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"Alexei Nawalny": Vergiftet, verhaftet und unerschütterlich

06.06.2022, 07.05 Uhr

Alexei Nawalny beeindruckte die Welt als unerschütterlicher Kremlkritiker. Das Leben des russischen Rechtsanwaltes ist spannender als ein Kriminalfilm. Nawalny wurde vergiftet, gerettet und verhaftet, doch der Kritiker scheint nicht unterzukriegen zu sein. Mit einem Telefonstreich schrieb der Kritiker Geschichte. Nawalnys wichtigste Botschaft: Keine Angst vor Putin.

"Als ich immer berühmter wurde, dachte ich, mein Leben wäre nun besser geschützt – eben weil ich jetzt so bekannt bin", sagt Alexei Anatoljewitsch Nawalny vor der Kamera des kanadischen Dokumentarfilmers Daniel Roher. Nach einer Kunstpause: "Da lag ich total daneben."

Man kann Charisma und Wirkungsmacht des berühmtesten russischen Kremlkritikers mit vielem erklären, nicht aber ohne seinen Sinn für sardonischen Humor. In "Nawalny", jener 90-minütigen Kino-Dokumentation, die mit der Empfehlung eines Festivalpreises jetzt das deutsche Fernsehen erreicht, wird verblüffend viel gescherzt und gelacht. Das ist bemerkenswert vor dem Hintergrund der erzählten Vorgänge. Es geht im Kern um Nawalnys Vergiftung, seine Errettung und Genesung in Deutschland, seine Rückkehr und Verhaftung – sowie jenen unglaublichen Coup mittendrin: die Überführung und öffentliche Bloßstellung der Attentäter.

"Putin kann nicht so dämlich sein, Nowitschok zu verwenden"

"Ich war nach Sibirien gekommen, um einen netten Film über die lokale Korruption zu machen", erinnert sich der Oppositionelle im fast schon saloppen Tonfall an jene einschneidenden Tage im Sommer 2020. Er sei fast beleidigt über den Umstand gewesen, dass keiner seiner Dreharbeiten sabotieren wollte. Doch dann, auf dem Rückflug, "starb ich quasi".

Daniel Roher, 1993 in Toronto geboren, hatte sich zuvor mit einer Musik-Doku über The Band einen Namen gemacht. "Nawalny" ist nun der große Coup in seiner noch jungen Filmemacher-Karriere, wenngleich man beim Zuschauen nie den Verdacht loswird, dass nicht der Regisseur Regie führt, sondern der Porträtierte selbst. Nawalny sei kein gewöhnlicher Politiker, sondern auch YouTube- und TikTok-Star mit Millionenreichweite sowie dem Selbstverständnis nach mindestens halber Journalist. Das mache es in der Berichterstattung nicht einfacher, heißt es von einem involvierten Reporter in der Doku. Man kann schwer bestreiten, dass der Film an einer Legende strickt. Was nicht heißt, dass irgendetwas an ihm zweifelhaft wäre.

Alexei Nawalny, nahe Moskau geborener Rechtsanwalt, Dissident und Aktivist, erscheint in diesem Film in der Gestalt eines Erlösers. Er will erlösen vor der Angst vorm Bösen. Als er aus dem Koma aufwachte und man ihm mitteilte, dass er mit Putins Standardkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde – quasi eine "Visitenkarte" des Kreml -, soll er die blauen Augen weit aufgerissen und dann laut gelacht und geflucht haben: "Putin kann nicht so dämlich sein, Nowitschok zu verwenden. Das ist so dumm, dass es schon wieder schlau ist."

Attentäter per Telefonstreich bloß gestellt

Die Dummheit des Unterdrückersystems zu entlarven, scheint überhaupt die bevorzugte Methode Nawalnys zu sein. Das Kreml-Monster wird bei ihm zum lächerlichen Beamtenstubentiger. Genüsslich breitet Putins Staatsfeind Nummer eins im Film die Anekdote aus, der E-Mail-Account des russischen FSB-Geheimdienstchefs sehr mehrfach gehackt worden. Beim ersten Mal habe dessen Passwort "Moskau1" gelautet. "Danach hat er das Passwort 'Moskau2' genommen. Das haben sie wieder gehackt. Beim dritten Mal mit dem Passwort 'Moskau3' – und rate mal, was sein viertes Passwort war ..."

Anderntags stellt Nawalny seine Attentäter per Telefonstreich bloß – vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Ein überrumpelter Militärchemiker – heute "verschollen" – bestätigt ihm leutselig alle Details des misslungenen Komplotts. "Ich glaube, nach dieser Nummer wirst du Präsident – ernsthaft!", jubelt der heimliche Held der Doku, der bulgarische Datenjournalist Christo Grozev, nach dem Ende des inzwischen weltberühmten Telefonats. Es ist ein Satz, der körperlich schmerzt nach der erwarteten Verhaftung im Januar – vor allem aber nach den Entwicklungen seit dem 24. Februar 2022.

Vor wenigen Tagen hat ein russisches Gericht die neunjährige Haftstrafe gegen Alexei Nawalny bestätigt und die Verlegung in eine Strafkolonie mit noch härteren Haftbedingungen angeordnet. Putins Intimfeid vermittelte per Videoschalte seine Kernbotschaft in den Gerichtssaal, die auch seine Doku kennzeichnet: "Ich habe keine Angst, und ihr müsst auch keine haben!" Es ist ein bedeutungsvoller Satz. Er sollte gerade jetzt Gehör finden, auch außerhalb Russlands.

"Nawalny" steht ab Mittwoch, 1. Juni, bei RTL+ zum Abruf bereit. Am Montag, 6. Juni, 21.05 Uhr, zeigt ntv die TV-Premiere.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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