ZDF-Zweiteiler über Drogen in einer reichen Familie

"Süßer Rausch": Leslie Malton über Sucht in der Schauspielerei

13.10.2022, 14.40 Uhr
von Eric Leimann

In dem ZDF-Zweiteiler "Süßer Rausch" geht es um Drogensucht im Umfeld einer reichen Familie. In dem Film-Epos mit Désirée NosbuschSuzanne von Borsody und Rainer Bockhat spielt Leslie Malton eine Alkoholikerin. Was hat die exzentrische Figur mit der echten Schauspielerin zu tun? Im Interview spricht Leslie Malton über Abhängigkeiten in der Schauspielerei und ob Drogen für sie persönlich zur Gefahr werden könnten.

Der Film "Süßer Rausch" (Sonntag, 16.10., und Montag, 17.10., jeweils 20.15 Uhr) wirkt oberflächlich wie ein klassischer Familiendynastie-Film mit vielen TV-Stars und hohen Schauwerten – die schicken Villen der Figuren stehen in Venetien – und doch sind diese 180 Minuten Primetime-Fernsehen auch ziemlich subversiv. Der Grund: Fast alle porträtierten Figuren haben mit Süchten zu tun: Alkohol, Drogen, toxische Missbrauchs-Beziehungen. Die Deusch-Amerikanerin Leslie Malton, nebenbei Vorsitzende des Bundesverbandes Schauspiel und damit "oberste Schauspielerin" des Landes, verkörpert eine Alkoholikerin und Sucht-Therapeutin. Kann die Wahl-Berlinerin mit den exzentrischen Figuren des Films etwas anfangen? Und wie war und ist es wirklich mit dem Schauspielberuf? Gibt es hier mehr Süchtige als anderswo?

prisma: In "Süßer Rausch" hat fast jede Figur mit irgendeiner Sucht zu tun. Sie spielen eine Alkoholikerin. Sind wir eine Gesellschaft der Süchtigen?

Leslie Malton: Wir leben gerade in einer instabilen Zeit. In solchen Zeiten brauchen manche etwas, an dem sie sich festhalten können. Ich glaube, dass Sucht wieder ein größeres Thema werden kann. Viele Mittel, von denen man meint, sie geben einem Halt und Stabilität, Kraft oder Mut – der Alkohol ist ein gutes Beispiel – führen letztlich nach unten. In Zeiten von Pandemie, Krieg und drohender Umweltzerstörung sind das möglicherweise für manche Menschen Gründe, süchtig zu werden.

prisma: Ihre Figur hat den besten Satz des Films, als sie einer TV-Moderatorin, die stolz auf ihr vernünftiges, sachliches Leben ist, an den Kopf wirft: "Sachlichkeit ist auch eine Sucht". Würden Sie zustimmen?

Leslie Malton: Man muss es differenziert sehen. Für mich war Maß halten immer der richtige Weg im Leben. Klar gibt es Abende, an dem der Rausch einen freudig nimmt und man sich hingibt. Warum auch nicht? Unterm Strich sorgt aber Maß halten für eine gute Balance im Leben. Mit "Sachlichkeit" meint meine Rollenfigur Julia, dass diese Form der Zurückhaltung, die Angst vor der Sucht überdeckt.

"Als ich jünger war, habe ich einiges ausprobiert

prisma: Kennen Sie denn die Sucht nach dem Sachlichen?

Leslie Malton: Mein Leben bis jetzt hat mir gezeigt, dass ich nicht zur Sucht neige. Im Freundeskreis gibt es jemand, der in kein Spielcasino geht, weil er weiß, er würde alles verlieren. Ratio, Sachlichkeit, Klugheit? Auf jeden Fall begegnet und behandelt er diese Furcht vor der Sucht mit Respekt und hält sich fern.

prisma: In der Psychologie spricht man von "Suchtstruktur", also Menschen, in deren Persönlichkeit ein erhöhtes Risiko für Süchte angelegt sind. Sie sehen diese Gefahr bei sich eher nicht?

Leslie Malton: Nur weil ich eine Frau spiele, die süchtig ist, heißt das nicht, dass bei mir ein erhöhtes Risiko für Sucht besteht. Ich bin Schauspielerin und versuche, mich in einen Zustand hineinzuversetzen. Ich muss ihn aber nicht selbst durchlebt haben. Klar, als ich jünger war, habe ich einiges ausprobiert – und dabei gemerkt, dass ich nicht suchtgefährdet bin. Vielleicht kommt es durch die Krankheit meiner jüngeren Schwester, die am Rett-Syndrom leidet. Ich hatte früh das Gefühl, dass ich für sie Verantwortung übernehmen muss. Und wer Verantwortung für andere übernehmen will, muss sie zunächst mal für sich übernehmen. Ich bin davon überzeugt, dass es anders nicht geht.

prisma: Sie sind Vorsitzende des Bundesverbandes Schauspiel (BFFS) und kennen ihre Branche daher sehr genau. Ist Sucht ein großes Problem unter Schauspielenden?

