Hauptdarsteller aus "Doktor Ballouz"

Merab Ninidze: "Eigentlich bin ich kein Zuschauer von Arztserien"

von Elisa Eberle

Arztserien gibt es viele. "Doktor Ballouz" (ZDF) ist aber anders als viele andere Formate aus diesem Genre. Warum, das verrät Hauptdarsteller Merab Ninidze im Interview.

Merab Ninidze ist ein Mann mit vielen Gesichtern: Seit seiner Rolle in dem Oscar-prämierten Film "Nirgendwo in Afrika" (2001) von Caroline Link war der gebürtige Georgier in zahlreichen TV- und Kinoproduktionen zu sehen. Im April wird der 55-Jährige nun gleich zwei höchst gegensätzliche Rolle übernehmen: In der neuen ZDF-Serie "Doktor Ballouz" (ab Donnerstag, 8. April, wöchentlich, um 20.15 Uhr, in Doppelfolgen) spielt er den gleichnamigen Chefarzt, der eine kleine Klinik in der Uckermark leitet. Eine Woche später ist Ninidze zudem als sowjetischer Geheimagent in dem Kinofilm "Der Spion" (ab 15. April) zu sehen. Ein Gespräch über gute Ärzte, französische Filme und die Arbeit mit Benedict Cumberbatch.

prisma: In "Doktor Ballouz" spielen Sie einen Arzt. Wäre der Beruf etwas für Sie?

Merab Ninidze: (lacht) Es ist zu spät, denn in meinem Alter kann ich nicht alles neu anfangen. Aber ja, ich hätte mir diesen Beruf durchaus vorstellen können, weil Ärzte für gewöhnlich ja viel mit Menschen zu tun haben und mir das immer schon wichtig war.

prisma: Was zeichnet einen guten Arzt Ihrer Meinung nach aus?

Ninidze: Ein guter Arzt sollte den Menschen das Gefühl geben, dass er voll und ganz für sie da ist. Meistens hat man ja nur fünf oder zehn Minuten mit dem Arzt. Diese Oberflächlichkeit hat mich immer irritiert. Manchmal hatte ich auch das Gefühl, dass es egal ist, ob das jetzt dieser oder jener Mensch ist. Aber natürlich ist das auch verständlich: Sie haben so viel zu tun. So viele Patienten kommen und gehen. Dennoch denke ich, dass ein guter Arzt für jeden da sein sollte. Egal, wie sehr der Patient schimpft oder wie müde der Arzt selbst ist. Außerdem sollte er ein enormes Fachwissen besitzen. Für mich als Schauspieler war das der schwierigste Teil.

prisma: Warum?

Ninidze: Das war wie eine Fremdsprache für mich: Man muss diese Ausdrücke üben und so oft aussprechen, dass sie diese Selbstverständlichkeit bekommen. Deshalb habe ich im Vorfeld viele Sachen gegoogelt und viel recherchiert: Ich wollte zum Beispiel wissen, was dieser Herzfehler in der vierten Folge bedeutet oder die Lähmungskrankheit in der dritten Folge. Was die technischen Fragen, wie das Erstellen eines Röntgenbildes angeht, habe ich das mit einem wirklichen Facharzt geübt.

prisma: Und wie war diese Zusammenarbeit?

Ninidze: Diese Kollegen waren einfach großartig, weil sie uns nicht das Gefühl gegeben haben, dass wir unfähig und blöd sind, sondern uns ermutigt haben und gesagt haben: "Das sieht total echt aus!" (lacht). Am Ende hatte ich diese technischen Abläufe dann wie eine Choreografie auswendig gelernt.

prisma: Doktor Ballouz hat kürzlich seine Frau verloren. Sie kam verletzt ins Krankenhaus, und er selbst konnte sie nicht mehr retten. Wie spielt man eine solch zutiefst trauernde, traumatisierte Figur?

Ninidze: Natürlich kann man den Verlust nicht richtig spielen. Schon beim Zuschauen ist es einfach wahnsinnig traurig. Ich persönlich finde die Versuche von Doktor Ballouz, diese Traurigkeit zu verarbeiten, und den dahinterstehenden Prozess am schönsten. Weil er sich nicht verliert und nicht untergeht. Er wird nicht tief depressiv, sondern steht in ständigem Kontakt mit seinen Patienten und hat deshalb gar keine Zeit, darüber nachzudenken, welch großen Verlust er erlebt hat. Dennoch sehen wir über die ganzen sechs Folgen hinweg, wie er sich zurück in die Normalität kämpft und gleichzeitig Patienten, denen es wirklich schlecht geht, seine Geschichte erzählt. Das ist ganz entscheidend.

prisma: Arztserien und Krimis bestimmen derzeit das deutsche Fernsehen. Was macht "Doktor Ballouz" zu einem besonderen Format?

Ninidze: Das ist schwer zu sagen, ich habe auch noch nicht alle sechs Folgen gesehen. Dennoch hat mich die Geschichte sehr mitgenommen und gerührt. Eigentlich bin ich kein Zuschauer von Arztserien. Auch Krimis schaue ich nicht wirklich. Vielleicht war das aber auch gerade gut, weil ich keine Klischees im Kopf hatte. Ich denke, was "Doktor Ballouz" besonders macht, ist seine unkonventionelle Art und Weise.

prisma: Was meinen Sie?

