zeit. Mehr werde ich dazu aber nicht verraten ...

prisma: Sehen Sie die Serienrolle als Chance, sich in einer neuen Facette zu zeigen und sich so von der Kunstfigur Harry G zu distanzieren?

Stoll: Distanzieren trifft es hier nicht. Das eine ist der Comedian Harry G – der übrigens auch häufig in andere Rollen schlüpft – auf der Bühne und in den sozialen Medien. Das ist immer ein ganz wichtiger Teil von mir und bleibt es auch. Das andere ist Markus Stoll, der Schauspieler, der im "Beischläfer" den Charlie verkörpert. Sich im Zusammenspiel mit anderen Schauspielern in einer völlig anderen Rolle zu zeigen, ist eine neue Facette und ein ganz spannendes Feld. Das möchte ich auch ausbauen. Es macht einfach Spaß, nicht immer nur alleine zu sein.

prisma: Sehen Sie sich künftig im Humorfach oder streben Sie auch ernstere Rollen an?

Stoll: Humor ist ein relativ schwieriges Feld, weil die Mischung aus Humor und Ernst sehr herausfordernd ist. Daran arbeite ich mich jetzt gerade ab und bin damit gut ausgefüllt. Für weitere Abenteuer, also auch mal ernste Rollen, bin ich aber offen.

prisma: Sie sind gebürtiger Regensburger, leben aber seit vielen Jahren in München. Hatten Sie anfangs ähnliche Anpassungsschwierigkeiten wie die Richterin Julia Kellermann in der Serie?

Stoll: Ich hatte schon während meiner Studienzeit in Innsbruck sehr viele Freunde in München. Deshalb hatte ich schon einen guten Freundeskreis, und es war keine große Umstellung. Der Anschluss war von vornherein da, auch wenn München natürlich etwas anderes als Regensburg ist – besonders in Sachen "Sehen und gesehen werden". Bussi Bussi und Schickeria gehören zu München, das gibt es sonst nirgends in dieser Form.

prisma: München war bereits in Kultserien wie "Monaco Franze" und "Kir Royal" Schauplatz. Inwiefern führt "Der Beischläfer" dieses Erbe weiter?

Stoll: Die Verbindung zu München ist eine Parallelität, der Dialekt und die bayerische Lebensart und Attitüde. Abgesehen davon spielt der Beischläfer im Hier und Jetzt, im modernen München. Das macht klar den Unterschied.

prisma: Bayerische Stoffe wie "Der Beischläfer" erleben seit einigen Jahren einen Boom. Wie erklären Sie sich diese anhaltende Nachfrage nach regionalen Stoffen?

Stoll: Ich glaube, dass in diesen schnelllebigen, turbulenten, globalisierten und digitalisierten Zeiten "Normalität" Entschleunigung bietet. Mit Bayern verbindet jeder schöne Dinge wie Berge, Landwirtschaft, Zusammenhalt, Urlaub, Feiern und so weiter. Das vermittelt einfach ein wunderschönes Lebensgefühl, in das der Zuschauer gerne eintaucht. Und der Bayer schaut zu, weil es für ihn die Bestätigung ist, im schönsten Land der Welt zu leben.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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