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"Wir im Krieg – Privatfilme aus der NS-Zeit": ZDF-Doku öffnet die Archive

von Wilfried Geldner

Während der NS-Zeit filmten Privatleute – teils in Farbe – ihre Familien, aber auch öffentliche Auftritte der NS-Kohorten. Es entsteht so im Rückblick ein anderes Bild, als es die Propaganda-Wochenschauen im NS-Staat vermittelten.

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Wir im Krieg – Privatfilme aus der NS-Zeit
Dokumentation • 06.08.2019 • 20:15 Uhr

Die Legende ist diese: Auf Dachböden und in Kellern deutscher Haushalte "schlummert" ein vergessener Schatz: Schmalspurfilme, die den Aufstieg und Fall des Dritten Reichs aus ganz privater Perspektive zeigen. Die ganze Wahrheit mithin darüber, wie sich das Übel ausbreiten konnte, der Schrecken, an dessen Ende der gewaltsame Tod von Millionen Menschen stand. Fatal, dass die Diktatur in zeitlicher Parallele mit dem Aufkommen des Farbfilms Einzug hielt. Wer es sich leisten konnte, filmte mit teurem Kodak- oder Agfa-Matrial auf Schmalfilm mit acht oder 16 Millimeter Breite. Herauskamen meist keine Untergrundfilme, sondern die eher angepasste Sicht aufs Dritte Reich, wie sie vor Jahren bereits Sendereihen wie die n-tv-Dokuserie "Alltag unterm Hakenkreuz" vermittelte. Die ZDF-Zeitgeschichtsredaktion zeigt nun zum 80. Jahrestag des Kriegsausbruchs noch einmal "Bilder aus der Mitte der Gesellschaft" zu Zeiten des NS-Regimes. Experten, Historiker und Filmwissenschaftler, erläutern, "was die Bilder zeigen und was sie verschweigen".

Tatsächlich wurden viele der Privatfilme lange nicht veröffentlicht – und später häufig mit der Auflage freigegeben, den Tod des Autors abzuwarten. "Es ist erstaunlich, wie viel Filmmaterial 80 Jahre nach Kriegsbeginn noch nie öffentlich gezeigt wurde", sagt Stefan Brauburger, der Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte. "Es sind aufschlussreiche Einblicke in jene Zeit, die auch vor Augen führen, wie selbstverständlich sich viele Menschen in den Alltag des NS-Regimes einfügten."

Nicht zuletzt weil auch Amateurfilmer der Aufsicht der Reichsfilmkammer unterlagen, blieben viele Filme an der Oberfläche haften. Bilder von Aufmärschen und Paraden waren in der Überzahl, wenige zeigen aber auch die Bedrohung der jüdischen Bürger und ihrer Geschäfte. Doch der Sohn, der in Uniform vom Arbeitsdienst nach Hause kommt, ist eher die Regel – ebenso wie die allgemeine Begeisterung ganzer Städte. So hat die Stadt Lahr im Schwarzwald zur NS-Zeit Filme in Auftrag gegeben, die zeigen, wie die Stadt immer mehr vom Nationalsozialismus vereinnahmt wurde. "Was dort im Kleinen geschah, ist auch im Großen geschehen", erläutert "Wir im Krieg"-Autor Jörg Müllner.

Aber auch das: Kurz vor Kriegsausbruch begibt sich ein Leipziger Ehepaar im Faltboot auf der Oder auf die Hochzeitsreise. Nur ein Lazarettschiff am Ufer kündet vom bevorstehenden Unheil. Man hofft, dass alles gut ausgeht und versucht, an seinem privaten Glück festzuhalten – ganz so, wie es die meisten machen. Der Rest ist Geschichte: Gasmasken im Schutzraum, Zerstörung und Ruinen.

Ein Schmalfilmer aus Leipzig, später auch Wochenschau-Kameramann, filmt den Vormarsch im Osten, die Zerstörung Warschaus und den Angriff auf die Sowjetunion. Im Stuttgarter Stadtarchiv ist selbst die Judendeportation von 1941 durch Privataufnahmen dokumentiert. Und ein Marinesoldat hält in Litauen die Erschießung von Juden fest. Es ist die andere Seite, jenseits von NS-Propagandafilmen und des Siegesrauschs deutscher Wochenschauen. Ein wirklich neues Bild vom Leben im NS-Staat liefert die ZDF-Zeitgeschichtsdoku jedoch nicht.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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