Neue Serie bei Amazon Prime

"Der Beischläfer": Harry G und ein Hauch von Eberhofer

von Julian Weinberger

Als Schöffe wider Willen liefert sich Kabarettist Harry G in "Der Beischläfer" in seiner ersten Serien-Hauptrolle ein humorvolles Duell mit einer ambitionierten Richterin.

Ein Mangel an Kreativität war bei Markus Stoll (40) noch nie erkennbar. Als Harry G eroberte der Bayer 2013 mit humoristischen Videos seines dauergrantelnden Alter Egos das Internet. Heute hat Stoll mit seiner Kunstfigur längst einen Platz unter den populärsten bayerischen Comedians sicher. Auftreten kann der Vorzeigebayer aufgrund der Corona-Krise auf absehbare Zeit aber nicht. Kein Problem für den findigen Komiker, der sein aktuelles Bühnenprogramm "Hoamboy" kurzerhand in "Dahoamboy" umdichtete und seinen Fans die Wartezeit auf den nächsten Auftritt mit urkomischen Webvideos verkürzt. Wer trotzdem nicht genug vom gebürtigen Regensburger bekommen kann, dem sei die neue Amazon-Comedy "Der Beischläfer" (ab 29. Mai) ans Herz gelegt.

In der sechsteiligen Serie spielt Stoll den Oldtimer-Mechaniker Charlie Menzinger, der sich am liebsten an einem feuerroten Alfa Romeo verdingt – ein Erinnerungsstück an seine verstorbene Frau. Doch das Leben des Autoschraubers nimmt eine unerwartete Wende, als er zum Schöffen berufen wird. Ausgerechnet Charlie, der sein Vertrauen in die Justiz nach dem ungesühnten Unfalltod seiner Frau verloren hat, soll als ehrenamtlicher Richter arbeiten – und das auch noch für fünf Jahre?

In der Tat, denn für einen geräuschlosen Abgang durch die Hintertür respektive das Toilettenfenster (Auflösung in Folge eins) ist es zu spät. Diese Erkenntnis ereilt Charlie spätestens nach der eindringlichen Erklärung seiner zugeteilten Richterin Dr. Julia Kellermann (Lisa Bitter). Auch die gebürtige Berlinerin ist über ihre neue Rolle in München alles andere als glücklich. Statt des ersehnten Postens als Einzelrichterin muss sie sich neben Charlie auch mit pedantischen Paragrafenreitern und esoterisch angehauchten Schöffinnen herumärgern.

Von Kraftausdrücken strotzende Lästertiraden über zugezogene Schicki-Micki Bonzen in München oder knackige Verbalangriffe auf Politik und Wirtschaft – als Harry G nimmt Markus Stoll kein Blatt vor den Mund. Das offenbarte sich nicht zuletzt in einem kürzlich veröffentlichten Video des Komikers, in dem er mit Sportartikelgigant Adidas abrechnete. Dahingegen wird Markus Stoll bei seinem Debüt als Hauptdarsteller einer Serie in "Der Beischläfer" von den Drehbuchautoren Murmel Clausen ("Tatort", "Die Bullyparade") und Mike Viebrock an die kurze Leine genommen. Vieles von der rhetorischen Schärfe und den oft zum Schreien komischen Wortbildern geht dadurch verloren.

Trotz Automechaniker mit angezogener Handbremse sorgt das Amazon Original von Regisseurin Anna-Katharina Maier aber für kurzweilige Unterhaltung. Nicht nur die schwierige Beziehung zwischen Charlie und Dr. Kellermann provoziert immer wieder Lacher. Gleiches gilt auch für Charlies besten Kumpel Xaver (Daniel Christensten), der mit seiner verrückten Idee, bayerischen Tequila zu brennen, Schwierigkeiten anzieht wie der Misthaufen die Fliegen. Umso hilfreicher, dass Charlie in seiner Funktion als Schöffe seinem Freund in Nöten aus der Patsche helfen kann – selbst wenn er sich dabei bei einem E-Roller-fahrenden Börsenwiderling anbiedern muss.

Neben selbstgefälligen Finanzhaien bekommen auch raffgierige Immobilienmakler ihr Fett weg – Stichwort Mietwahnsinn in Großstädten. Weil sich dank Helmfried von Lüttichau ("Huber und Staller") in seiner Rolle als Charlies Schwiegervater und dem stimmigen Mundart-Soundtrack obendrein jede Menge Lokalkolorit breitmacht, muss "Der Beischläfer" Vergleiche mit Genrevorbildern wie den Eberhofer-Krimis nicht scheuen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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