Schauspielerin im Interview

Sophie von Kessel: "Nacktszenen sind kein Problem für mich"

von Sven Hauberg

Mitte Oktober ist sie 50 Jahre alt geworden – vor der Kamera nackt zu sein, ist für Sophie von Kessel dennoch kein Problem. Im ZDF-Film "Du bist nicht allein" (Montag, 3. Dezember, 20.15 Uhr) spielt sie eine Frau, die von einem Stalker verfolgt und nackt in ihren eigenen vier Wänden fotografiert wird. Eine Rolle, die für Sophie von Kessel auch eine Beschäftigung mit der eigenen Psyche bedeutete.

Im Interview erzählt die Diplomatentocher, was sie von der Ehe hält, warum eine Beziehung auch einen Seitensprung verkraften kann und was für sie Heimat bedeutet.

prisma: Frau von Kessel: Eva, die Sie in "Du bist nicht allein" spielen, verlässt ihren Mann wegen einer Affäre. Wäre das für Sie ein Trennungsgrund?

Sophie von Kessel: Nein, das kann ich nicht pauschal sagen. Hinter jeder Beziehung steckt ja eine gemeinsame Geschichte und die ist immer ganz individuell. Ich denke, es macht einen Unterschied, ob jemand Jahre lang ein Doppelleben führt oder ob er nur einen Seitensprung macht.

prisma: Beziehungen müssen so etwas aushalten können?

von Kessel: Schon. Viele Beziehungen halten das auch aus. Wenn jemand das Bedürfnis hat, seinen Partner zu betrügen, dann hat das meist einen Grund. Zu einer Beziehung gehören immer zwei. Vor Gericht wird heute auch nicht mehr automatisch derjenige benachteiligt, der seinen Partner betrogen hat. Die pure Schuldzuweisung bringt einen, glaube ich, nicht weiter.

prisma: Sie sind seit mehreren Jahren mit Martin Kusej liiert, dem Intendanten des Münchner Residenztheaters, zu dessen Ensemble Sie gehören. Demnächst will er München verlassen, um ans Wiener Burgtheater zu gehen. Werden Sie ihm folgen?

von Kessel: Das ist alles noch nicht geklärt, das lassen wir auf uns zukommen.

prisma: Ist München für Sie zur Heimat geworden? Sie sind in Mexiko-Stadt geboren und haben viel im Ausland gelebt ...

von Kessel: Ich bin schon sehr lange in München und habe zwei Kinder, die hier groß geworden sind. Deswegen habe ich eine große Bindung zu der Stadt. Aber ich bin in meinem Leben ständig umgezogen und bin nicht so ortsgebunden, wie das andere Menschen vielleicht sind.

prisma: Was bedeutet denn für Sie Heimat?

von Kessel: Heimat ist für mich etwas anderes als für jemanden, der sein Dorf oder seine Stadt nie verlassen hat. Meine Heimat ist da, wo die Menschen sind, die ich liebe.

prisma: Sie und Martin Kusej sind nicht verheiratet; auch mit dem Mann Ihrer Kinder waren Sie nicht verheiratet. Warum haben Sie keine Lust auf die Ehe?

von Kessel: Ich glaube irgendwie nicht an die Ehe. Ich glaube nicht, dass etwas fester und sicherer wird, wenn es auf dem Papier steht.

prisma: Ist das auch eine Form von Freiheitsdrang?

von Kessel: Nein. Wenn ich in einer Beziehung bin, fühle ich mich schon gebunden und verlasse mich auch da drauf – so wie ich es tun würde, wenn ich verheiratet wäre. Ich weiß nicht, warum ein Eheversprechen verbindlicher sein sollte als es eine feste Beziehung ist. Man kann ein ganzes Leben miteinander verbringen, ohne verheiratet zu sein. Das Heiraten ist nur plötzlich wieder in Mode gekommen.

prisma: Ist das eine neue Spießigkeit?

von Kessel: Spießig würde ich das nicht nennen. Das soll und kann ja nur jeder für sich selbst entscheiden und ich werte das nicht. Aber ich weigere mich, mich an irgendwelche Moden zu hängen.

