"An einem Tag im September"

Burghart Klaußner als Konrad Adenauer in neuer ZDF-Produktion

08.09.2025, 17.50 Uhr
Der Film "An einem Tag im September" beleuchtet das historische Treffen zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle 1958 und zeigt die Bedeutung von Diplomatie und Versöhnung.

Burghart Klaußner ("Das weiße Band") ist eine deutsche Schauspiellegende. Der 75-Jährige lebte als kleiner Junge in Westberlin, als sich am 14. September 1958 in einem Dorf im Nordosten Frankreichs, in Colombey-les-Deux-Églises, der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer mit dem französischen Ministerpräsidenten Charles de Gaulle traf, um die "Erbfeindschaft" der Deutschen mit den Franzosen zu beenden.

Der ZDF-Film "An einem Tag im September" (Montag, 15. September, 20.15 Uhr, bereits am Freitag, 12. September, 20.15 Uhr, bei ARTE) inszeniert diese Sternstunde der Diplomatie nach. Im Interview berichtet Klaußner, wie man damals als junger Deutscher auf Frankreich blickte und warum sein Polit-Kammerspiel heute wieder hochaktuell ist.

Burghart Klaußner: "Die Amis haben mein Weltbild stark geprägt"

prisma: Sie wurden einen Tag vor dem Treffen zwischen Adenauer und de Gaulle neun Jahre alt. Haben Sie eine Erinnerung an dieses historische Ereignis?

Burghart Klaußner: Das habe ich natürlich mitbekommen. Der Name Colombey-les-Deux-Églises, der Ort des Treffens, war damals ständig in den Medien, also in der Zeitung und im Radio. Der Name war irgendwie überall. Ein Dauerbrenner.



prisma: Sie sind in Westberlin aufgewachsen. Wie hat man dort damals auf Frankreich geblickt?

Klaußner: Für mich waren die deutsch-französischen Beziehungen nicht existent, aber ich war natürlich noch sehr jung. Allerdings wusste ich, dass die Franzosen in Berlin auch eine Besatzungsmacht waren. Übrigens jene, von der meine Mutter sagte, die Franzosen seien die problematischste, weil arroganteste, aber das habe ich nur so nebenbei zur Kenntnis genommen, denn ich hatte ja keine Beziehung zu irgendwelchen Franzosen.

prisma: Wer war die Besatzungsmacht Ihrer Kindheit?

Klaußner: Wir wohnten in Lichterfelde, da waren die Amis. Sie haben mein Weltbild stark geprägt. Mit den GIs, also den Amis, bin ich groß geworden. Das waren meine Buddys, die hatten immer Bonbons und Schokolade, waren extrem locker und kinderfreundlich. Das kam bei mir natürlich super an. Weiter nördlich, in Tegel und Frohnau, waren die Franzosen, und da wir dort einen ganzen Schwung Verwandtschaft hatten, hörte man ab und an die ein oder andere Geschichte.

prisma: Warum sind uns die Franzosen eigentlich so fremd, obwohl sie Nachbarn sind?

Klaußner: Es ist dasselbe wie mit den Polen. Es besteht eine ziemliche Sprachbarriere, weil viel zu wenige Menschen hier Polnisch oder Französisch sprechen. Wir kennen auch die Kultur unserer Nachbarn zu wenig, deshalb sind auch Austauschprogramme so wichtig.

prisma: Haben Sie Frankreich später kennengelernt – als junger Mann?

Klaußner: Ja, ich bin mit meiner Freundin nach Paris gefahren, um unter dem Eiffelturm ein Baguette zu essen (lacht). Und natürlich wollten wir auch an die Côte d'Azur, um dort rumzuhängen. Bei beiden Aktionen ging's ums französische Flair. In den 60-ern fand ich die französische Lebensart interessant. Die Angelsachsen waren cool, die Franzosen aber elegant, und die Frauen waren sehr schön. Das alles war schon sehr reizvoll. Ich bin in meinem Leben sechs unterschiedliche Citroën-DS-Modelle gefahren, weil ich dieses Auto so liebte, obwohl es ständig kaputt war.

Burghart Klaußner: "Film erschien uns so glamourös, es war wie eine andere Disziplin"

prisma: Also kann man Sie als frankophil bezeichnen?

Klaußner: Ja, vielleicht. In den frühen Studentenjahren ist irgendwie der Funke übergesprungen. Natürlich auch wegen der Musik. Französische Chansons waren damals sehr präsent in Deutschland. Françoise Hardy fand ich mit "Tous les garçons et les filles" ziemlich toll. Charles Aznavour war eine Größe oder solche Leute wie Mireille Mathieu. Sie war ein Star in Frankreich und Deutschland. Man ging natürlich auch in den neuen Film von Jean-Paul Belmondo oder Alain Delon. Es gab auf jeden Fall mehr kulturellen Austausch.

prisma: Sie haben dann Schauspiel studiert. War man da in den 60ern nicht ziemlich begeistert von der Nouvelle Vague?