Leslie Malton: Mein Eindruck ist, dass es sich in den letzten 25 Jahren gemäßigt hat. Meines Erachtens haben Aids und die niedrige Promillegrenze damit zu tun. Davor schienen mir die Menschen legerer im Umgang mit Alkohol. Da wurde am Theater nach der Vorstellung schon mal ordentlich gebechert. Manchmal auch schon in der Pause oder gar während der Proben. Es ist aber zu einfach zu sagen: Schauspieler, die saufen gern.

prisma: Jetzt machen Sie uns aber neugierig ...

Leslie Malton: Schauspieler – oder Künstler generell – sind Menschen, die sehr viel geben. Und nicht alle erfahren die Erfüllung, den Respekt und die Anerkennung, die für sie wichtig ist. Da kann der Griff zur Flasche als vermeintlichen Ersatz dienen. Tatsächlich können die wenigsten Schauspieler von ihrem Beruf leben. Was nicht heißt, dass sie weniger geben. Deshalb gibt es in unserem Beruf eine bestimmte Gefährdung. Wenn die Bestätigung für eine Leistung fehlt, sucht man sie woanders und richtet sich dadurch gegen sich selbst. Das ist tragisch, aber ein Mechanismus, den man bei Menschen immer wieder beobachten kann.

Besseres Verhältnis zu Regisseuren

prisma: Früher waren aber auch viele Stars Süchtige. Obwohl man annehmen darf, dass sie in Sachen Geld, Ruhm und Verehrung viel zurückbekommen haben. Wie erklären Sie sich das?

Leslie Malton: Die Arbeit und das Verhältnis zwischen Schauspielern und der Regie hat sich positiv entwickelt, seit meinen Anfängen Ende der 70-er Jahre. Damals hat man oft gegeneinander gearbeitet, statt wie heute miteinander. Viele Regisseure, es waren damals hauptsächlich männliche Regisseure, übten gerne ihre Macht aus. Es gab die Mär, durch Machtausübung und eine Atmosphäre der Angst, könnten sie so die beste Leistung herauskitzeln. Man musste stark sein, um das aushalten zu können. Auf der anderen Seite gab es auch viel Wildes um uns herum. Ich verteufle nicht alles aus diesen Zeiten (lacht)!

prisma: Vermissen Sie dieses Wilde ein bisschen?

Leslie Malton: Ein bisschen schon, aber ich merke – wenn eine Feier länger und exzessiver war -, dass das nicht im Hemd hängenbleibt. Die Regenerationsphase dauert heute leider länger.

prisma: Kommen wir auf Ihre Branche zurück. Es gibt neben Theatern und altem Fernsehen mittlerweile auch etliche Streaming-Dienste. Alle produzieren tonnenweise Fiction. Schauspieler müssten eigentlich alle Hände voll zu tun haben ...

Leslie Malton: Es wird erfreulicherweise viel produziert, aber zu welchen Konditionen? Es gibt momentan offiziell an die 15.000 Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland. Der Verband der Schauspieler (BFFS) hat 3.900 Mitglieder, und es kommen immer wieder neue Kolleginnen und Kollegen dazu. Trotzdem: 81 Prozent der Schauspielenden verdienen jährlich weniger als 50.000 Euro. 68 Prozent verdienen weniger als 30.000 und 56 Prozent sogar weniger als 20.000 Euro. Davon kann man sicher keine Familie ernähren. Nur 4,7 Prozent verdienen übrigens mehr als 100.000 Euro im Jahr.

Schauspieler verdienen weniger als die Meisten denken

prisma: Wird denn insgesamt zu schlecht bezahlt?

Leslie Malton: Es ist eher so, dass es an kontinuierlicher Arbeit fehlt. Deshalb sind auch Rollen in Fernsehserien und Reihen so beliebt – oder auch eine Festanstellung am Theater. Wer immer nur ein oder zwei Dreitage pro Film hat – und das vielleicht drei- oder viermal im Jahr, hat unterm Strich viel zu wenig Geld verdient, um davon leben zu können. Trotzdem denken viele Leute: Schauspieler verdienen sich dumm und dämlich. Die Verdienstmöglichkeiten der meisten Schauspielenden wird überschätzt.

prisma: Waren Sie jemals jobmüde und haben sich überlegt, aus Ihrem Beruf auszusteigen?

Leslie Malton: Ich möchte so lange spielen, bis ich tot umfalle. Das habe ich früher gesagt und meine es auch noch heute. Sogar dann, wenn eine Rolle nicht so herausfordernd ist, hat man durch die Arbeit Gelegenheit, neue Kollegen kennenzulernen oder eine neue Regie. Es gibt immer etwas Neues zu erfahren und zu erleben bei dieser Arbeit. Das finde ich berauschend (lacht)!


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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