prisma: Sie sind vor wenigen Wochen 50 geworden. War das mehr als nur eine Zahl?

von Kessel: Nein, das ist für mich tatsächlich nur eine Zahl. Das mit der 40 war ja auch nicht so richtig schick (lacht). Ich fühle mich nicht so – ich weiß gar nicht, wie man sich mit 50 fühlen müsste. Ich bin schließlich nur einen Tag älter geworden an meinem Geburtstag.

prisma: Stimmt es, dass man als Frau ab einem gewissen Alter Probleme hat, gute Rollen zu bekommen?

von Kessel: Auf jeden Fall. Das hat mit den Rollenbildern zu tun, die in den Medien präsentiert werden, vor allem in Film und Fernsehen. Da gibt es den weiblichen Love Interest, und der geht nur bis Mitte 30 – dann kommt lange nichts mehr, und es geht erst wieder bei der Großmutter weiter. Die ganze Gesellschaft ist auf diesen Jugendwahn gepolt. Mich würde es hingegen interessieren, auch mal Frauen in meinem Alter zu sehen. Das ist in internationalen Produktionen anders. Das ist seltsam, schließlich ist das Fernsehpublikum erwiesenermaßen auch eher älter.

prisma: In "Du bist nicht allein" haben Sie mehrere Nacktszenen. Fällt Ihnen das heute schwerer als früher?

von Kessel: Nein, wenn das für die Geschichte Sinn macht, ist das ist kein Problem für mich, das Alter spielt da keine Rolle. Es ist nicht so, dass ich mir leidenschaftlich gerne die Kleider vom Leib reiße – das war mit 20 nicht anders als jetzt. Aber – wie gesagt – wenn ich verstehe, was das für die Geschichte bringt und was wir damit erzählen wollen, dann habe ich keine Probleme damit, nackt zu sein. Ich finde es zum Beispiel total idiotisch, eine Liebesszene zu spielen mit einem Rollkragenpulli, weil man nicht nackt vor die Kamera sein will. In diesem Film stellt die Nacktheit die Verletzbarkeit meiner Figur dar, deshalb macht es Sinn.

prisma: Dazu braucht man aber sicher auch ein gutes Verhältnis zum eigenen Körper.

von Kessel: Natürlich war mit 20 alles fester und praller, aber niemand kommt ums Älterwerden herum. Warum soll man das verstecken und sich dafür schämen? Mein Körper ist ein Teil von mir. Mit dem Älterwerden sammle ich ja auch Erfahrungen, werde reifer. Diese positive Seite am Alter werden wird von den Medien nur leider oft ausgespart, das finde ich schade.

prisma: In dem Film geht es auch um Stalking. Sind Sie schon einmal mit dem Thema in Berührung gekommen?

von Kessel: Nein, bin ich nicht. Das Interessante an dem Film ist aber nicht nur das Thema Stalking. Vielmehr geht es auch um die Frage, was Realität ist und was nur Einbildung. Wann ist es Stalking, wann ist es Verfolgungswahn? Das ist auch eine Beschäftigung mit der eigenen Psyche: wann erfreut es einen, wenn man auf der Straße angeschaut wird oder wann löst eben derselbe Vorgang bei einem Beklemmungen aus.

prisma: Würden Sie sich als misstrauisch bezeichnen?

von Kessel: Ja, ich bin wohl eher ein misstrauischer Mensch.

prisma: Woher kommt das?

von Kessel: Gute Frage. Vielleicht bin ich so geboren, vielleicht hat das mit meiner Kindheit zu tun – aber es gab kein Schlüsselerlebnis. Ich bin jemand, der sich schon in einen Wahn hineinsteigern kann. Wenn mir ein Arzt sagt, er meldet sich in ein paar Tagen mit einem Untersuchungsergebnis – das geht bei mir nicht. Mein Job ist es, durch meine Fantasie ein Gefühl auszulösen, das mich in einen bestimmten emotionalen Zustand versetzt. Und wenn ich jetzt drei Tage darüber nachdenke, was alles mit mir nicht stimmen könnte, dann ist das quälend und nicht besonders konstruktiv.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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