Klaußner: Na klar, die Filme von Truffaut oder Godard haben einen großen Eindruck auf mich gemacht. Und ich war großer Fan des Schauspielers Jean-Louis Trintignant und auch von Jacques Tati. Man hat diese Sachen als Schauspielschüler aber nur wie ein Fan geschaut. Wir haben uns damals aufs Theater vorbereitet. Es war eine ganz andere Welt als der Film. Film erschien uns so glamourös, es war wie eine andere Disziplin. Etwas, von dem man dachte, dass man da niemals hinkommen würde.

prisma: Zurück zum Film über Adenauer und de Gaulle. Was, glauben Sie, stand im Zentrum dieses Treffens?

Klaußner: Ich würde fast sagen, etwas, das heute wieder sehr aktuell ist. Die beiden sprachen intensiv über die deutsche Bewaffnung, auch eine atomare Bewaffnung. Es ging darum, wie wir uns in Europa gegen Aggressoren schützen. Adenauer wollte, dass Deutschland sich atomar bewaffnet, aber er hat sein Ziel nicht erreicht. Tatsächlich haben dies die Franzosen verhindert. Lange Zeit hat man nicht mehr daran gedacht, dass von Russland eine große Gefahr für den Frieden in Europa ausgehen könnte. Zu Adenauers Zeiten hingegen hatte man schon große Sorge. Insofern sind der Film und seine Themen wieder sehr modern.

Burghart Klaußner über den Ex-Kanzler: "Adenauer war ein Phänomen"

prisma: Wussten Sie beim Dreh, was die beiden tatsächlich während des Treffens gesagt haben?

Klaußner: Nur in etwa, denn es existieren lediglich Gedächtnisprotokolle von diesem Treffen, keine exakten Aufzeichnungen. Ich denke, der Film zeigt die Bedeutung von persönlichen Begegnungen in der Politik. Wenn zwei Staatschefs sich gut verstehen, egal auf welcher Ebene, kann das den Lauf der Geschichte verändern. So trivial es auch klingen mag – Sympathie oder Freundschaft sind in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam.

prisma: Adenauer und de Gaulle waren beide Katholiken – und zum Zeitpunkt des Treffens bereits ältere Männer. Waren Politiker damals werteorientierter als heute? Konnte man ihnen mehr vertrauen?

Klaußner: Vielleicht war das tatsächlich eine Politikergeneration, die noch stärker von ethischen Überlegungen angetrieben wurde als heute. Trotzdem haben diese Männer nicht einsam und alleine entschieden. Sie waren eingebunden in ein demokratisches Polit-System und auch in eine öffentliche Meinung, die den Zeitgeist vorgab. Adenauer wusste aber auch durch rechtzeitige Parteiverbote rechts- und linksextremistischer Parteien die Demokratie zu stärken – vorbildhaft, wenn man auf das heutige Verhältnis der CDU zur AfD schaut. Allein aber entscheidet nur ein Diktator. Und der hat ab einem gewissen Zeitpunkt oft den Kontakt zur öffentlichen Meinung verloren, weil er nicht auf sie angewiesen ist, wenn sein System brutal genug ist. Er muss sich keine Gedanken darüber machen, wie er ankommt. Siehe Putin.

prisma: Sie sind 75 Jahre alt. Adenauer war bei seinem Treffen mit de Gaulle bereits 82. Sind Sie erstaunt, wie fit er noch war?

Klaußner: Adenauer war ein Phänomen – wie zäh er war und wie lange er das Amt ausübte. Trotzdem interessierte mich die Frage seiner Fitness während der Beschäftigung mit der Rolle weniger als die Verantwortung, die der Mann trug. Man stelle sich vor, das Treffen der Erzfeinde, wie man sich damals als Deutsche und Franzosen sah, wäre schiefgelaufen. Nehmen wir an, die beiden hätten sich überhaupt nicht verstanden und es wäre nichts bei diesem Gipfel in privater Atmosphäre rumgekommen. Vielleicht hätte sich die Geschichte Europas ganz anders entwickelt. Zumindest die Geschichte der Deutschen und Franzosen wäre wohl anders verlaufen, mit mehr Ressentiments, die länger angedauert hätten.

Die deutsch-französische Geschichte als Vorbild - geprägt von Diplomatie und Versöhnung

prisma: Glauben Sie, dass Staatsleute sich ihrer Verantwortung in solchen Momenten sehr bewusst sind?

Klaußner: Ich denke schon, dass sie das sind. Schließlich handelt es sich in der Regel um Diplomatie-Profis. Außerdem gibt es Beraterstäbe, die bei der Einordnung helfen. Trotzdem passiert es immer wieder, dass der Hass größer ist als der Wille zu Vernunft und Diplomatie. Wir sehen es gerade in Gaza, wo einfach nur Wahnsinniges passiert. Doch scheinbar ähnlich unauflösbar wie das Verhältnis zwischen Palästina und Israel war damals das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland. Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen. Insofern ist die deutsch-französischen Geschichte ein gutes Beispiel, wie Diplomatie und Versöhnung die Welt zu einem besseren Ort machen können.

prisma: Trotzdem wird in Deutschland gerade wieder viel von Kriegstüchtigkeit und der Vorbereitung auf einen Krieg gegen Russland gesprochen. Wie finden Sie das?

Klaußner: Verstehen Sie mich nicht falsch: natürlich muss man sich gegen einen verrückt gewordenen Aggressor wappnen, aber es macht mich – wie viele andere Menschen – auch sehr traurig und ratlos, dass wir wieder an diesem Punkt angekommen sind.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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