Ninidze: Er bleibt sich treu, ist ein Philosoph und redet gerne. Er hat ein großes Allgemeinwissen, und genau das mochte ich an ihm so, weil er dadurch fast exzentrisch wirkt. Ihm ist egal, wie er aussieht, aber er ist bei allem, was er tut, zu 100 Prozent mit dem Herzen dabei. Mehr möchte ich dazu aber nicht sagen. Schließlich wäre es unverschämt von mir, unsere Serie zu loben. Allerdings bin ich sehr gespannt, wie es der Zuschauer empfindet und darauf, ob diese Stimmung wirklich so rüberkommt.

prisma: Was müsste sich am Gesundheitssystem ändern, damit solche Ärzte wie Doktor Ballouz häufiger in Erscheinung treten könnten?

Ninidze: Ich fürchte, ich kenne das Gesundheitssystem zu wenig, als dass ich wirklich etwas Schlaues auf diese Frage antworten könnte. Ich glaube, allgemein gilt, dass alles schiefgehen kann, wenn das System größer als der Mensch ist. Wenn man sich stattdessen auf das Menschliche konzentriert, wird alles besser. Ich glaube, wir sind oft so mit dem System an sich beschäftigt, dass wir vergessen, dass wir es eigentlich mit Menschen zu tun haben. Wenn ich Arzt wäre, wäre das für mich vielleicht auch eine Routine. Und vielleicht wäre ich dann auch nicht in der Lage, jeden Patienten wirklich 150 Prozent zu betreuen. Allerdings sollte das durchaus das Ziel sein, denn so schafft man am Ende mehr.

prisma: Sie sagten, Sie schauen keine Krimis und keine Arztserien. Was schauen Sie denn stattdessen?

Ninidze: In letzter Zeit schaue ich viele französische Filme, Komödien oder auch Serien wie "Call My Agent!". Irgendwie bin ich während der Coronazeit frankophil geworden. Das Thema spricht mich einfach an. Ich weiß nicht, woran das liegt. Vielleicht ist es auch diese gewisse Art von Leichtigkeit, die die Franzosen auch in dramatischen Geschichten haben, die mich persönlich anrührt. Aber natürlich habe ich in meinem Leben auch ein paar Krimis gesehen (lacht).

prisma: In dem Spionagethriller "Der Spion" verkörpern Sie einen Geheimagenten der Sowjetunion. Welcher Rollentypus liegt Ihnen mehr?

Ninidze: Ach, das ist schwer zu sagen. Ballouz war so menschlich. Er hatte so viel Positives. Trotz seines fortgeschrittenen Alters suchte er immer noch nach Antworten auf die großen Fragen. Das hat mich sehr gereizt. Andererseits war es auch großartig, Oleg Penkovsky zu spielen, der eine historische Figur ist. Mehr noch: In der ehemaligen Sowjetunion ist er ein Held der CIA und der größte Verräter aller Zeiten. Genau diese Gegensätze finde ich großartig! Außerdem war es natürlich toll, mit Benedict Cumberbatch zusammenzuarbeiten.

prisma: Wie darf man sich die Zusammenarbeit mit einem Star wie Benedict Cumberbatch vorstellen?

Ninidze: Das war wie ein Geschenk! Man denkt immer: "Ah, große Stars sind so schwierig." Benedict ist aber ein so bodenständiger Typ Schauspieler, wie ich ihn selten kennenlernen durfte. Vielleicht liegt es daran, dass er von einer großartigen Theaterkarriere ins Kino gekommen ist. Jedenfalls sieht man, wie aufmerksam er ist und wie großzügig als Partner. Ihm wird nie langweilig. Er ist immer voll da. Es war einfach eine Freude, weil wir auch im Film viel miteinander zu tun haben und immer gemeinsam im Bild sind (lacht).

prisma: Was genau zeichnet einen guten Schauspielpartner denn aus?

Ninidze: In "Der Spion" gab es zum Beispiel eine Szene, in der Benedict einfach in einem Sessel mir gegenüber saß und mir zuhörte. Jeder gute Partner macht das. Dennoch habe ich ihm nach einer Weile gesagt: "Du musst hier nicht sitzen bleiben. Ich kann mir deine Anwesenheit schon vorstellen." Er sagte daraufhin: "Nein! Mir macht das Spaß! Und ich bin neugierig, was du im nächsten Take machst. Wir lernen voneinander", hat er gesagt. Kurz gesagt: Er ist ein ehrlicher Mensch, ganz ohne Allüren. Außerdem war es faszinierend, wie viel er über die Zeit und die Figuren gelesen hatte. Das hat er mir immer erzählt und gesagt: "Schau, wir müssen das gemeinsam anschauen." Er war so engagiert, wie man es selten erlebt.

prisma: Wie unterscheiden sich die Dreharbeiten in Deutschland und Großbritannien, gerade in Zeiten der Pandemie?

Ninidze: Als wir "Der Spion" gedreht haben, gab es glücklicherweise noch kein Corona. Das einzig schwierige waren damals die Nachtdrehs in der Kälte. Vor einem Jahr im Januar konnten wir dann noch die Premiere beim Sundance Film Festival feiern. Dann kam COVID und hat alles kaputt gemacht – vor allem in der Filmbranche. Was "Doktor Ballouz" betrifft, mussten wir die Dreharbeiten im März 2020 abbrechen, ohne zu wissen, wann und ob wir überhaupt weitermachen können. Das war so traurig, denn die Rolle lag mir am Herzen. Ich habe die ganzen Dreharbeiten so genossen. Ab Ende Mai durften wir dann, Gott sei Dank, mit den entsprechenden Maßnahmen weiterdrehen, sodass wir Ende August glücklicherweise fertig waren. Dafür bin ich sehr dankbar.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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